Aussortiert
Zimmerpflanze. Es gab nur eine. Ficus benjamina.
Dr. Dr. Ewers bekam die
Leiche des leitenden Angestellten Bernd Zisska noch am Vormittag auf den
Sektionstisch in der Oranienstraße. Die Todesursache war eindeutig.
Erdrosselung durch einen weichen Stoff, sehr wahrscheinlich durch den
Polyacrylschal, der bei der Leiche gefunden worden war. Man konnte davon
ausgehen, daß der Schal dem Täter gehörte.
»Wer trägt schon
einen Schal bei diesen Temperaturen? Nur eiskalte Mörder!«
flapste Ewers zu seinem Assistenten, der seltsamerweise nicht lachte. Dann
eben nicht, du Arsch, dachte Ewers und öffnete mit einem langen
Schnitt die Bauchdecke des Toten.
Gegen Mittag wurde Nabel zu
einem dringenden Einsatz gerufen, obwohl er sich bis drei Uhr freigenommen
hatte, um endlich zum Friseur zu gehen. Ahmed holte ihn stattdessen mit
dem Wagen ab. Nabel besaß seit letztem Jahr keinen Führerschein
mehr, zu viele Punkte in Flensburg, die dortigen Bürokraten machten
auch bei Kommissaren keine Ausnahme. Demütigend. Inzwischen hatte er
sich ans U-Bahn-Fahren gewöhnt, man kam damit genauso schnell, in der
Stoßzeit sogar schneller voran. Dennoch: demütigend. Ahmed wußte
um die Gefühle seines Chefs und holte ihn zur Arbeit ab, wann immer
das möglich war.
KK Ahmed Müller-Dogan, fünfundzwanzig,
Sohn deutsch-türkischer Eltern, war ein durchtrainiertes Kraftpaket,
beherrschte mehrere Kampfsportarten, blieb dabei stets höflich und
sensibel. Seine Sprachkenntnisse waren in Neukölln und Kreuzberg,
Bezirken, in denen der Ausländeranteil bis zu vierzig Prozent
ausmachte, Gold wert. Mag sein, er war nicht der Hellste und Schnellste im
Team, aber der Beliebteste, zweifellos. Und der Braungebrannteste. Sein
Credo lautete, daß die Sonne ein natürliches Reinigungsmittel
sei, mit deren Hilfe alles Negative aus dem Körper herausgebrannt
werden könne. In dieser Hinsicht war er etwas eigen, und provokanten
Fragen, ob er nicht Angst vor Hautkrebs habe, gönnte er nie eine
Antwort.
Sieben recht ruhige Wochen
waren vorüber, der Wahnsinn begann. Für die beginnende Woche würden
Nabel und seine Kollegen von der Mordkommission Nummer acht dem Turnus gemäß
zuständig für alle Gewaltverbrechen mit Todesfolge zweier
Bezirke Berlins sein.
Unten hupte Ahmed zweimal.
Als Nabel zu ihm ins Auto stieg, war er vom Gürtel aufwärts nur
mit einem kurzärmligen weißen Hemd bekleidet, was seine
Vorgesetzten nicht gerne gesehen hätten, hätten sie es denn
gesehen.
»Morgen, Chef.«
Ahmed gab bereits Gas, bevor Nabel die Beifahrertür schließen
konnte.
»Was gibts?«
Charles Wilkins schraubte den
Deckel auf die Linse und schnaufte erleichtert. Jemand fragte, ob alles in
Ordnung sei. Wilkins verstand kaum ein Wort Deutsch, gerade mal kartoffel,
heil hitler und ausweis, erriet jedoch, was gemeint sein mußte, und
lächelte demonstrativ. Als er den Triple-Whopper zum Mund hob, war er
glücklich. Er dachte an seine jüngste Tochter, schwanger von
einem Immobilienmakler, der sie heiraten wollte, wenn er, der künftige
Schwiegervater, ihm einen zinsgünstigen Kredit beschaffen würde.
Es sprach nicht viel dagegen. In seiner Position konnte Wilkins frei
entscheiden, auch bei fragwürdiger Bonität. Es machte ihn glücklich,
daran zu denken, etwas für ein junges Paar so Wichtiges in die Gänge
bringen zu können, ohne Angst vor Konsequenzen haben zu müssen.
Darauf hatte er sein Leben lang hingearbeitet. Die Coke war nicht so kalt,
wie sie hätte sein müssen. Er liebte es, wenn ihm nach dem
ersten Schluck die Kehle weh tat vor Kälte.
Sekunden später wurde
ihm sonderbar. Er schwitzte, sein Puls raste, er hielt es für
Reisestreß, aß weiter, ihm wurde schlecht. Wilkins, obgleich
niemand im Restaurant auf ihn achtete, lächelte noch einmal, wie um
sich zu entschuldigen, halb freundlich, halb verkrampft, dann beschloß
er, präventiv die Toilette aufzusuchen. Was ihm nicht mehr gelang. Er
stürzte zu Boden, mit Schaum vor dem Mund, lag konvulsivisch zuckend
zwischen zwei Tischen, an denen fünfzehnjährige Schülerinnen
Eis aßen und nicht umhin konnten, blöde zu kichern. Sie schrien
erst auf, als Wilkins grünen Schleim erbrach.
Es war ihm peinlich,
unendlich peinlich, sein letzter Gedanke: »Embarassing … my
God!« So starb er, beide Hände vergeblich auf den Mund gepreßt,
aus dem ohne Ende grüner Schleim
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