Aussortiert
rann.
»Gibt Trubel, Chef, ein
Touri ist krepiert, im Burger King Ecke Rollbergstraße. Die Filiale
ist zu, möchte aber nicht lange zubleiben, die Geschäftsführer
sind außer sich, Business soll weitergehen, der finanzielle Verlust
tangiert die mehr als der Tote. Problem: Der Touri ist an
Lebensmittelvergiftung gestorben.«
»Du holst mich wegen
ner Lebensmittelvergiftung?«
»Nicht wegen
irgendeiner, weißte. Ich dachte, das gefällt dir bestimmt,
Chef. Wir haben abgesperrt. Und was gefunden, Chef. Das wirste nicht
glauben.«
Nabel inspizierte den Tatort.
In dieser Filiale am Rande Neuköllns hatte er selbst öfters
gegessen, er nahm die Angelegenheit deswegen ein wenig persönlicher
als üblich. Lidia hatte die Sache in die Hand genommen, die
Absperrungen veranlaßt, die Geschäftsführer in Schach
gehalten, die Spurensicherung verständigt undsoweiter. Sie hatte das
alles prima im Griff, und Nabel winkte ihr kurz zu, mit einem dankbaren
Grinsen. Auf dem Boden, unweit der Kundentoilette, lag der Tote, ein
gewaltiges Fleischpaket mit weit aufgerissenem Mund und einer gelbgrünen
brockigen Pfütze drumrum.
Ahmed zog Handschuhe an, hob
den Halbliter-Cola-Becher hoch und zeigte ihn Nabel.
»Was ist das?«
»Eine Botschaft.«
»Willst du mich
verarschen?«
»Nein, im Ernst, Chef.
Ne Botschaft.«
Auf dem Boden des Bechers
klebte ein weißes Schildchen, wie es verwendet wird, um Briefumschläge
zu adressieren, darauf stand, von Hand und mit lila Tinte geschrieben:
»Zu fett für Gott,
das Schwein. Aussortiert. Basta.«
»Oje«, flüsterte
Nabel und runzelte die Stirn. »Oje.«
Schmunzelnd und für
seine Verhältnisse euphorisch registrierte er, daß die
Botschaft tatsächlich von Hand geschrieben war. Von Hand! Mit LILA
Tinte! Dieser Fall sollte relativ kurzfristig lösbar sein. Sagte er
sich.
Lidia trat heran, erkundigte
sich nach Nabels Befinden. Herrgott, wie schön sie war. So strahlend
anmutig. Selbst in dem beigefarbenen Hosenanzug. Nabel vermied es, sie
anzusehen. Der Tote stank bestialisch.
Der Typ von der
Gerichtsmedizin stank auf andere Weise. Alle Menschen, außer Lidia,
stanken, selbst Ahmed, wenn auch nur nach penetrant überdosiertem
Rasierwasser. Nabel hatte das so satt.
»Was für ein
Schwachsinn! Wer bringt jemanden um, nur weil er fett ist? Doc, wissen Sie
schon was über das Gift?«
Der Doc antwortete erst gar
nicht. Jetzt schon etwas zu wissen wäre unwissenschaftlich gewesen,
und der Doc wußte, daß Nabel ihn nur provozieren wollte. Die
Jungs von der Spurensicherung gaben den Leichnam zum Transport frei. Ahmed
holte die Bestattungsgehilfen herein, für den Transport des Toten ins
Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin, wie die
Pathologie in Kreuzberg mit vollem Namen hieß. Der Manager rief nach
Putzfrauen und klatschte zweimal laut in die Hände. Nabel betrachtete
Lidia, die schlanke Gladiole mit dem füchschenhaften Kopf, sah den
Bewegungen ihrer übernatürlich schmalen Hände zu, dem
Abdruck ihrer spitzen Knie in den zu weiten Hosenbeinen. Er riß sich
zusammen. Räusperte sich und schüttelte den Kopf, wie um darauf
sitzende Mücken zu vertreiben.
»Gibts hier eine Videoüberwachung?«
Einer der Geschäftsführer
meinte, daß das zwar der Fall sei, überwacht würden aber
nur die Kassenbereiche, um den Angestellten auf die Finger zu sehen. Nabel
ließ sich das Band dennoch aushändigen. Lidia zupfte ihn
beiseite. Mit zwei Fingerspitzen berührte sie sein Hemd, oberhalb der
Hüfte, für den Bruchteil einer Sekunde. Wozu tat sie das? Fand
sie es notwendig, hatte sie vorher etwas gesagt, das er nicht gehört,
auf das er nicht reagiert hatte?
»Kai, was hältst
du von dem Ganzen hier?«
»Kommt mir sehr seltsam
vor. Was denkst du?«
»Wenn ich ehrlich bin,
weiß ich nicht, was ich denken soll. Mein erster Eindruck, wenn es
nicht so fürchterlich klänge …«
»Was?«
»Dann kommts mir so vor
wie – blödes Wort, aber, naja, ein Bubenstreich.«
»Meinste?«
»Ja, ich meine, diese
Botschaft da, dieser Spruch, ich glaube, da hat irgendwer zu viele Filme
gesehen.«
»Hmhmm. Außerdem
– lila Tinte …« Er vollendete den Satz nicht, mußte
Kraft sparen.
»Genau. Das ist alles
…«
»Seltsam?«
»Genau.«
Der Manager zupfte Nabel am
Ärmel. Was war das heute bloß für ein Tag? Alle zupften
ihn. Eine
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