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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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Boden kurz ausrutschte. Als er zum Tor ging, hörte er trotz des im Leerlauf vor sich hin tuckernden Motors das hohe Jaulen eines Motorrads. Unten im Tal donnerte Aden gerade durch eine Gruppe von Mutterschafen mit ihren Lämmern.
    »Penner«, murmelte Will. Er konnte förmlich spüren, wie sein Blutdruck stieg, als er zusah, wie die Mutterschafe auseinanderstoben, während ihre Lämmer verwirrt und erschrocken umhersprangen. Will schüttelte den Kopf und fluchte noch einmal laut vor sich hin. Er musste ihn aufhalten, bevor noch einige der jetzt trächtigen Tiere eine Fehlgeburt erlitten. Einige der Schafe waren bereits sichtlich geschwächt. Das war jetzt das Letzte, was sie brauchten.
    Die Tiere waren überhaupt nur deshalb trächtig geworden, weil Aden vor sechs Monaten vergessen hatte, das Gatter der Weide, auf der die Böcke standen, zu schließen. Die Merino- und die White-Suffolk-Böcke hatten drei Tage lang ihren Spaß gehabt, bevor Will sie bei den Schafen entdeckt hatte. Jetzt waren die Lämmer, hineingeboren in eine kahle und dürre Welt, nicht im Einklang mit Mutter Natur.
    Will rannte zum Traktor zurück, griff nach oben und ließ den Motor dreimal laut aufheulen, in der Hoffnung, Aden würde das hören.
Das Geräusch erschreckte die Färsen, und sie machten einen Satz vom Zaun weg. Eine Wolke von schwarzem Diesel strömte aus dem Auspuffrohr, hob dabei die runde Scheibe an, die das Rohr bedeckte. Bei dem Geräusch blickte Aden kurz auf und winkte. Dann fuhr er weiter durch die flachen Abzugsgräben auf der Ebene, die Will im letzten Jahr mit so viel Mühe angelegt hatte. Die Räder von Adens neuem knallgrünem Motorrad gruben sich tief in den Boden und verursachten eine Fontäne aus Gras und Erde.
    »Aden! Du Arschloch!«, brüllte Will, obwohl er wusste, dass Aden ihn nicht hören konnte. Als Will sich wieder vom Traktor entfernte, spürte er, dass er mit seiner Jacke an irgendetwas hängen geblieben war. Er riss sich ärgerlich los und ging zum Tor, um es zu öffnen. Er biss die Zähne zusammen, seine Schultern waren verkrampft. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Aden einfach verschwinden würde, einfach abhauen, in die verdammte Stadt zurückkehren.
    Will bemerkte nicht, dass der Traktor ganz langsam zu rollen begann, während er an dem klemmenden Torriegel herumhantierte. Die großen schwarzen Räder rollten langsam, aber sie rollten. Der runde Heuballen kam wie ein Ungeheuer drohend immer näher. Zu spät. Will spürte etwas an seinem Rücken und versuchte sich noch umzudrehen, aber er konnte sich schon nicht mehr bewegen. Der Heuballen wurde gegen seinen Rücken gepresst. Die Metallstange des Tors grub sich schmerzhaft in seine Brust. Das Gewicht war einfach unglaublich. Es quetschte die Luft aus seinen Lungen. Panik erfasste Will, seine Gedanken rasten, aber er konnte nichts mehr tun. Wann gab das Tor endlich nach? Verdammtes altes Ding. Sicherlich würde es bald aufspringen. Die Kette war bereits bis zum Zerreißen gespannt, aber noch hielten die Angeln. Ein ungeheurer Schmerz begann seinen Körper zu durchfluten. Seine Augen traten hervor. Will konnte neben dem im Leerlauf tuckernden Motor des Traktors das Quietschen von Metall und das Ächzen von Holz hören. Dann hörte er gurgelnde, kehlige Laute. Es dauerte eine Zeit, bis ihm bewusst wurde, dass diese Laute von ihm kamen. Luft. Er brauchte Luft. Und diese Schmerzen. Sie machten ihn schier wahnsinnig. Er wurde verrückt
vor Schmerzen. Er musste schreien. Dann würde Aden kommen und ihm helfen. Aber Will konnte nicht mehr schreien. Er spürte, wie sich das Gewicht jetzt ganz auf ihn legte. Das tiefe Brummen des Traktors, der langsam seine Knochen zermalmte. In seinem Schädel platzten mehrere Adern. Seine Augen traten aus ihren Höhlen. Seine Füße und Arme zuckten wild.
    Plötzlich senkte sich eine große Stille über ihn. Seine bereits erloschenen Augen sahen aufs Wasser hinaus. Dort war seine Mutter.
    »Mama!«, glaubte er zu rufen. Aber da hatte er bereits keinen Atem mehr. Es war kein Leben mehr in ihm. Will bewegte sich schon auf das Wasser zu, wo seine Mutter auf ihn wartete. Hinter ihm auf dem Land schrie eine Krähe, schwarz wie die Nacht. Adens Motorrad war zu hören. Er fuhr mit heulendem Motor davon. Der Traktor tuckerte noch immer im Leerlauf. Das Vieh kam vorsichtig näher, um an Wills gesenktem Kopf zu schnuppern und am Heu zu zupfen. Von seinen Lippen tropfte jetzt Blut und versickerte, sich schwarz verfärbend,

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