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Aussortiert

Aussortiert

Titel: Aussortiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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möchte ich nicht
     nennen. Diese Aussage mache ich, weil mir Anonymität garantiert
     wurde, und ich möchte, daß dieser Passus im Protokoll ausdrücklich
     vermerkt wird.«
    Nabel las das von Lidia
     abgetippte Protokoll nochmal vor. Der momentan arbeitslose Schauspieler
     nickte bei fast jedem Satz und nahm sich einen Kugelschreiber, um seine
     Unterschrift zu leisten.
    »Sie müssen das
     nicht unterzeichnen«, grummelte Nabel. »Die Aussage ist
     anonym.«
    »Stimmt. Dann lieber
     nicht.«
    »Ich bewundere Ihren
     beispiellosen Mut. Haben Sie denn keine Angst? Sie sind immerhin bedroht
     worden. Unter anderem mit dem Tod, wenn ich das richtig verstanden habe.«
    Der Schauspieler verschränkte
     die Arme vor der Brust. »Anonyme Aussagen dürfen keine
     Verwendung finden vor Gericht. Sie werden mich nicht linken, oder?«
    »Nein, Sie haben uns
     geholfen. Dieses Protokoll bleibt Verschlußsache. Versprochen.«
    Der Schauspieler stand auf.
     Ein hagerer Mensch mit zu langen Beinen und Armen, der Schwierigkeiten zu
     haben schien, seine Motorik zu koordinieren. Er mußte sich für
     einen Moment am Tisch festhalten, so, als ob ihm die Beine eingeschlafen
     seien.
    »Hören Sie, Herr
     Kommissar! Mit Mut hat das nichts zu tun. Ich hab nicht mehr lang zu
     leben. Das Scheißkoks hat den Krankheitsverlauf extrem beschleunigt.
     Falls kein Wunder geschieht, bin ich in einem Jahr tot. In diesem Fall können
     Sie das Protokoll dann doch zusammen mit meinem Namen verwenden, hören
     Sie?«
    Nabel schüttelte den
     Kopf. »Kann ich nicht. Leider. Die Gesetze sind hier sehr eindeutig.
     Entweder Sie geben das Protokoll frei oder es bleibt auf alle Zeit hin
     anonym und vor Gericht völlig wertlos. Ich könnte Ihnen höchstens
     Polizeischutz anbieten, Sie könnten die Zeit bis zum Prozeß im
     Ausland verbringen. Wie wär das?«
    »Prozeß gegen
     wen?«
    »Stellt sich dann
     heraus.«
    Der Schauspieler winkte ab.
     Das Wesentliche am Menschen sei nun einmal die Hoffnung bis zuletzt, der
     Aufschub des eigenen Verschwindens um jeden Preis. Herr Kommissar werde
     das sicher verstehen.
    »Aber ja. Unsere
     Spezies ist nun einmal schwach und selbstsüchtig, jeder ist darauf
     trainiert, skrupellos mehr aus sich zu machen als er ist.«
    »Sie sagen es. Sie drücken,
     was gesagt werden muß, in klaren Worten aus. Ich fühle mich
     scheiße. Bin rachsüchtig. Kistner ist tot, was solls? Wie blöd
     ist das, gegen den Sensenmann zu kämpfen? Ich habe wenigstens auch
     gute Zeiten gehabt. Gute Nacht, Herr Kommissar!«
    Nabel fühlte sich durch
     das moribunde Gerede eher peinlich als sonstwie berührt. Aber er drückte
     dem Zeugen dennoch dankbar die Hand. Durch seine Aussage hatten zuvor
     blasse Theorien entscheidend an Gestalt gewonnen.
    Kistner ein Dealer. So
     lautete, effektvoll formuliert, in drei Worten die Essenz. Das Thema wurde
     nun so brisant, daß Nabel nicht länger individuell ermitteln
     konnte, ohne seinen direkten Vorgesetzten wenigstens in Teilen zu
     unterrichten.
    Seidel reagierte hysterisch.
     Schüttelte sich. Es käme gar nicht in Frage, die Kunden auf der
     Liste zu bespitzeln, das käme einem Kesseltreiben gleich. Ein
     Zusammenhang mit den Morden der lila Serie sei in keinster Weise bewiesen,
     liege noch nicht einmal nahe. Was das solle? Mit einem Handtuch tupfte er
     Schweiß von seiner Stirn. »Vergessen Sies!«
    Aufgrund anonymer Aussagen
     mache sich Seidel nicht die Schweinezeitung zur Feindin. Das sei Sache des
     Drogendezernats. Im übrigen pflege der Rechtsstaat nicht gegen Tote
     zu ermitteln, wo solle das hinführen?
    »Steigen Sie nicht
     barfuß in den Bienenstock! Ermitteln Sie in aller Ruhe, Nabel,
     finden Sie den Mörder, und wenn wir ihn haben, kann von mir aus das
     Thema Drogen sachte angeschnitten werden. Aber diese Liste bleibt im
     Giftschrank! Ich habe sie nie zu Gesicht bekommen. Keine Diskussion.«
    Ahmed, als er das Wort
     Videomaterial hörte, ließ die Zunge heraushängen und
     hechelte laut.
    Es gab Mitglieder der Soko,
     die das komisch fanden und grinsten.
    Nabel fragte ins Rund, ob in
     Kistners Wohnung Videos gefunden und gegebenenfalls gesichtet worden
     seien. Selbstverständlich sei das geschehen, antwortete die Basemann,
     es habe sie drei Tage ihres Lebens gekostet. Es seien aber nur aus dem
     Fernseher aufgenommene Spielfilme und ähnliches zum Vorschein
     gekommen. Kistner habe, wie heutzutage üblich, nicht mehr sehr viele
     Videokassetten besessen, dafür

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