Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
Vom Netzwerk:
hat Ihr V-Mann Sie angelogen, ja? Oder hat er nur einfach nichts getaugt?«
    König schob die Lippen
     zusammen und gönnte der Frechheit keine Antwort. Nabel drehte sich
     um, grüßte, indem er die flache Hand an die Stirn hob, danach
     drehte er sich mit einem eleganten Schwung aus dem Türkreuz in den
     Flur hinaus.
    Lidia und Ahmed nahmen sich
     derweil noch einmal Murat Kursun vor. Sie konfrontierten ihn mit seinem
     Namen, seinem jüngsten Werdegang, stellten Hunderte Fragen und stießen
     doch immer nur auf eine Mauer des Schweigens. Der Pflichtverteidiger, der
     Kursun mittlerweile zur Seite saß, schwieg ebenso wie sein Klient,
     wohl aus Hilflosigkeit, denn der Klient weigerte sich, ihn auch nur
     wahrzunehmen. Man hätte noch nicht einmal von einem demonstrativen
     Ignorieren sprechen können. Kursun wippte fast unmerklich vor und zurück,
     als liefe in seinem Inneren ein Endlosmantra, manchmal summte er tief und
     sehr leise und schien Interesse für eine Fliege zu zeigen, die am
     Fensterglas hockte. Hätten die Ärzte im Urban-Krankenhaus auf
     Anfrage nicht bestätigt, daß Kursun bei seiner Entlassung
     geistig voll zurechnungsfähig gewesen sei, man hätte glauben können,
     es läge eine Art Wachkoma vor oder ein Fall von extremem Autismus.
    Ahmed, dem eingebleut worden
     war, sich lupenrein zu benehmen, ging im Geiste alle Folterinstrumente
     durch, die ihm in einem türkischen Provinzgefängnis zur Verfügung
     stehen würden, aber das entsprang keiner wirklichen Brutalität,
     es war vielmehr seine höchstpersönliche Strategie, drohende
     Wutausbrüche im Keim zu ersticken.
    Nach dreieinhalb Stunden, die
     ohne jedes noch so winzige Ergebnis blieben, bat der Pflichtverteidiger um
     ein Einsehen. Er werde jetzt, sagte er beinahe kleinlaut, den Antrag auf
     Haftentlassung stellen, es sei bisher keine Anklage erhoben worden, was
     einen nicht hinzunehmenden Zustand darstelle.
    Dreipfuhl, der Staatsanwalt,
     zögerte die Angelegenheit hinaus, soweit er es mit seinem beamtlichen
     Gewissen vereinbaren konnte, am späten Nachmittag entwarf er schließlich
     die Anklageschrift wegen unerlaubten Waffenbesitzes. In Anbetracht der zu
     erwartenden milden Strafe, einer Geldstrafe unerheblichen Ausmaßes,
     würde der zuständige Richter die Entlassung des Beklagten um
     sieben Uhr am nächsten Morgen anordnen. So lange blieb der Soko Lila
     Zeit, neue Aspekte vorzulegen, die eine Haftverlängerung wegen
     etwaiger Verdunkelungsgefahr zur Folge haben würden.
    König und Pfeifer trafen
     sich am Nachmittag erneut im Kleistpark, saßen nebeneinander auf der
     Parkbank, um, hinter hochgehaltenen Zeitungen versteckt, Zwiesprache zu
     halten.
    König berichtete von
     seinem Morgengespräch mit Nabel. Es war ihm unangenehm, daß
     Nabel in Richtung des Francis-Clubs ermitteln wollte. König war, wie
     er glaubte, einer ziemlich großen Sache auf der Spur, und die Soko
     Lila war dabei, seine Ermittlungen empfindlich zu stören.    
    »Was ist das bloß
     mit diesem, wie heißt er? Diesem Kursun? Weißt du irgendwas,
     David?«
    »Ich hab keine Ahnung.
     Rätselhaft. Wollte eben Sie danach fragen.«
    »Dieser Killer ist mir
     ehrlich gesagt egal, ich weiß nicht, worum sich das dreht. Ich muß
     mich um mein eigenes Ding kümmern. An Nabel hängt ein ganzer
     Schwanz von Presse, wenn diese Schweine in meine Gärten einbrechen,
     werde ich sauer. David?«
    »Ja?«
    »Ich muß dir was
     sagen.«
    »Aha?« Pfeifer
     ließ für einen Moment die Zeitung sinken und sah seinen
     Vorgesetzten erwartungsvoll an.
    »Wir haben uns doch
     über die Gräfin Schönfels unterhalten.«
    »Ja.«
    »Und über Igor
     Tschutschelow«
    »Auch.«
    »Um den geht es mir.
     Ich will Tschutschelow haben. Ich will dieses Vieh hinter Gitter bringen.«
    Pfeifer öffnete den
     Mund. Eine längere Pause entstand.
    »Da haben Sie sich ja
     was vorgenommen …«
    König nickte selbstgefällig.
     Hätten sich die beiden Männer gegenüber gesessen, hätte
     König vielleicht die kleinen Schweißperlen auf Pfeifers Stirn
     wahrgenommen.
    »Tschutschelow ist mein
     Primärziel. Verstehst du?«
    »Nicht ganz, ehrlich
     gesagt. Was hat das mit –« Pfeifer beendete den Satz nicht,
     schnalzte stattdessen mit der Zunge. »Ach so! Kursun hat für
     Tschutschelow gearbeitet?«
    »Genau.«
    »Und wenn Tschutschelow
     mit den Morden zu tun hat …«
    »Dann wär das
     nicht hilfreich, sondern eine Katastrophe! Schon allein, weil ich nicht
    

Weitere Kostenlose Bücher