Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
wohl nicht
     drum herum.«
    »Sieh das nicht so!
     Bitte. Ich möchte, daß du dir die nächsten Tage freinimmst
     und ausschläfst. Verzichte auf das Zeug. Glaub mir, ich weiß,
     wie sehr man daran wächst, und ich weiß auch, wie man danach
     wieder zusammenschrumpft. Man denkt, so eine kleine Line, das ist der Rede
     nicht wert, aber die Line kommt täglich, wird immer länger. Man
     denkt, das sei eine gut kontrollierbare Droge, man belächelt und
     verflucht die Deppen, die damit nicht haushalten können, und kann
     irgendwann selber nicht mehr damit haushalten. Ich habe Angst um dich. Um
     deine Gesundheit, um deine Karriere. Ich verrate dir was und das ist höchstes
     Dienstgeheimnis, ja? Seidel plant, daß alle Berliner Kriminalbeamten
     sich demnächst einem freiwilligen Drogentest unterziehen sollen.«    
    Lidia schnalzte abschätzig
     mit der Zunge. »Ist das so?«
    Nabel nickte. Er kam sich
     elend spießig dabei vor, die Frau, die er liebte, fast väterlich
     zu schulmeistern. Koks war in der Hauptstadt kein Thema mehr, das wirklich
     ernst genommen wurde. Man hatte kapituliert vor der Allgegenwart der
     Droge, ließ sie, wo es nur um kleine Mengen ging, mehr oder minder
     ungeahndet, so wie man Jahrzehnte zuvor den Kampf gegen das Haschisch
     aufgegeben hatte.
    »Na schön. Ich
     nehme mir deinen Rat zu Herzen. Und wenn ich schon abhängig bin? Was
     dann, Kai? Würdest du etwas gegen mich unternehmen?«
    »Nein, nie. Niemals.
     Was denkst du bloß von mir?«
    Er legte seine Hand auf ihre
     Hand, zog sie dann schnell wieder zurück, bevor falsche Schlüsse
     draus gezogen werden konnten. Lidia blickte geknickt drein, sie trank das
     zweite Glas in einem Zug aus, obwohl der Wein ihr nicht schmeckte.
    »Also – wie
     halten wirs mit der Sache? Das ist mir verdammt unangenehm, weißt
     du?«
    »Bekommst du einigermaßen
     guten Stoff?«
    »Den besten.«
    »Nicht mit
     irgendwelchem Scheißwaschpulver oder Badreiniger gestreckt?«
    »Nein.«
    »Woher?«
    »Das fragst du mich
     nicht ernsthaft, oder?«
    »Doch.«
    »Vergiß es! Ich
     war ehrlich genug zu dir. Jetzt reicht es.«
    Lidia schaltete auf stur. Die
     entstehende Stille erwies sich als hartnäckig. Beide versuchten, das
     Thema zu wechseln, von etwas anderem zu reden, tranken noch ein drittes
     Glas, dann verabschiedete sich Lidia abrupt und gab Kai die Hand, drückte
     sie etwas fester als sonst und sah ihm dabei blinzelnd in die Augen.
    Es paßte ihr nicht, daß
     er hinter ihr Geheimnis gekommen war, daß sie ihren Nimbus der
     untadeligen, vor allem unerpreßbaren jungen Vorzeigebeamtin verloren
     hatte. Aus seiner Sicht hatte er natürlich recht, er durfte nicht
     dulden, daß ein Mitglied seines Teams mit Drogen zu tun hatte. Sie
     war unvorsichtig gewesen, das stimmte. Vielleicht, überlegte Lidia
     auf der Heimfahrt, sollte ich ihm sagen, woher ich meinen Stoff beziehe?
     Kurz grinste sie. Seidel will, daß sich alle Berliner
     Kriminalbeamten einem freiwilligen Test unterziehen? Auf diesen Schmus wäre
     sie beinahe hereingefallen. Nach und nach beruhigt, beinahe erleichtert
     zog sie Bilanz. Kai würde nie etwas gegen sie in Gang setzen, nein.
     Dieser Typ war er nicht.   
    Aber etwas an sich ändern
     mußte sie doch.
    Nabel stieg auf den Balkon
     hinaus, stützte sich aufs Geländer. Die Nacht empfing ihn weich
     und warm, er ließ dazu Beethovens erstes Rasumovsky-Quartett op. 59
     erklingen. Unten im Körnerpark war ein Dutzend Jugendlicher damit
     beschäftigt, wehrlose Bänke mit hermetischen Zeichen zu besprühen.
     Jeder Mensch, überlegte er, versucht auf seine Weise, mit der Welt
     fertig zu werden, während die Welt kein Problem hat, ihrerseits mit
     jedem fertig zu werden. Der Margaux war nicht sein Fall, zu dunkel, zu
     streng, er würde weiterhin bei italienischen Rotweinen bleiben. Schon
     des Preis-Leistungs-Verhältnisses wegen. Unten auf der Straße
     stieg Lidia in ihren Wagen. Er sandte ihr einen kleinen Pustekuß
     hinterher, aber erst, als sie schon losgefahren war.

 
    4
    »MK Acht, ’parat
     Müller-Dogan, hallo?«
    Der riesige Park, der den
     eher bürgerlichen Teil Kreuzbergs von Neukölln trennt, die
     Hasenheide, ist übers ganze Jahr hinweg Aufmarschplatz Hunderter
     Kleindealer fast ausnahmslos schwarzer Hautfarbe. Sie sitzen auf Bänken
     an Kreuzwegen und haben ihr Drogendepot, meist nur Hasch und Ecstasy,
     selten härteres Zeug, im nahen Gebüsch versteckt. Manchmal rückt
     die Polizei

Weitere Kostenlose Bücher