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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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weiß ich wirklich nicht. Er war ein gradliniger
     Mensch.«
    »Sie meinen:
     beziehungsunfähig?«
    »Nein, wieso?
     Beziehungsfaul, das vielleicht. Ich sag Ihnen mal was ins Gesicht, Herr
     Kommissar! Sie mochten Jimmy nicht, und jetzt versuchen Sie, ihm was anzuhängen.
     Jetzt, wo er sich nicht mehr wehren kann. Das finde ich erbärmlich.«
    Nabel ließ Kistners
     Penthouse nochmal durchsuchen, gründlicher diesmal. Man fand in einem
     Versteck im Bad ein Heftchen mit zwei Gramm Kokain, gerade wenig genug, um
     vermutlich unter die Geringfügigkeitsgrenze zu fallen. Allerdings
     wurde an dem Koks ein erstaunlich hoher Reinheitsgrad festgestellt. Das
     war kein gewöhnlicher Stoff von der Straße.
    Dr. Seidel ließ sich
     jeden Tag über den Fahndungsfortschritt Mitteilung machen. Das BKA
     arbeitete daran festzustellen, von welcher Adresse aus Zugriff auf
     Kistners PC genommen worden war, aber der Täter hatte keine
     Anhaltspunkte hinterlassen. Seine Spurenverwischprogramme mußten
     erklassig und auf allerneuestem Stand gewesen sein.
    »Dann gibt es also
     keinen Fortschritt?«
    »Kann man so nicht
     sagen.« Nabel berichtete von dem Koks mit dem hohen Reinheitsgrad.
    »Na und? Was hat das
     mit dem Mord zu tun?«
    »Vielleicht nichts.«
    »Nabel, ich sag Ihnen
     was, lassen Sie die Toten ruhen, was Drogen betrifft. Das bringt nur die
     Schweinezeitung gegen uns auf. Stellen Sie sich vor: die würden
     bestimmt nicht gerne Schmutz über einen ihrer toten Helden schreiben
     müssen. Nichtmal die würden das gerne tun. Ich sehe nicht, was
     ein bißchen Schnee mit diesem durchgeknallten Killer zu tun haben könnte.«
     Seidel war ein Nervenbündel und versuchte erst gar nicht mehr, seinen
     Zustand vor irgendwem geheimzuhalten. Nabel beschloß, ihn
     weitestgehend zu ignorieren. Durch diesen simplen Kunstgriff wurde die
     Welt gleich viel erträglicher.    
    Abends schwenkte Nabel
     Selbstzweifel, aufgelöst in einem guten Schluck Sassicaio, langsam
     hin und her im Mund. Womöglich war der ganze Ansatz falsch und führte
     zu nichts. Aber es gab keinen anderen, der deswegen vernachlässigt
     worden wäre.
    Er beschloß, David
     Pfeifer aufzusuchen, heimlich, ohne Lidias Wissen. So von Kollege zu
     Kollege. Nach Feierabend. Nabel besaß immerhin einen plausiblen
     Vorwand.
    Also zog er sich nochmal an
     und fuhr mit dem Taxi zu Pfeifers Wohnung, die nicht weit entfernt lag,
     Gneisenau- Ecke Schleiermacherstraße.
    Pfeifer war zu Hause und
     öffnete per Summer. Nabel stellte sich mit Namen und Dienstgrad vor,
     er sei aber privat hier, in einer vertraulichen Angelegenheit. Er wolle
     sich unterhalten, ohne daß das gleich offiziell werden müsse.
    Pfeifer war ein schlaksiger
     Typ, bleich, mit dünnem Hufeisenschnurrbart. Man hätte ihn sich
     gut in schwarzem Leder vorstellen können, mit Schirmmütze,
     protzigem Hodenschutz und Motorradstiefeln. Allerdings hatte Lidia
     behauptet, er habe sie angebaggert. Pfeifer wirkte nervös, kaute ständig
     auf seiner Unterlippe herum. Sie gingen in die Küche, deren Fußboden
     überhäuft war von Kartons mit leeren Linsen-, Erbsen- und
     Raviolidosen.
    »Was liegt denn an?«
    »Ich hab Ihren Namen
     von Lidia. Schon gut, regen Sie sich nicht auf. Es geht nicht um das.«
    »Aha?« Pfeifer
     schien nachzudenken, wie er sich verhalten solle. Er öffnete den Kühlschrank
     und bot Nabel ein Dosenbier an.   
    »Nein, danke. Es geht
     um den Tod von Kistner. Wir haben Koks bei ihm gefunden, von ungewöhnlich
     hohem Reinheitsgrad.«
    »Aha? Wieviel?«
    »Dienstgeheimnis.«
     Nabel wollte sich nicht lächerlich machen. »Wir fragen uns
     jetzt, wie er an so relativ unverschnittenen Stoff kommen konnte. Das in
     aller Diskretion. Deshalb wollte ich Sie bitten, ob Sie mir ein paar Auskünfte
     geben könnten.«
    »Aha?«
    Der Typ ging Nabel schwer auf
     die Nerven mit seinem unverbindlichen, irgendwie frechen Aha. Wie er da in
     der Küche stand und an seinem Büchsbier schlürfte, eine
     Allegorie der Verweigerung. Und wie er sich zwischendurch am Sack kratzte
     in seiner speckigen Jogginghose. Widerlich.
    »Nun?« fragte
     Nabel, und in die noch freundliche Tonart seiner Stimme schlichen sich
     erste Dissonanzen der Ungeduld.
    »Was soll ich dazu
     sagen?«
    »Mal Tacheles. Sie sind
     doch gar kein Streifenpolizist, Sie arbeiten in Wahrheit verdeckt für
     die Drogenfahndung.«
    »Ich? Nein, schön
     wärs. Ich bin zur Streife rübergewechselt. Gewechselt

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