Aussortiert
weiß ich wirklich nicht. Er war ein gradliniger
Mensch.«
»Sie meinen:
beziehungsunfähig?«
»Nein, wieso?
Beziehungsfaul, das vielleicht. Ich sag Ihnen mal was ins Gesicht, Herr
Kommissar! Sie mochten Jimmy nicht, und jetzt versuchen Sie, ihm was anzuhängen.
Jetzt, wo er sich nicht mehr wehren kann. Das finde ich erbärmlich.«
Nabel ließ Kistners
Penthouse nochmal durchsuchen, gründlicher diesmal. Man fand in einem
Versteck im Bad ein Heftchen mit zwei Gramm Kokain, gerade wenig genug, um
vermutlich unter die Geringfügigkeitsgrenze zu fallen. Allerdings
wurde an dem Koks ein erstaunlich hoher Reinheitsgrad festgestellt. Das
war kein gewöhnlicher Stoff von der Straße.
Dr. Seidel ließ sich
jeden Tag über den Fahndungsfortschritt Mitteilung machen. Das BKA
arbeitete daran festzustellen, von welcher Adresse aus Zugriff auf
Kistners PC genommen worden war, aber der Täter hatte keine
Anhaltspunkte hinterlassen. Seine Spurenverwischprogramme mußten
erklassig und auf allerneuestem Stand gewesen sein.
»Dann gibt es also
keinen Fortschritt?«
»Kann man so nicht
sagen.« Nabel berichtete von dem Koks mit dem hohen Reinheitsgrad.
»Na und? Was hat das
mit dem Mord zu tun?«
»Vielleicht nichts.«
»Nabel, ich sag Ihnen
was, lassen Sie die Toten ruhen, was Drogen betrifft. Das bringt nur die
Schweinezeitung gegen uns auf. Stellen Sie sich vor: die würden
bestimmt nicht gerne Schmutz über einen ihrer toten Helden schreiben
müssen. Nichtmal die würden das gerne tun. Ich sehe nicht, was
ein bißchen Schnee mit diesem durchgeknallten Killer zu tun haben könnte.«
Seidel war ein Nervenbündel und versuchte erst gar nicht mehr, seinen
Zustand vor irgendwem geheimzuhalten. Nabel beschloß, ihn
weitestgehend zu ignorieren. Durch diesen simplen Kunstgriff wurde die
Welt gleich viel erträglicher.
Abends schwenkte Nabel
Selbstzweifel, aufgelöst in einem guten Schluck Sassicaio, langsam
hin und her im Mund. Womöglich war der ganze Ansatz falsch und führte
zu nichts. Aber es gab keinen anderen, der deswegen vernachlässigt
worden wäre.
Er beschloß, David
Pfeifer aufzusuchen, heimlich, ohne Lidias Wissen. So von Kollege zu
Kollege. Nach Feierabend. Nabel besaß immerhin einen plausiblen
Vorwand.
Also zog er sich nochmal an
und fuhr mit dem Taxi zu Pfeifers Wohnung, die nicht weit entfernt lag,
Gneisenau- Ecke Schleiermacherstraße.
Pfeifer war zu Hause und
öffnete per Summer. Nabel stellte sich mit Namen und Dienstgrad vor,
er sei aber privat hier, in einer vertraulichen Angelegenheit. Er wolle
sich unterhalten, ohne daß das gleich offiziell werden müsse.
Pfeifer war ein schlaksiger
Typ, bleich, mit dünnem Hufeisenschnurrbart. Man hätte ihn sich
gut in schwarzem Leder vorstellen können, mit Schirmmütze,
protzigem Hodenschutz und Motorradstiefeln. Allerdings hatte Lidia
behauptet, er habe sie angebaggert. Pfeifer wirkte nervös, kaute ständig
auf seiner Unterlippe herum. Sie gingen in die Küche, deren Fußboden
überhäuft war von Kartons mit leeren Linsen-, Erbsen- und
Raviolidosen.
»Was liegt denn an?«
»Ich hab Ihren Namen
von Lidia. Schon gut, regen Sie sich nicht auf. Es geht nicht um das.«
»Aha?« Pfeifer
schien nachzudenken, wie er sich verhalten solle. Er öffnete den Kühlschrank
und bot Nabel ein Dosenbier an.
»Nein, danke. Es geht
um den Tod von Kistner. Wir haben Koks bei ihm gefunden, von ungewöhnlich
hohem Reinheitsgrad.«
»Aha? Wieviel?«
»Dienstgeheimnis.«
Nabel wollte sich nicht lächerlich machen. »Wir fragen uns
jetzt, wie er an so relativ unverschnittenen Stoff kommen konnte. Das in
aller Diskretion. Deshalb wollte ich Sie bitten, ob Sie mir ein paar Auskünfte
geben könnten.«
»Aha?«
Der Typ ging Nabel schwer auf
die Nerven mit seinem unverbindlichen, irgendwie frechen Aha. Wie er da in
der Küche stand und an seinem Büchsbier schlürfte, eine
Allegorie der Verweigerung. Und wie er sich zwischendurch am Sack kratzte
in seiner speckigen Jogginghose. Widerlich.
»Nun?« fragte
Nabel, und in die noch freundliche Tonart seiner Stimme schlichen sich
erste Dissonanzen der Ungeduld.
»Was soll ich dazu
sagen?«
»Mal Tacheles. Sie sind
doch gar kein Streifenpolizist, Sie arbeiten in Wahrheit verdeckt für
die Drogenfahndung.«
»Ich? Nein, schön
wärs. Ich bin zur Streife rübergewechselt. Gewechselt
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