Aussortiert
über tausend DVDs.
»Aha. Wurden die auch
überprüft? Die Hüllen müssen schließlich nicht
das enthalten, was draufsteht.«
Gudrun Basemann schüttelte,
laut seufzend, den Kopf, bereits ahnend, was auf sie zukam. Ein wenig
betreten sah sie auch deswegen aus, weil ihr diese Möglichkeit
schlicht entgangen war.
»Dann steht ja genug
Arbeit an für die nähere Zukunft. Ich glaube zwar nicht, daß
Kistner brisantes Material in der eigenen Wohnung aufbewahren würde,
aber weiß mans? Wir müssen jede auch noch so geringe Möglichkeit
vermeiden, hinterher als die Narren dazustehen. Noch eine Frage:
Videomaterial – das ist so ein Wort, wie heute immer noch manche
Menschen CDs als Platten bezeichnen. Wenn man heute jemanden heimlich
aufnimmt, wie geschieht das? Mit dem Camcorder? Wie sieht das dazugehörige
Endspeichermedium aus? CDs? Mini-CDs? Wer hat da Ahnung?«
Fred Ehrlicher, der
Hornbrillen- und Hosenträgerträger, meldete sich und klärte
den Chef über die jüngsten Entwicklungen der Technik auf. Nabel
kam sich alt vor, geschulmeistert wie ein Kind. Er delegierte die
Angelegenheit. Basemann, Ehrlicher und Peschke sollten sich darum kümmern,
gleich morgen früh.
Pfeifer irrte unterdessen
durch die Stadt und versuchte verzweifelt, sein Schicksal in die eigene
Hand zu nehmen. Ümal ließ ihn glatt abblitzen beziehungsweise
ließ er ihm per Telefon ausrichten, es gebe momentan keinen Grund für
eine Unterhaltung. Wenn sich das ändere, würde man es ihn wissen
lassen.
»Ich habe etwas enorm
Wichtiges zu melden.«
Der Mann am anderen Ende der
Leitung, einer von Ümals Stellvertretern, schien einen Augenblick zu
überlegen, dann gab er Pfeifer eine Nummer, unter der er in fünf
Minuten nochmal anrufen solle, von einem öffentlichen Münztelefon
aus.
Es folgten die schlimmsten fünf
Minuten im Leben des David Pfeifer. Sein Gesicht war schweißüberströmt,
seine Hände zitterten, die Knie wurden ihm schwach und er glaubte, in
der Telefonzelle urinieren zu müssen. Dennoch wählte er die
Nummer und stampfte dabei auf den Boden, wie um seinen ihm ungehorsamen Körper
doch noch auf Linie zu zwingen. Er ist selbst schuld. König ist
selbst schuld. Hätte er mir bloß vertraut.
Seit der Sache mit Murat
Kursun glaubten alle beteiligten Parteien, daß Pfeifer ein doppeltes
Spiel spielte, was ja auch stimmte und was er im übrigen nie
geleugnet hatte. Sein Pech, über Murat Kursun tatsächlich nichts
zu wissen, war ihm zum Verhängnis geworden. Hätte er ein bißchen
was gewußt, nur ein bißchen, hätte er sich eine
Geschichte zusammenbasteln können. So aber hatte das ehrliche Geständnis
seiner Ahnungslosigkeit wie eine Provokation gewirkt.
So gut die Tarnung Kursuns
auch gewesen war, auch er hatte einmal die Polizeischule besucht, hatte
von der Pike auf seinen Beruf erlernt, hatte bei den
Polizeisportmeisterschaften 1994 im Hochsprung den dritten Platz belegt.
So etwas, oder irgendeine ähnliche Kleinigkeit, genügte, um
jemanden in Zeiten des Internets auffliegen zu lassen.
Ümals Imperium war weit
verzweigt, und was immer behördliche Archivierungssucht zu notieren für
nötig befand, bekam er heraus. Nicht nur die Polizei benutzte U-Boote
und Hackprogramme, die Gegenseite zeigte sich lernfähig.
»Ja? Was ist denn so
enorm wichtig?«
Es gehe um König.
Pfeifer sagte, was er zu sagen hatte. Stammelte es mehr. Die Stimme am
anderen Ende der Leitung zeigte sich mäßig interessiert.
»Ich geb es weiter. Sonst noch was?«
Pfeifer verneinte, stürzte
aus der Telefonzelle, um seine Blase zu erleichtern, hinter einer Litfaßsäule.
Während er pißte, kam er langsam wieder zu sich. Was hab ich
getan? Was hab ich getan? Nabel war im Kriminalchemischen Institut
gewesen, hatte Lunte gerochen, also ließ sich so ein Ding bestimmt
kein zweites Mal abziehen. Ich bin raus. Ich bin raus. Ich bin raus. Was
hab ich getan?
Anita um Hilfe zu bitten,
schien aussichtslos. Sie, die Arroganz in Person, benötigte ihn nicht
weiter und ignorierte ihn einfach. Pfeifer hockte sich mitten auf den
Gehsteig und rauchte, versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein
Vorrat an Schnee war alle. Konsequenzen ziehen. Konsequenzen ziehen. Die
tragischen Figuren in Filmen enden ja oft nur deshalb tragisch, weil sie
nie rechtzeitig die Konsequenzen, also die Reißleine ziehen, sich
rechtzeitig
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