Australien 01 - Wo der Wind singt
Frühstück?«, fragte Kate.
Nick schüttelte den Kopf.
»Ich kann nicht. Tut mir wirklich leid. Ich muss so schnell wie möglich zurück. Meine Mutter braucht mich.« Er stand auf, erklärte Nell freundlich, dass er leider gehen müsse, dass er aber bald wieder käme, um mit ihr zusammen das Buch anzusehen.
Dann ging er zu Kate hinüber, ergriff ihre beiden Hände und gab ihr einen züchtigen Kuss auf die Wange, weil er vor Nell seine leidenschaftlichen Gefühle nicht zeigen wollte.
»Danke«, sagte er. »Wir sehen uns dann in ein paar Tagen.«
Kate nickte.
»Ich will auch einen Kuss!«, rief Nell.
Nick nahm sie in die Arme, hob sie hoch und drückte sie eine Weile an sich. Als er Nell dann einen dicken Schmatz gab und sie wieder absetzte, konnte Kate sehen, dass hinter seiner ernsten Miene die Emotionen hohe Wellen schlugen. Er gab Kate noch einen Abschiedskuss, dann war er auch schon fort.
Kapitel 28
K ate wartete eine ganze Woche lang auf einen Anruf von Nick. Sie wurde in dieser Zeit jede Nacht von Alpträumen gequält, die sich alle um Bronty drehten. Die Träume waren so lebhaft, dass sie sie den ganzen Tag lang nicht mehr losließen. Immer wieder standen ihr plötzlich einzelne Bilder aus diesen Träumen vor Augen und erschreckten sie zutiefst. Eine Konstante war das Bild der See, die das Ufer auswusch, große Teile der Weiden verschlang und schließlich das Haus überschwemmte. Es war eine wütende See. Eine See, deren Wellen bis zu den kuppelförmigen Hügeln der Farm hinaufstiegen, wo sie gegen das Tor brandeten, an dem Will gestorben war, die Drähte des Zaunes einfach wegrissen, so als wären sie dünne Angelschnüre und es dann samt seiner mächtigen Spannpfosten einfach verschlangen.
Auch an diesem Morgen war Kate atemlos und voller Panik aufgewacht. Sie fragte sich, warum diese Träume immer wiederkehrten, so stetig und unerbittlich wie die Gezeiten. Jetzt kuschelte sie mit Nell zusammen noch auf der Couch, da sie den Moment, an dem sie Nell zu Janie bringen und sich dann an ihren Schreibtisch setzen musste, noch ein wenig hinausschieben wollte.
In diesem Augenblick hallte das schrille Läuten des Telefons durch das Haus.
»Telefon«, sagte Nell.
»Ich geh schon hin. Du bleibst hier sitzen. Es dauert bestimmt nicht lange.«
Kate legte Nell eine Decke über die Knie, gab ihr einen Kuss und ging dann mit ruhigen Schritten zum Telefon. Sie wollte nicht blindlings losstürzen, so wie sie das in der vergangenen Woche stets getan hatte, in der Hoffnung, dass es Nick wäre.
Sie hatte noch nichts von ihm gehört. Sie hatte vergessen, sich seine Handynummer geben zu lassen, und im Krankenhaus wollte
sie auch nicht anrufen. Was war, wenn die Stationsschwester ihre Nachricht an Felicity weitergab? Vielleicht würde Janie ja heute Mittag irgendetwas Neues über Nick und seinen Dad erfahren, ein bisschen Tratsch, den sie bei den Müttern der Spielgruppe aufschnappte. Irgendetwas.
Sie starrte das klingelnde Telefon an. Möglicherweise war das auch wieder ihr Vater. Letzte Woche hatte er dreimal angerufen. Zwei kurze Nachrichten auf dem Anrufbeantworter mit der Bitte, ihn zurückzurufen. Beim dritten Mal hatte sie abgenommen, da sie gehofft hatte, dass es Nick wäre. Als sie jedoch Henrys Stimme gehört hatte, hatte sie ihm barsch erklärt, dass sie sich um Nell kümmern müsse und deshalb keine Zeit für ihn hätte. Dann hatte sie einfach aufgelegt und dabei große Traurigkeit empfunden. Als sie den Hörer jetzt von der Gabel nahm, wünschte sie sich verzweifelt, dass Nick dran wäre.
»Hallo?«
Schweigen. Dann das Klappern von Münzen, die in einen Münzfernsprecher geworfen wurden. Schließlich hörte sie seine Stimme.
»Kate?«
»Nick?«
Wieder Schweigen. Dann seine Stimme, gebrochen und kaum hörbar.
»Wir haben ihn verloren, Kate.«
Was ? Sie hörte das Klicken und Scheppern der Telefonschnur, während Nick hörbar um Fassung rang. Kate stellte sich vor, wie er im Krankenhausfoyer stand. Er trug bestimmt ein ordentliches Hemd, dazu Wrangler Jeans mit einem braunen Ledergürtel und Stiefel. Seine breiten Schultern waren sicher gebeugt. Irgendwo in dieser riesigen, hässlichen Klinik würde man seinen Vater auf einem stählernen Wagen in einen Lift schieben, um ihn in die Leichenhalle hinunterzubringen.
»O mein Gott. Das tut mir so leid.« Damit hatte Kate nicht im Entferntesten gerechnet. Sie war davon ausgegangen, dass es Lance inzwischen besser ging. Sie hatte ihn bereits wieder am
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