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Australien 01 - Wo der Wind singt

Australien 01 - Wo der Wind singt

Titel: Australien 01 - Wo der Wind singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Treasure
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an einem der Balken der Scheune hochzog, um einem der Scherer zu helfen. Sie dachte Tag und Nacht nur noch an ihn.
    Im ersten Licht der Morgendämmerung saß Nell dann in der alten Garage auf Henrys Knien und wartete darauf, dass sich die Glimmlampe im kalten Pick-up ihres Großvaters abschaltete. Ihre Augen strahlten, und unter ihrem kleinen rosa Hut waren ihre blonden Locken zu sehen. Kate saß auf dem Beifahrersitz, den Korb mit der Verpflegung auf dem Schoß, während die Hunde auf der Ladefläche Dampfwölkchen ausatmeten und hin und her sprangen. Wills Abwesenheit war zwar noch immer mehr als deutlich spürbar, aber sie war nicht mehr so unerträglich.
    Wenn Kate dann in der Scheune die Wollbehälter aufstellte und die Schafe in die Pferche trieb, hielt sie bereits ständig durch die breite Verladetür nach Nicks dunklem Pick-up Ausschau. Wenn er dann hinter der Hügelkuppe auftauchte, waren die Scheinwerfer noch eingeschaltet,
denn die Sonne legte erst einen noch zarten Schimmer auf die dunkle Bucht.
    Später, in der Hektik der Scheune, alberten Nick, Kate und die Schafscherer miteinander herum. Sie erzählten sich Witze, lustige Geschichten und abenteuerliche Anekdoten. Sie warfen sich im Vorbeigehen ein paar Worte zu, während sie sich nach Vliesen bückten und den Besen schwangen. Dann gelang es Kate sogar manchmal, den Schmerz über Wills Tod zu verdrängten. Wenn die Männer aber schweigend arbeiteten, versuchte Kate einfach nur Nicks Gegenwart in sich aufzunehmen, verwendete sie als eine Art Tonikum, um ihren Kummer zu lindern. Während sie sich darum kümmerte, die Schafe auf die Weide zurückzutreiben und sie zu desinfizieren, dachte sie immer wieder an Nick und Henry, vor allem aber an Nick und Nell.
    Manchmal, wenn sie gerade die Schafe über die Rampe in die Scheune trieb, erhaschte sie einen Blick auf Nick, wie er Nell hochhob, so dass sie, mit den Armen an den grob behauenen Balken hängend, schaukeln konnte. Dann wieder sah Kate von den hinteren Pferchen aus, wie Henry seine Enkelin mit einer Tasse warmer Milch in der Hand auf ihre Decken bettete und dann geduldig darauf wartete, dass sie einschlief, während Nick ihn dabei beobachtete, bevor die beiden Männer sich wieder an ihre Arbeit machten.
    Wenn Kate in die Scheune kam und die Wollpresse einschaltete, half Nick ihr dabei, die Vliese in die stöhnende und ächzende Presse zu schieben. Sie spürte, wie sie auf ihren Oberarmen eine Gänsehaut bekam, wenn sie sich dabei einmal zufällig berührten. Wenn sie, sich gegenüberstehend, zusammen mehrere große Vliese anhoben, wünschte Kate sich, dass sich keine Wolle zwischen ihnen befände. Ihre Blicke trafen sich, und sie lächelten sich an.
    Fünf Tage vergingen. Kate kamen sie vor wie fünf Monate. Als das letzte Schaf geschoren war, überkam Kate eine große Traurigkeit. Das rhythmische Zischen des Besens, als Nick den Boden mit heißem Wasser schrubbte und der Anblick der leeren Plätze, nachdem die Männer ihre Ausrüstung zusammengepackt hatten, riefen in Kate ein geradezu überwältigendes Gefühl der Einsamkeit hervor. Jetzt hatte
sie sich wieder dem normalen Leben zu stellen, wo sie, anders als in der Scheune, nicht das Gefühl hatte dazuzugehören. Und auch Nick wäre nicht mehr da.
    Sie hatte versucht, die Männer dazu zu überreden, noch eine große Abschlussparty zu veranstalten, hatte damit aber keinen Erfolg. Es war Freitagabend. Die Männer wollten so schnell wie möglich nach Hause zu ihren Familien oder in den Community Club zur gemeinsamen Footballwette. Sie tranken nur noch zusammen ein Bier, während sie darauf warteten, dass Henry ihnen ihre Schecks ausstellte. Ihr Aufbruch wurde vom lauten Schlagen der Autotüren und dem Aufheulen von Motoren begleitet. In der Stille, die herrschte, als sie abgefahren waren, sah Kate Nick an.
    »Willst du noch ein Bier?«, fragte sie.
    Er fuhr mit einem schwarzen Tintenroller über die Vorderseite eines Wollballens, den er mit Hilfe einer Schablone beschriftete, bevor er ihr antwortete. »Tut mir leid. Aber das geht leider nicht. Felicity hat heute Abend ein Essen mit ihren Kolleginnen in der Stadt.«
    Als er Felicity erwähnte, verließ Kate plötzlich der Mut.
    »Na, Gott sei Dank«, ließ sich Henry vernehmen, der auf dem Wolltisch saß, neben sich seine geöffnete Brieftasche und ein Taschenrechner. Das Rechnungsbuch hielt er in der Hand. »Du musst nämlich noch die restlichen Schafe auf die Weide bringen, Kate.«
    Kate versuchte,

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