Australien 01 - Wo der Wind singt
selbstsüchtig das wäre. Dies war weder die richtige Zeit noch der richtige Ort für ihre Zweifel. Kate drehte sich wieder um, zog die Knie an die Brust und schlang ihre Arme darum.
Erst jetzt fiel ihr Blick auf den Wecker.
»Mist«, entfuhr es ihr. Es war schon acht Uhr! Janies Mutter wollte Nell um halb acht bei Janie abgeben. Kate sprang aus dem Bett und warf sich ihren Bademantel über. In diesem Moment klopfte es auch schon an der Haustür, und Nells helle Stimme war zu hören.
Kate öffnete die Tür. Vor ihr stand Janie, mit rotem Kopf, abgehetzt und offensichtlich sehr in Eile. Sie ließ Nells Taschen mit einem dumpfen Geräusch auf die Veranda fallen und schob Nell dann sanft auf ihre Mutter zu.
»Es tut mir wirklich leid, Janie«, sagte Kate flehend. Janie schnaufte heftig.
»Nein. Das braucht es nicht. Es war dumm von mir, an einem Montag nach einem B&S in aller Herrgottsfrühe einen Termin zu vereinbaren. «
Kate spürte, dass Nell sich an ihr Bein klammerte.
»Hallo, mein Schatz«, sagte sie zu Nell und bückte sich zu ihr hinunter,
um ihr rasch einen Kuss zu geben und sie kurz in die Arme zu nehmen. »Du hast mir gefehlt.« Sie fuhr ihr mit der Hand über den blonden Kopf und strich ihre weichen Haare glatt. Kate sah, dass die Zwillinge, die bereits in ihren Kindersitzen im Geländewagen saßen, sie beobachteten. »Lieber Gott, Janie. Es tut mir so leid. Jetzt kommst du meinetwegen zu spät!«
Janie winkte ab. »Ich zahle dir das eines Tages alles heim. Nach diesem Wochenende läuft es bei Dave und mir wieder richtig gut. Wir sind wieder ineinander verliebt. Ist das nicht toll! Du kannst dafür ja nächste Woche auf die Zwillinge aufpassen. Wir wollen nämlich wieder einmal essen gehen.« Sie reckte den Hals und sah an Kate vorbei in den Flur. »Da wir gerade von Liebe sprechen. Gehe ich recht in der Annahme, dass du Besuch hast?«
Kate konnte das strahlende Lächeln, das unwillkürlich auf ihrem Gesicht erschien, nicht mehr unterdrücken.
»Er hat nur jemanden zum Reden gebraucht. Über alles Mögliche. In letzter Zeit ist einiges bei ihm los.« Kate verschränkte die Arme vor der Brust und runzelte die Stirn, während sie versuchte, ernst zu bleiben.
»Wie geht es seinem Dad?«
»Das kann man noch nicht sagen. Er liegt noch im Koma. Es hieß aber, dass sein Zustand stabil ist.«
»Und was ist mit Felicity?«, fragte Janie flüsternd.
»Ist vorbei. Glaube ich. Hoffe ich.«
Janie warf Kate einen warnenden Blick zu, dann sah sie auf ihre Uhr. »Also, ich muss jetzt wirklich los. Wir kommen ohnehin schon zu spät.«
»Tut mir leid«, sagte Kate noch einmal. Dann sah sie Janie nach, die den Weg entlangrannte, in ihren Geländewagen sprang und mit heulendem Motor davonfuhr. Kate drehte sich um und wollte Nell hochheben, aber ihre Tochter war bereits im Haus verschwunden. Sie hatte dabei im Flur eine deutlich sichtbare Spur aus Mantel, Hut und Gummistiefeln hinterlassen.
Kate fand sie im Wohnzimmer. Nick saß, frisch geduscht und angezogen,
neben ihr auf der Couch. Sie hatte sich eng an ihn geschmiegt und zeigte ihm gerade ihr Lieblingsbuch Wo ist das grüne Schaf? Kate sah, dass Nick Nells Gesicht betrachtete. Tränen standen in seinen Augen. Er legte seine Hand auf ihren Scheitel und nickte, während er aufmerksam ihrem Geplapper zuhörte.
»Mondschaf. Sternenschaf«, erklärte Nell gerade.
Nick blickte auf, sah Kate und lächelte sie mit feierlichem Ernst an. Er hatte wochenlang versucht, seine enge Verbindung zu den beiden Menschen in diesem Zimmer zu leugnen. Als er jetzt jedoch die Wärme spürte, die Nell ausstrahlte, konnte er die Liebe, die er ganz plötzlich zu ihr empfand, nicht mehr ignorieren. Und das schockierte ihn. Gleichzeitig aber wärmte es sein Herz. Er hatte eine Tochter. Das hier war seine Tochter.
»Lustiges Schaf«, sagte er, beugte sich zu ihr hinunter und stupste sie an, während ein warmes Lächeln auf seinem Gesicht lag. Sie stupste zurück, rümpfte dabei die Nase und blätterte weiter. Die Tage, die sie gemeinsam bei der Schafschur auf Bronty verbracht hatten, hatten einen Grundstein für ihre Beziehung gelegt. Jetzt wollte Nick unbedingt mehr von diesem kleinen Mädchen erfahren. Er war bereit, diese neue, ungewöhnliche Situation zu akzeptieren, die sein Leben so plötzlich völlig verändert hatte. Er sah Kate wieder an und zwinkerte ihr zu. Sie wäre angesichts der Bedeutung, die hinter dieser Geste lag, fast dahingeschmolzen.
»Bleibst du noch zum
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