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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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Rampenlicht zu suhlen. Selbst
     dieser Bagage schien der Fall nicht wert, auch nur mit der Beißzange
     angefaßt zu werden.
    »Ahmed, du kannst dich
     jetzt wieder umdrehen. Haben wir eigentlich eine Liste der Gäste?«
    »Gäste?«
    »Gäste, die
     samstagabend in der Festen Burg waren. Womöglich hatte er es auf ein
     bestimmtes Opfer abgesehen.«
    »Nee, ham wa nich. War
     niemand sonderlich Auffälliges dabei, die gingen alle anonym nach
     Hause.«
    »Scheiße. So eine
     Nachlässigkeit!«
    Lidia trat zwischen die
     beiden, mit gesenktem Kopf. »Das ist er nicht.« Lidia flüsterte
     nur, als fürchtete sie, zu dezidiert zu klingen.
    »Sicher?«
    »Nein, gar nichts ist
     sicher. Aber wenn du mich fragst – keines der Opfer ging auf sein
     Konto. Ich sahs an seinem Blick.«
    »Irgendwie hat er mit
     der Sache zu tun, sonst würde er doch reden.«
    »Ich weiß es
     nicht, Kai. Vielleicht.«
    In eines von Lidias übermüdet
     flackernden Augen hatte sich eine Träne gestohlen, die sie unauffällig
     wegzuwischen suchte. Nabel haßte seinen Job und nahm Lidia in den
     Arm. Sie wehrte diese Geste brüsk ab und verließ, ohne noch
     etwas zu sagen, das Gebäude.
    »Ja was? Was hat sie
     denn? Fährt sie ohne uns?« Ahmed sah ihr entgeistert hinterher.
    »Sieht so aus.«
    »Ihr gehts nicht gut,
     was?«
    »Wird schon wieder. Laß
     sie in Ruhe und fahr mich ins Präsidium. Ich muß verhindern, daß
     Seidel sich vor die Mikrofone stellt und Viktoria schreit.«
    »Klar, Chef. Wer ist
     Viktoria?«
    »Was?«
    »Nur n Scherz.«

 
    14
    Seidel war schwer davon
     abzuhalten, eine Pressekonferenz einzuberufen. Er strahlte übers
     ganze Gesicht und ignorierte jeden Zweifel, den Nabel zu erwähnen
     wagte.
    »Warum so defätistisch?
     Ich finde das Beweismaterial hervorragend.«
    Nabel war anderer Meinung.
     »Wir sollten uns vor einer Blamage hüten, bitte, einer meiner
     Leute verfolgt eine Spur, die uns auf die Identität des Mannes
     bringen könnte. Bitte! Noch einen Tag! Einverstanden?«
    Es ging viel schneller. Ahmed
     benötigte knapp viereinhalb Stunden, bevor er fündig wurde. Was
     folgte, war eine herbe Enttäuschung.   
    »Das ist, fürchte
     ich, nicht unser Killer, Chef. Lidia hatte leider mal wieder recht.«
    »Was hast du
     rausbekommen?«
    »In der Kartei war er
     nicht zu finden. Aber dann ist mir plötzlich was eingefallen, und ich
     hab mir die Akte zukommen lassen. Mein Gedächtnis sollten Sie bei
     Gelegenheit mal schwer loben, Chef. Vor allen Leuten.«
    »Ich werde dir
     huldigen! Weiter!«
    »Der Kerl heißt
     Murat Kursun. Er hat für alle Morde ein Alibi. Und gleich noch ein
     echt gutes. Kursun kommt frisch ausm Krankenhaus. Seit vier Tagen
     entlassen. Hat ein halbes Jahr im Koma gelegen wegen schwerer Körperverletzung.
     Nicht von ihm, sondern an ihm begangen. War Türsteher im
     Francis-Club. Daher kannte ich ihn. Einer, den er nicht reinlassen wollte,
     hat ihm vor Wut ne Flasche auf dem Kopf zerschlagen. Der Kerl ist mit zwei
     Jahren auf Bewährung davongekommen.«
    »Was bedeutet das
     alles?«
    Die Frage richtete Nabel wie
     einen Hilferuf in die Runde seiner Leute. Die meisten sahen zu Boden, der
     Rest an die Decke.
    Seidel kreuzte am frühen
     Abend auf, telefonisch vom neuerlichen Rückschlag unterrichtet, den
     er ohne Palaver partout nicht hinzunehmen bereit war. Man könne
     jemanden wie diesen Kursun schlicht nicht laufen lassen. Völlig unmöglich,
     das sei ein Stecken mit soviel Dreck dran, dem müsse man irgendwas
     nachweisen können. Mehr oder minder subtil deutete er an, ein
     Kriminaler, der das nicht fertigbringe, habe den falschen Beruf ergriffen.
    Nabel biß sich mehrmals
     auf die Zunge.
    Seidel redete sich in Rage,
     verlor die Beherrschung und schreckte vor Sätzen nicht zurück
     wie: »Zu meiner Zeit wäre das kein Thema gewesen!«, womit
     er freimütig zugab, daß sogar er selbst seine Zeit für
     vergangen hielt.
    Nabel debattierte lange und
     überaus geduldig mit seinem Vorgesetzten. »Rein formal, sagte
     mir der Staatsanwalt klipp und klar, können wir niemanden festhalten,
     bloß weil er einen mit lila Tinte geschriebenen Zettel bei sich trägt.
     Kursun ist nicht mal vorbestraft.«
    »Ist er nicht? Ist das
     die Möglichkeit?« Der Kriminalrat röchelte affektiert.
    »Tut mir leid. Auch
     wenn er so aussieht.«
    Seidel, der nun einsah, Unmögliches
     verlangt zu haben, benutzte beide Hände, als wolle er die Luft erwürgen.
     »Wie verkaufen wir das

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