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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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mit hohem Hals, Adlernase und streng gezogenem
     Scheitel, zupfte ständig an seinem Krawattenknoten, als wolle er ihn
     lockern und fände den Mut dazu nicht.
    »Zu Ihren Diensten,
     Herr Nabel, was kann ich für Sie tun?« Der Kriminalrat sah
     nicht von seinen Papieren auf, in denen er blätterte.   
    »Sie können es
     sich vermutlich denken. Das Mordopfer, Asante Myoki, wir haben ihn im
     Verdacht, mit leichten Drogen gedealt zu haben. In unseren Computern
     taucht er nicht auf. Keinerlei Vorstrafen. Da wollte ich Sie fragen
     …«
    »Mich? Mich wollen Sie
     fragen, ob ich etwas über Herrn Myoki weiß?« Die Frage
     klang weniger empört als vielmehr überrascht. Vielleicht ein
     klein wenig belästigt.
    »Das ist der übliche
     Austausch zwischen den Abteilungen …«
    »Neinnein, Nabel,
     verstehen Sie mich nicht falsch, Sie sehen das ganz richtig. Ich wollte
     keineswegs überheblich klingen. Myoki, ja …« König
     zupfte am Krawattenknoten und dachte einen Moment lang nach, wozu er den
     Kopf hob und die Luft laut durch die Nase einsog. »Kenn ich. Ich
     will mich nicht loben, aber mein Namensgedächtnis, nun, ich muß
     das erwähnen, nicht, daß Sie falsche Schlüsse ziehen, es
     ist ein Segen, manchmal ein Fluch, egal. Asante Myoki, ja, Nigeria, soweit
     ich mich erinnern kann.« König sah einen Stapel Papiere durch,
     aber Nabel hatte den Eindruck, daß diese mit der Sache oder dem
     Menschen nichts zu tun hatten und der Kriminalrat nebenher noch etwas
     anderes erledigte. Immerhin war Königs Artikulation scharf und
     schneidend. Kein einziges ›Äh‹ kam ihm über die
     Lippen.
    »In der Tat ist Herr
     Myoki vorstrafenfrei. Wir haben ihn während der letzten beiden Jahre
     elfmal verhaftet, nie konnte ihm was nachgewiesen werden und er wurde auf
     freien Fuß gesetzt.« König zündete sich eine
     Zigarette an, paffte daran und tippte einige Buchstaben in seinen PC.
     »Genau wie ich gesagt habe.« Mit einem gewissen Stolz hob er
     die Mundwinkel für Sekundenbruchteile, und Nabel begriff, daß
     ihm hier ein Gedächtniskünstler eine kleine Vorstellung gegeben
     und seine Angaben nur sicherheitshalber oder des beamtischen Ethos wegen
     im PC überprüft hatte.
    König zupfte erneut an
     seinem Krawattenknoten, als würde der ihm die Luft abklemmen. »Er
     lebte von der Hand in den Mund. Ein kleines Licht, nicht ernsthaft
     verfolgungswürdig. Hat Gras vertickt und niemandem groß
     geschadet.«
    »Sie haben aber eine
     Akte über Myoki?«
    »Inoffiziell. Also
     keine Akte, nur einen Merkzettel. Ein paar Protokolle. Es ist nicht so, daß
     wir gar nichts hätten. Leider, fürchte ich, ist nichts davon für
     Sie wertvoll. Myoki war ein Schuhputzer, ohne Verbindung zu schwereren
     Kalibern. Belanglos.«
    »Also auch keiner Ihrer
     V-Männer?«
    »I wo. Ach? Wo denken
     Sie hin? V-Mann? So einer? Den Sie für ein Mittagessen kaufen können?
     Der Gedanke belustigt mich. Naja. Wars das? Kann ich sonst noch irgendwie
     helfen?«
    Nabel stellte ein paar Fragen
     allgemeiner Art, hauptsächlich, um dem ranghöheren Kollegen Zeit
     zu stehlen. Beim Verlassen des Büros kam es ihm dennoch vor, als sei
     soeben eine Audienz beendet worden, und er habe vergessen, den Ring des
     Regenten zu küssen.
    Lidia saß in ihrer hübsch
     langgeschnittenen Zwei-Zimmer-Wohnung nicht weit vom Marheinekeplatz,
     einer Gegend voller Geldwaschanlagen, die sich als kleine Restaurants,
     Imbisse oder Bistros tarnten. Keine Stadt konnte so viel essen, die Hälfte
     der Lokale hätte längst pleite gemacht haben müssen, wären
     sie wirklich auf Gäste angewiesen gewesen. Immer mehr Russen, Kroaten
     und Ukrainer kamen nach Berlin und gruben türkischen, serbischen und
     einheimischen Gangs das Wasser ab. In diesem Viertel, dem Bergmannstraßenkiez,
     war noch nicht allzuviel davon zu spüren, es hatte sich seinen
     multikulturellen, in Maßen geldigen Charakter bewahrt, den Hauch von
     Mittelmeer und Bazar, von Antiquariaten und Boutiquen, von
     schwul-lesbischer Subkultur, renoviertem Altbau, revolutionärer
     Vergangenheit und preiswertem Nahrungsangebot. Lidia lebte zwei Stockwerke
     über dem Keller in der Schenkendorffstraße, in dem die Bewegung
     2. Juni einst den entführten CDU-Spitzenkandidaten Lorenz
     festgehalten hatte. Der Mythos blühte immer noch ein wenig,
     wenngleich die Jugend zum größten Teil kaum noch wußte,
     wer Rudi Dutschke gewesen war. Zum Kotzen fand Lidia die seichten Flegel
     der

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