Aussortiert
aus der Schußlinie stehlen. Resümee.
Die Geschäfte waren
gelaufen, neue nicht in Sicht, der nutzlos gewordene Streifenpolizist hätte
nun alles auf eine Karte setzen und versuchen können, direkt Kontakt
mit Tschutschelow aufzunehmen. Das hingegen wagte er nicht. Was, außer
blanken Vermutungen, hätte er ihm erzählen sollen? Und weswegen
sollte Tschutschelow sich entschließen, ihm Schutz zu gewähren?
Blöd gelaufen, das alles. Blöd gelaufen.
Pfeifer ging in Deckung.
Die Ermittlungsgruppe
Basemann, Ehrlicher und Peschke brach frühmorgens das Siegel zu
Kistners Wohnung auf und sah sich dazu gezwungen, Nabel eine unerfreuliche
Mitteilung zu machen. Von den über tausend DVD-Hüllen waren
restlos alle leer. Jemand mußte sich Zutritt zur Wohnung verschafft
haben. Schlimm war auch, daß derjenige hinterher das Siegel erneuert
hatte, in geradezu perfekter Weise.
König war trotz diverser
charakterlicher Mängel kein Idiot. Er hatte schnell mitbekommen, daß
Nabel ihm gegenüber den Trottel gab und Erkenntnisse für sich
behielt, die beiden genutzt haben könnten. Widerwillig, denn Mord war
nicht sein Gebiet, hatte er sich in den letzten Tagen auf Schleichwegen
Akten der Soko Lila kommen lassen und diese auf Bezüge zu seinem
eigenen Ermittlungsfokus durchgesehen. Zuerst fand er nichts von
Interesse. Daß Kistner gerne Promis mit Kleinstmengen Schnee
versorgte, um sich ihrer Geschwätzigkeit zu versichern, war König
bekannt gewesen, er hielt das für einen Auswuchs der medialen
Gesellschaft, die bei zuviel Konkurrenz zu immer fragwürdigeren
Methoden greifen muß. All das kümmerte ihn nicht, dort ging es
um begüterte Menschen, die sich notfalls sanfte Wege des Entzugs
erkaufen konnten, wenn es ihnen zuviel wurde. Ihm, König, ging es um
die anderen, einerseits um die vielen namenlosen Junkies, die durch
schlechtes Heroin und Crack elend zugrunde gerichtet wurden, andererseits
um die vielen Jugendlichen, deren IQ der regelmäßige
Haschischkonsum in die endgültige Zweistelligkeit versenkte. Um die
volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Droge ging es ihm, um die große
Zahl. Um Bosse wie Tschutschelow oder Ümal, die dabei waren, Imperien
zu errichten oder noch zu erweitern. Das allein war wichtig, und für
Kleinscheißer wie Nabel, die sich um eitrige Details, um Pickel am
Arsch des Geschehens zu kümmern hatten, brachte er höchstens
soviel gnädige Duldung auf wie ein Bürochef für die zu fleißige
Aushilfsputzfrau.
Pfeifer hatte sich an diesem
Tag nicht telefonisch zum Dienst gemeldet, entgegen der ausdrücklichen
Vereinbarung, die beide getroffen hatten. König machte sowas nervös,
er hatte Pfeifer vielleicht zuviel Verantwortung überlassen, ein
Mensch verwandelt sich mit dem Amt, das man ihm gibt. David Pfeifer glich
einem Fühler, den man ausstreckt, um da oder dort die Temperatur zu
messen. Ist sie zu heiß, verbrennt der Fühler, das war das
Risiko, das Pfeifer einging, für welches er andererseits großzügig
bezahlt wurde. Der Charakter des Fühlers verändert sich während
einer so langfristigen Aktion immer, selbst wo er den Verführungen
widersteht. König fühlte sich verpflichtet, nach ihm zu sehen.
Jemand wie David hatte niemanden, der sich um ihn sorgte, bis auf ihn, König,
den in der Hierarchie weit entfernten Vorgesetzen. Beide waren während
der zwei Jahre, die Pfeifer als verdeckter Ermittler tätig war, zu
Freunden geworden, sofern im Zusammenhang mit König von Freunden
gesprochen werden konnte.
König parkte in der
Schleiermacherstraße, stieg aus seinem Wagen, und eben als er den
gegenüberliegenden Gehsteig erreicht hatte, scherte ein heranrasendes
Auto aus und überfuhr König vor Pfeifers Haustür. Der Körper
des Kriminalers wurde in die Luft geschleudert, knallte gegen die Mauer,
blieb auf dem Trottoir liegen und wurde noch einmal überfahren.
Das Auto stieß, Königs
zuckenden Körper unter sich, zweimal vor und zurück, dann bog es
in die Gneisenaustraße ein, ohne quietschende Reifen und ohne überhöhte
Geschwindigkeit.
20
»Wie schlimm ist es?«
»Er wird die Nacht kaum
überleben.«
»Hat er noch was
gesagt?«
Sorry, Chef, wenn ich zu
drastisch bin. Aber seit wann kann Matsch reden?«
»Du gehst hin und
stellst dich vor seine Tür. Wenn du müde wirst, soll Grimm dich
ablösen.«
»Wozu eigentlich? König
wird sicher nichts
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