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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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herumscharrte.
    »Hör mal zu, Frau.
     Wir denken doch, daß all das etwas mit Drogen zu tun hat. Denken wir
     weiter: Drogen machen zwar kirre, aber sie sind ein nachvollziehbarer
     Grund, um dies und jenes zu tun. Morde sind keineswegs irrational, sobald
     es um Drogen geht, also im Endeffekt um Geld. Wir zwei unterliegen von
     Anfang an einer Suggestion. Wir gehen von einem Serientäter aus.
     Sobald jemand ein unzerpflückbares Alibi für eine der Taten hat,
     schließen wir ihn als Verdächtigen aus. Aber was, wenn es
     keinen einen Serientäter gibt? Wenn es jedesmal ein anderer ist?
     Jedesmal ein anderer Auftragskiller, den sein Oberboß dahin oder
     dorthin schickt? Wenn es um Koks geht, dann steckt dahinter eine Bande,
     und jede Bande hat einen Kopf. Und Soldaten für die Drecksarbeit.«
    »Was heißt das
     konkret, auf Kursun bezogen?«
    Nabel kratzte sich am Kopf.
     »Ich weiß nicht genau. Vielleicht wollte er tatsächlich
     wen erschießen.«
    »Wen und warum?«
    »Einfach irgendwen.
     Damit die Serie Bestand hat und man danach wieder ein neues
     Nicht-Zufalls-Opfer einbauen kann.«
    Lidia klappte ihren
     Notizblock zu. »Dann wird es aber kompliziert. Du redest von einem möglichen
     Boß, der     
    fünf Auftragsmorde an fünf
     verschiedene Killer vergibt. Damit geht er enorm viel Risiko ein, denn es
     genügt, daß einer geschnappt wird, um alle hochgehen zu lassen.«
    »Einverstanden. Es sei
     denn, wir haben es mit einer Mafia zu tun. Die sich auf das Schweigen
     ihrer Leute verlassen kann. Das Problem: Nur wir beide wissen, daß
     das alles was mit Drogen zu tun haben könnte. Und dürfen es laut
     nicht sagen, weil wir damit rechnen müssen, daß Einheiten der
     Polizei darin verwickelt sind.«
    »Das macht es echt sehr
     kompliziert.«
    »Du sagst es, Frau. The
     very big thing scheint ein richtig fettes Ding zu sein. Zu groß für
     uns. Lassen wir lieber die Finger davon?«
    Lidia nahm das Scheinangebot
     erst gar nicht für voll, obgleich es sie gereizt hätte, zu tun
     als ob. Was hätte Kai wohl getan, wenn sie gesagt hätte, ja, das
     ist zu groß für uns, geben wir auf. Ihr Wesen wie auch ihr
     beruflicher Ernst ließen solche Optionen der Neugier nicht zu.
     Interessiert hätte es sie schon. Stattdessen murmelte sie, in nahezu
     beschwichtigendem Ton: »Du willst nur Rücksicht auf mich
     nehmen, Kai. Red nicht so. Du würdest es dir nie vergeben, jetzt das
     Handtuch zu schmeißen.« Dir nicht – und mir auch nicht
     – fügte sie in Gedanken hinzu.
    Wäre Nabel zu diesem
     Zeitpunkt betrunken gewesen, er hätte Lidia zumindest auf die Wange
     geküßt, so aber, stocknüchtern, berührte er flüchtig,
     wie versehentlich, ihren Oberarm, um sich mit dürren Worten zu
     verabschieden.

 
    15
    Es wurde Montag. Gewitter
     suchten Berlin heim, vom Morgen bis zum Abend schüttete es runter,
     ununterbrochen. Nabel beschloß, wenigstens nach außen hin,
     enger mit König zusammenzuarbeiten. Der Bezug zum Francis-Club bot
     eine hervorragende Andockstelle. König zeigte sich kooperativ,
     stellte aber bisweilen Fragen, die in Nabels Ohren naiv bis provokant
     klangen.
    »Sie glauben, daß
     Kursun nicht der Täter ist?«
    »Haben Sie nicht davon
     gehört? Er lag ein halbes Jahr im Koma. War Türsteher im
     Francis-Club und bekam eins übergezogen.«
    »Ach? Nein, bis zu mir
     ist das noch nicht vorgedrungen. Schade.«
    »Vermutlich ist Kursun
     ein Trittbrettfahrer. Vielleicht nur ein Scherzbold. Es schadet jedenfalls
     nichts, seinen Hintergrund auszuleuchten. Was können Sie mir zu
     diesem Francis-Club sagen?«
    Die Strohmann-These behielt
     Nabel für sich.
    »Der Francis-Club,
     Gott, naja, ist eine üble kleine Angeberspelunke. Ein Zuhältertreff,
     vornehmlich zum Zocken nach Feierabend um große Beträge.
     Offiziell eine Disco für Mitglieder, oben gibt es einen Barbetrieb,
     mit Alibi-Tanzfläche, im Keller wird gewürfelt. Seven-Eleven,
     meistens. Der Club wird bevorzugt von Osteuropäern, in der Mehrheit
     Ukrainern besucht.«   
    »Gibt es Nutten im
     Francis-Club?«
    »Ich bitte Sie. Wo Zuhälter
     verkehren, sind Nutten nicht weit. Aber der Francis-Club ist kein Bordell,
     wenn Sie das meinen.«
    »Das Gezocke ist doch
     illegal. Tun Sie was dagegen?«
    »Das Gezocke ist zwar
     illegal, aber schwer beweisbar. Und was würde das bringen? Unsere
     Politik ist eher, die Illegalität auf gewisse Etablissements zu
     begrenzen, wo sie überschaubar bleibt. Und wo man

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