Aussortiert
hat Ihr V-Mann Sie angelogen, ja? Oder hat er nur einfach nichts getaugt?«
König schob die Lippen
zusammen und gönnte der Frechheit keine Antwort. Nabel drehte sich
um, grüßte, indem er die flache Hand an die Stirn hob, danach
drehte er sich mit einem eleganten Schwung aus dem Türkreuz in den
Flur hinaus.
Lidia und Ahmed nahmen sich
derweil noch einmal Murat Kursun vor. Sie konfrontierten ihn mit seinem
Namen, seinem jüngsten Werdegang, stellten Hunderte Fragen und stießen
doch immer nur auf eine Mauer des Schweigens. Der Pflichtverteidiger, der
Kursun mittlerweile zur Seite saß, schwieg ebenso wie sein Klient,
wohl aus Hilflosigkeit, denn der Klient weigerte sich, ihn auch nur
wahrzunehmen. Man hätte noch nicht einmal von einem demonstrativen
Ignorieren sprechen können. Kursun wippte fast unmerklich vor und zurück,
als liefe in seinem Inneren ein Endlosmantra, manchmal summte er tief und
sehr leise und schien Interesse für eine Fliege zu zeigen, die am
Fensterglas hockte. Hätten die Ärzte im Urban-Krankenhaus auf
Anfrage nicht bestätigt, daß Kursun bei seiner Entlassung
geistig voll zurechnungsfähig gewesen sei, man hätte glauben können,
es läge eine Art Wachkoma vor oder ein Fall von extremem Autismus.
Ahmed, dem eingebleut worden
war, sich lupenrein zu benehmen, ging im Geiste alle Folterinstrumente
durch, die ihm in einem türkischen Provinzgefängnis zur Verfügung
stehen würden, aber das entsprang keiner wirklichen Brutalität,
es war vielmehr seine höchstpersönliche Strategie, drohende
Wutausbrüche im Keim zu ersticken.
Nach dreieinhalb Stunden, die
ohne jedes noch so winzige Ergebnis blieben, bat der Pflichtverteidiger um
ein Einsehen. Er werde jetzt, sagte er beinahe kleinlaut, den Antrag auf
Haftentlassung stellen, es sei bisher keine Anklage erhoben worden, was
einen nicht hinzunehmenden Zustand darstelle.
Dreipfuhl, der Staatsanwalt,
zögerte die Angelegenheit hinaus, soweit er es mit seinem beamtlichen
Gewissen vereinbaren konnte, am späten Nachmittag entwarf er schließlich
die Anklageschrift wegen unerlaubten Waffenbesitzes. In Anbetracht der zu
erwartenden milden Strafe, einer Geldstrafe unerheblichen Ausmaßes,
würde der zuständige Richter die Entlassung des Beklagten um
sieben Uhr am nächsten Morgen anordnen. So lange blieb der Soko Lila
Zeit, neue Aspekte vorzulegen, die eine Haftverlängerung wegen
etwaiger Verdunkelungsgefahr zur Folge haben würden.
König und Pfeifer trafen
sich am Nachmittag erneut im Kleistpark, saßen nebeneinander auf der
Parkbank, um, hinter hochgehaltenen Zeitungen versteckt, Zwiesprache zu
halten.
König berichtete von
seinem Morgengespräch mit Nabel. Es war ihm unangenehm, daß
Nabel in Richtung des Francis-Clubs ermitteln wollte. König war, wie
er glaubte, einer ziemlich großen Sache auf der Spur, und die Soko
Lila war dabei, seine Ermittlungen empfindlich zu stören.
»Was ist das bloß
mit diesem, wie heißt er? Diesem Kursun? Weißt du irgendwas,
David?«
»Ich hab keine Ahnung.
Rätselhaft. Wollte eben Sie danach fragen.«
»Dieser Killer ist mir
ehrlich gesagt egal, ich weiß nicht, worum sich das dreht. Ich muß
mich um mein eigenes Ding kümmern. An Nabel hängt ein ganzer
Schwanz von Presse, wenn diese Schweine in meine Gärten einbrechen,
werde ich sauer. David?«
»Ja?«
»Ich muß dir was
sagen.«
»Aha?« Pfeifer
ließ für einen Moment die Zeitung sinken und sah seinen
Vorgesetzten erwartungsvoll an.
»Wir haben uns doch
über die Gräfin Schönfels unterhalten.«
»Ja.«
»Und über Igor
Tschutschelow«
»Auch.«
»Um den geht es mir.
Ich will Tschutschelow haben. Ich will dieses Vieh hinter Gitter bringen.«
Pfeifer öffnete den
Mund. Eine längere Pause entstand.
»Da haben Sie sich ja
was vorgenommen …«
König nickte selbstgefällig.
Hätten sich die beiden Männer gegenüber gesessen, hätte
König vielleicht die kleinen Schweißperlen auf Pfeifers Stirn
wahrgenommen.
»Tschutschelow ist mein
Primärziel. Verstehst du?«
»Nicht ganz, ehrlich
gesagt. Was hat das mit –« Pfeifer beendete den Satz nicht,
schnalzte stattdessen mit der Zunge. »Ach so! Kursun hat für
Tschutschelow gearbeitet?«
»Genau.«
»Und wenn Tschutschelow
mit den Morden zu tun hat …«
»Dann wär das
nicht hilfreich, sondern eine Katastrophe! Schon allein, weil ich nicht
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