Aussortiert
wohl nicht
drum herum.«
»Sieh das nicht so!
Bitte. Ich möchte, daß du dir die nächsten Tage freinimmst
und ausschläfst. Verzichte auf das Zeug. Glaub mir, ich weiß,
wie sehr man daran wächst, und ich weiß auch, wie man danach
wieder zusammenschrumpft. Man denkt, so eine kleine Line, das ist der Rede
nicht wert, aber die Line kommt täglich, wird immer länger. Man
denkt, das sei eine gut kontrollierbare Droge, man belächelt und
verflucht die Deppen, die damit nicht haushalten können, und kann
irgendwann selber nicht mehr damit haushalten. Ich habe Angst um dich. Um
deine Gesundheit, um deine Karriere. Ich verrate dir was und das ist höchstes
Dienstgeheimnis, ja? Seidel plant, daß alle Berliner Kriminalbeamten
sich demnächst einem freiwilligen Drogentest unterziehen sollen.«
Lidia schnalzte abschätzig
mit der Zunge. »Ist das so?«
Nabel nickte. Er kam sich
elend spießig dabei vor, die Frau, die er liebte, fast väterlich
zu schulmeistern. Koks war in der Hauptstadt kein Thema mehr, das wirklich
ernst genommen wurde. Man hatte kapituliert vor der Allgegenwart der
Droge, ließ sie, wo es nur um kleine Mengen ging, mehr oder minder
ungeahndet, so wie man Jahrzehnte zuvor den Kampf gegen das Haschisch
aufgegeben hatte.
»Na schön. Ich
nehme mir deinen Rat zu Herzen. Und wenn ich schon abhängig bin? Was
dann, Kai? Würdest du etwas gegen mich unternehmen?«
»Nein, nie. Niemals.
Was denkst du bloß von mir?«
Er legte seine Hand auf ihre
Hand, zog sie dann schnell wieder zurück, bevor falsche Schlüsse
draus gezogen werden konnten. Lidia blickte geknickt drein, sie trank das
zweite Glas in einem Zug aus, obwohl der Wein ihr nicht schmeckte.
»Also – wie
halten wirs mit der Sache? Das ist mir verdammt unangenehm, weißt
du?«
»Bekommst du einigermaßen
guten Stoff?«
»Den besten.«
»Nicht mit
irgendwelchem Scheißwaschpulver oder Badreiniger gestreckt?«
»Nein.«
»Woher?«
»Das fragst du mich
nicht ernsthaft, oder?«
»Doch.«
»Vergiß es! Ich
war ehrlich genug zu dir. Jetzt reicht es.«
Lidia schaltete auf stur. Die
entstehende Stille erwies sich als hartnäckig. Beide versuchten, das
Thema zu wechseln, von etwas anderem zu reden, tranken noch ein drittes
Glas, dann verabschiedete sich Lidia abrupt und gab Kai die Hand, drückte
sie etwas fester als sonst und sah ihm dabei blinzelnd in die Augen.
Es paßte ihr nicht, daß
er hinter ihr Geheimnis gekommen war, daß sie ihren Nimbus der
untadeligen, vor allem unerpreßbaren jungen Vorzeigebeamtin verloren
hatte. Aus seiner Sicht hatte er natürlich recht, er durfte nicht
dulden, daß ein Mitglied seines Teams mit Drogen zu tun hatte. Sie
war unvorsichtig gewesen, das stimmte. Vielleicht, überlegte Lidia
auf der Heimfahrt, sollte ich ihm sagen, woher ich meinen Stoff beziehe?
Kurz grinste sie. Seidel will, daß sich alle Berliner
Kriminalbeamten einem freiwilligen Test unterziehen? Auf diesen Schmus wäre
sie beinahe hereingefallen. Nach und nach beruhigt, beinahe erleichtert
zog sie Bilanz. Kai würde nie etwas gegen sie in Gang setzen, nein.
Dieser Typ war er nicht.
Aber etwas an sich ändern
mußte sie doch.
Nabel stieg auf den Balkon
hinaus, stützte sich aufs Geländer. Die Nacht empfing ihn weich
und warm, er ließ dazu Beethovens erstes Rasumovsky-Quartett op. 59
erklingen. Unten im Körnerpark war ein Dutzend Jugendlicher damit
beschäftigt, wehrlose Bänke mit hermetischen Zeichen zu besprühen.
Jeder Mensch, überlegte er, versucht auf seine Weise, mit der Welt
fertig zu werden, während die Welt kein Problem hat, ihrerseits mit
jedem fertig zu werden. Der Margaux war nicht sein Fall, zu dunkel, zu
streng, er würde weiterhin bei italienischen Rotweinen bleiben. Schon
des Preis-Leistungs-Verhältnisses wegen. Unten auf der Straße
stieg Lidia in ihren Wagen. Er sandte ihr einen kleinen Pustekuß
hinterher, aber erst, als sie schon losgefahren war.
4
»MK Acht, ’parat
Müller-Dogan, hallo?«
Der riesige Park, der den
eher bürgerlichen Teil Kreuzbergs von Neukölln trennt, die
Hasenheide, ist übers ganze Jahr hinweg Aufmarschplatz Hunderter
Kleindealer fast ausnahmslos schwarzer Hautfarbe. Sie sitzen auf Bänken
an Kreuzwegen und haben ihr Drogendepot, meist nur Hasch und Ecstasy,
selten härteres Zeug, im nahen Gebüsch versteckt. Manchmal rückt
die Polizei
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