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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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überfallartig an, um ein paar von ihnen zu durchsuchen,
     nichts zu finden und wieder abzuziehen. Wird mal einer verhaftet, treten
     drei andere an dessen Stelle. Das Drogendezernat hat diesen Kampf längst
     aufgegeben, zeigt zwar, zur Beschwichtigung der Anwohner, hin und wieder
     Präsenz, um sich keine Vorwürfe einzuhandeln, findet es jedoch
     sinnvoller, sich um fettere Fische zu kümmern. Die Kleindealer der
     Hasenheide führen alles in allem ein beschauliches Leben, in die
     Gegend trauen sich keine Neonazi-Schläger, und der einzige Ärger,
     mit dem sie rechnen müssen, sind besorgte Mütter, die sie
     anschnauzen und als Gesindel beschimpfen. Aber selbst das kommt eher
     selten vor. Nachts ist der Park unbeleuchtet, die Stadt muß Strom
     sparen. Tagsüber im Sommer grillen vorrangig Türken trotz
     offiziellen Grillverbots oft halbe Lämmer am Spieß, Musikanten,
     Gymnastikgruppen und Schattenboxer treiben sich auf den Rasenflächen
     herum. Liebespaare treffen sich am zugeschilften Tümpel, und der Lärm
     vom nahen Freibad ist weithin zu hören.
    Neben dem kleinen Tierpark
     – ein Gehege voller Pfaue, Rehe und Ziegen – hocken die
     Schach- und Skatspieler, denen ein geschäftstüchtiger Türke
     fünfmal pro Tag eisgekühltes Bier und belegte Brote verkauft,
     mit einer lächerlich geringen Gewinnspanne. Die Hasenheide ist ein
     preiswerter Zeitvertreib. Wenn man gar nichts zu tun hat, kann man auf dem
     umzäunten Hundespielplatz sitzen und lustvoll tobenden Vierbeinern
     zusehen.
    Nabel fand immer, die
     Hasenheide sei doch der schönste und vielfältigste Park Berlins.
     Er kam oft hierher, dachte über dies oder jenes nach, sah
     halbbetrunkenen Schachspielern zu oder spazierte durch den
     Rhododendronhain. Zwischen der Trinkhalle mit ihrem hübschen
     50er-Jahre-Vordach auf dünnen weißen Stelzen und dem
     Freilichtkino, das an Sommerabenden rege besucht wurde, saß im
     Rosengarten Asante Myoki und dachte ganz ähnlich. Er hatte ein paar
     Gramm Afghanen zu verkaufen, aber die Hitze machte ihn träge, und er
     verlor sich in Träumereien, beobachtete die Kinder auf dem Spielplatz
     und erinnerte sich seiner eigenen Kindheit im senegalesischen Lehmhüttendorf.
    Myoki war neunundzwanzig und
     dank einer politisch engagierten Lesbe, die ihn pro forma geheiratet
     hatte, glücklich integriert in die bundesrepublikanische
     Gesellschaft. Er hatte ihr dazu vortäuschen müssen, aus Nigeria
     zu stammen, aber die Lesbe hatte kaum nachgefragt, sie wollte möglichst
     schnell das getan haben, was sie für ihre humane Pflicht hielt.
     Asante, der nachts in einem Zimmer mit vier anderen Afrikanern schlafen mußte,
     war von seinem sozialen Aufstieg ins Paradies begeistert. Er hatte es
     geschafft, besaß eine Aufenthaltsgenehmigung und freute sich seines
     kargen Lebens. Wenn er bis zum Abend drei Gramm Hasch verticken konnte,
     waren Ernährung und Miete gesichert. Fast entrückt, die Augen
     halb geschlossen, genoß er den Tag und vertraute darauf, daß
     alles weitergehen würde, irgendwie. Ein Schatten schob sich zwischen
     ihn und die Sonne. Jemand sprach ihn an, nicht mit Worten, nur mit einem
     Zwinkern. Myoki stand auf und trottete dem Kunden hinterher, sein letzter
     Weg führte ihn in die Büsche rund ums Freiluftkino. Dort bekam
     er ein Messer ins Herz gerammt, sein empörter, entsetzter Schrei
     änderte nichts, er starb mit großen, staunenden Augen. Daß
     ihm ein Schildchen an die blutende Brust geheftet wurde, nahm er nur noch
     sozusagen im Vorübergehen wahr.
    »Hier liegt ein Toter,
     vermutlich Messermord, in der Hasenheide. Zettel mit lila Handschrift.«
    »Ach, echt?«
     Ahmed ging es darum, seinen Frust und Überdruß zu ventilieren,
     er nahm sich aber sofort zusammen und ließ sich den Fundort
     beschreiben. Danach informierte er wie gewohnt zuerst Lidia, dann Nabel
     und fuhr die knapp zwei Kilometer mit dem Fahrrad.
    Zu schwarz, das Schwein, für
     Gott. Aussortiert. Einer weniger.
    Die Spurensicherung war schon
     da, der Tatort weit räumig abgesperrt. Eine Plane lag über dem
     Toten, Bäume der Umgegend wurden von Kindern erklettert, die einen
     Blick erhaschen wollten. Tatzeugen gab es keine.
    »Messerstich, einer.
     Sehr präzise ins Herz gesetzt.« Soviel ließ sich jetzt
     schon sagen.
    »Am hellichten Tag!«
     fügte der Arzt hinzu, aber das war keine überraschende
     Neuigkeit, eher ein persönlicher Einwand.
    »Wann sollte sich ein
     Killer hier sonst sicher

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