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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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schnell im durstigen Boden. Die Rinder entfernten sich eines nach dem anderen wieder. Sie hatten Hunger, aber der Geruch des Todes, der sich mit dem Duft des Heus vermischte, machte sie argwöhnisch.

    Nell schlief tief und fest, als Kate von der Straße in den kleinen Zufahrtsweg abbog, der nach Bronty führte. Sie hatte das Radio aufgedreht und sang mit. Sie hatte die Hoffnung, damit das bedrückende Gefühl vertreiben zu können, das sie wegen ihrer Rückkehr noch immer quälte, weil Annabelle jetzt hier lebte. Sie zwang sich zu einem Lächeln. Sie würde das schon irgendwie schaffen. Sie würde ihrem Dad einen Begrüßungskuss geben, würde Annabelle umarmen und einfach so tun, als wäre nichts gewesen. Dies war jetzt Nells Zuhause. Es war ein neuer Anfang. Sie hatte ja Will auf ihrer Seite. Will würde ihr dabei helfen, alles richtig zu machen.
    Als sie jedoch auf das Haus und den Hof zufuhr, erstarb das Lächeln auf ihrem Gesicht. Eine Gruppe von Menschen in den Uniformen des Staatlichen Rettungsdienstes sahen gerade dabei zu, wie jemand von
ihnen den Deutz-Traktor ihres Vaters auf den Hof fuhr. Dem Traktor folgte ein Krankenwagen, der es jedoch offensichtlich nicht eilig hatte. Ein Polizist führte Henry den Gartenweg entlang. Eine Decke lag um seine Schultern. Kate konnte sein Gesicht nicht sehen. Er schaffte es gerade bis zur Hintertreppe, dann drehte er sich um und ließ sich einfach auf die Stufen sinken, wobei er einen Augenblick schwankte, als wäre er betrunken. Kate konnte an seinem Gesicht erkennen, dass etwas unfassbar Schreckliches passiert war.
    Sie sprang aus dem Pick-up und sah sich verzweifelt nach Will um. Aden stand im Hof neben einem Motorrad und sprach leise mit einem Polizisten. Amy stand auf der Veranda, ihr blasses Gesicht war noch blasser als sonst. Annabelle kam aus dem Haus und ging mit ausgestreckten Armen und einem kummervollen Ausdruck auf dem Gesicht auf Kate zu. Kate lief jedoch einfach an ihr vorbei zu ihrem Vater hinüber. Sie forschte in seinem Gesicht.
    »Will?«
    Der Ausdruck auf dem Gesicht ihres Vaters war Antwort genug. Kate spürte, wie ihre Beine unter ihr nachzugeben drohten.
    »O nein. Nicht Will. Bitte nicht Will. Nein, nein, nein!«
    Ihr Vater nahm sie in die Arme und hielt sie fest. Sie roch die vertraute Mischung aus Dieselöl und Pears-Seife. Sie hätte ihn jedoch am liebsten geschlagen und nicht umarmt. Ein kehliger Schrei kam tief aus ihrem Inneren, ein Schrei wie an jenem Tag, als sie ihr Baby zur Welt gebracht hatte. Ein Laut, animalisch und primitiv zugleich. Nell, die im Pick-up saß und schlief, wachte auf, sah den Krankenwagen und die Polizeiautos, sah ihre Mutter und begann ebenfalls zu schreien.

Kapitel 10
    E ine Woche später stand Kate neben ihrem Pferd Matilda auf der heruntergekommenen Koppel, die sich neben den aus Stein errichteten Stallungen von Bronty befand. Sie und Will hatten davon geträumt, die Stallungen und Koppeln in Stand zu setzen, damit sie dort einen glänzenden schwarzen Waler-Hengst halten und vielleicht irgendwann sogar einmal Polocrosse-Pferde züchten konnten. Kate schloss die Augen und entließ eine weitere Erinnerung in den Äther.
    Heute hatten sie Will beerdigt. Kate konnte und wollte noch immer nicht begreifen, dass das die Realität war. Sie nahm alles um sich herum nur noch verschwommen wahr, so als wäre die ganze Welt in dichten Nebel gehüllt. Alles fühlte sich irgendwie fremd und unwirklich an. Selbst hier auf der Koppel, in der tröstlichen Gegenwart ihres Pferdes, stand Kate noch immer so unter Schock, dass sie am ganzen Leib zitterte. Sie fühlte sich so müde und ausgelaugt, dass es ihr fast nicht gelungen wäre, den Sattelgurt festzuziehen. Als sie über den Widerrist ihres Pferdes zum Haus blickte, konnte sie sehen, wie sich die Trauergäste gerade im Garten versammelten. Sie sah Nell, sah ihren Heiligenschein aus blonden Haaren, der immer wieder zwischen den schwarzen Hosenbeinen der Männer auftauchte. Annabelle machte ein großes Getue, bat die Trauergäste gerade mit einem strahlenden Lächeln ins Haus. Es sah mehr danach aus, als würde sie sie zu einer Geburtstagsparty einladen und nicht zu einem Leichenschmaus. Allein bei diesem Anblick verkrampfte sich Kate. Nein, sie konnte das Haus nicht betreten. Noch nicht. Sie wollte das, was diese Frau dem Andenken ihrer Mutter angetan hatte, einfach nicht sehen. Genauso wenig war es ihr möglich, den Trauergästen gegenüberzutreten, unter denen sich sowohl Nell

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