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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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und dann zum
Galopp an. Sie ließen eine lange Spur von Hufabdrücken hinter sich. Sanfte Wellen spülten seufzend über den Sand, begannen Matildas Hufspuren zu verwischen. Schließlich löschte die endlose Bewegung der Wellen sie ganz aus.
    Kate wollte ins offene Meer reiten und niemals wieder zurückkommen. Sie hatte das Gefühl, als würden ihre Mutter und Will da draußen, in dieser blaugrünen Unterwasserwelt, auf sie warten. Sie konnte ihre Stute einfach immer weitertreiben, konnte sie durch die Wellen auf die Insel zuschwimmen lassen, bis sie beide von der See verschluckt wurden. Sie würden immer tiefer sinken, Matilda ein Seepferdchen und sie eine Meerjungfrau. Sie wendete die Stute zum Wasser hin und ließ sie bis zur Brust hineinwaten. Die brechenden Wellen trafen donnernd auf Matildas breite Brust und sprühten als Gischt über Kates Beine. Das Salz ihrer Tränen vermischte sich mit dem Salz des Meeres. Sie hätte jetzt vom Pferd gleiten und weiterschwimmen können. Schwimmen, bis sie versank. Qualvolle Klagelaute drangen aus ihrer Brust, aber sie wurden vom Wind sofort fortgerissen. Sie spürte, wie das kalte Wasser an ihren Beinen hinaufstieg und über ihre Hände und Arme spritzte. Sie wollte nichts anderes mehr, als dort draußen in der Bucht zu sterben.
    Aber da war etwas, das sie zurückhielt. Nell. Sie spürte, wie ihre Liebe zu ihrer Tochter sie zurückhielt. Dieses immer so heitere kleine Gesicht und das elfenhafte Lächeln zogen sie aus der grauen Tiefe ihres Kummers. Nell war als Fremde nach Bronty gekommen. Außer Kate hatte sie hier nichts und niemanden. Kate wusste ganz genau, was es hieß, seine Mutter zu verlieren. Also wendete sie ihre Stute und sah dann zum Farmhaus hinüber. Es schmiegte sich, durch den alten Garten vom Seewind abgeschirmt, in seiner ganzen Breite an den Hang. Zwischen den Ästen der Bäume hindurch konnte sie das Dachgeschoss sehen, das wiederum sie zu beobachten schien. In ebendiesem Moment beschloss Kate, Bronty als ihr Zuhause zurückzufordern. Für Nell. Nell würde auf diese Weise ihren Onkel und ihre Großmutter kennen lernen, wenn schon nicht persönlich, dann doch durch die Landschaft, die ihre Erinnerungen und ihre Weisheit in sich trug.

    Kate erinnerte sich jetzt wieder an die sonnigen Tage, an denen sie und Will hier am Strand zusammen ausgeritten waren. Wenn das Wasser zwar so ruhig und blau wie in den Tropen gewesen war, es jedoch gleichzeitig noch immer diesen kalten tasmanischen Biss gehabt hatte. Das ungeschützte Ufer und die kalte Strömung hielten die Touristen fern, daher hatten sie den Strand selbst mitten im Sommer meistens für sich allein gehabt. Ihre Mutter hatte sie manchmal auf ihrem stämmigen kleinen Waler begleitet. Sie waren immer ohne Sattel geritten, schimmerndes Seewasser hatte auf ihrer sonnengebräunten Haut geglänzt, und ein strahlendes Lachen hatte auf ihren Gesichtern gelegen. Ihr Dad war später oft mit dem Pick-up nachgekommen, auf dessen Ladefläche dann zwischen der Schmierpresse, den Traktorenketten und anderen Ersatzteilen auch die Kühlbox mit einem Pick-nick und ein Kanister mit Wasser für die Pferde gestanden hatten. Ihr Vater pflegte sich lächelnd neben seiner Frau im Sand auszustrecken, die weißen Füße an den Knöcheln zu überkreuzen und sich den Sand durch die Finger rinnen zu lassen, während er seinen Kindern beim Spielen zusah.
    Heute, an diesem winterlichen Strand schwor Kate sich, dass Nell so aufwachsen würde wie sie. Ihre Tochter sollte erfahren, wie wunderschön ein Sommer auf Bronty war. Kate würde aufhören, immer nur davonzulaufen. Sie würde bleiben, damit Nell die Möglichkeit hatte, diese Farm lieben zu lernen. Will war jetzt für immer hier, wie auch ihre Mutter. Kate spürte, wie ein Gefühl inniger Verbundenheit in ihr aufstieg. Solange sie hier war, solange sie zu Hause war, wären sie immer zusammen: Nell, ihre Mutter und ihr Bruder.
    Sie dirigierte Matilda auf das weite Halbrund der mondsichelförmigen Bucht zu und galoppierte dann los. Die Stute spitzte aufmerksam die Ohren, Kate biss die Zähne zusammen. Tränen liefen ihr über die Wangen und sammelten sich in ihren Ohren so wie Regentropfen in einer Muschel. Sie spürte den Rhythmus des donnernden Hufschlags, die Lebenskraft des Pferdes, während sie über den Sand galoppierte. Vor ihnen hastete ein kleiner Austernfischer auf dünnen Beinen davon, während eine Schwarzrückenmöwe über ihnen elegant im Wind
segelte. Sie galoppierten

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