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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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unter den Sträflingen immer stärker wurde.
    Ein kleiner Gegenstand flog aus der Mitte der Menge in seine Richtung und landete neben ihm in einem Busch.
    »Es ist von höchster Wichtigkeit, einen freundschaftlichen Verkehr mit ihnen einzuleiten«, fuhr er unbeirrt fort. »Ohne ihre Kooperation werden der Fortschritt, ja sogar der Fortbestand dieser Kolonie bedroht sein. Seine Majestät hat mich angewiesen, unverzüglich gute Beziehungen zu den Eingeborenen herzustellen und mit ihrer Sprache auf schnellstmöglichem Wege vertraut zu werden.«
    Unter diesem Aspekt hatte Rooke New South Wales bislang noch gar nicht betrachtet. Die Kolonie brauchte einen Astronomen, würde aber vielleicht auch einen Sprachforscher brauchen. Tatsächlich hatten sich die Eingeborenen in den zwei Wochen, die seit der Vorführung mit den Perlen und den Spiegeln vergangen waren, bloß ein paar Mal blicken lassen, und das nur ganz kurz. Rooke war zu der Zeit gerade an Bord der Sirius gewesen und hatte sie nicht gesehen. Am Ufer auf der gegenüberliegenden Seite des Hafens hatte er einige Male flüchtig ein paar Gestalten erblickt und an mehreren Stellen in der Ferne aufsteigenden Rauch gesehen und Kanus, die sich als dunkle Silhouette vom glitzernden Wasser abhoben. Aber es hatte sich bislang keine Gelegenheit ergeben, die Eingeborenen mit größter Güte zu behandeln.
    Rooke hatte den Eindruck, dass sich der Gouverneur beeilte, mit seiner Rede zum Ende zu kommen, um die Versammlung auflösen zu können.
    »Ich bitte Sie nun, mit mir niederzuknien«, rief er. »Der Reverend wird in unser aller Namen einen Dank aussprechen. Bitte treten Sie vor, Mr. Pullen.«
    Aus der Menge ertönte das höhnische Auflachen einer weiblichen Stimme. »Dank? Dank wofür?«
    Rooke glaubte die Stimme einer hübschen Frau mit losem Mundwerk zu erkennen, die man bei Rio ins Meer getunkt hatte, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie wiegelte die anderen Sträflinge auf, die nun lauthals schrien und pfiffen und die Postenkette der Seesoldaten zu sprengen drohten.
    Rooke stellte sich innerlich schon darauf ein, jeden Augenblick seine Pflicht tun zu müssen, doch Wyatt verständigte sich durch ein Zucken der Augenbraue mit Lennox, der daraufhin mitten in die Menge schritt. Die Sträflinge schienen den Hauptmann gut zu kennen. Lennox musste nur kurz mit dem Gewehrkolben um sich hauen, und schon legte sich der Aufruhr wieder, so dass Rooke nichts weiter zu tun brauchte, als seine Muskete fest im Griff zu halten und sich den Anschein zu geben, er sei einsatzbereit.
    In Zukunft würde es jedoch des Öfteren solche Situationen geben, dachte er, unzählige solcher Situationen, in denen jeder Mann mit einer roten Jacke handeln müsste. Auf der Seereise hatte er sich von den anderen Seesoldaten abgegrenzt. Er musste so weitermachen, wie er angefangen hatte. Die Landspitze im Westen der Bucht sah aus der Entfernung hoch und abgeschieden genug aus, um dort ein Observatorium zu errichten, und wäre mit Sicherheit auch genau das Richtige für einen, der keine Lust hatte, die Rolle des Sträflingswärters zu spielen. Er würde die Gegend dort so bald wie möglich erkunden und bemüht sein, jedermann klarzumachen, dass Leutnant Rooke mit den himmlischen Körpern viel zu beschäftigt war, um irgendwelche irdischen Pflichten übernehmen zu können.
    Inzwischen stand Reverend Pullen auf der Kiste und leierte pathetisch wie immer ein endloses Gebet herunter. Für seine Predigt hatte er einen Vers aus einem Psalm ausgewählt: Wie soll ich dem Herrn vergelten all seine Wohltat, die er an mir tut. Rooke fragte sich, ob er diese Bibelstelle wohl bewusst ausgesucht hatte, um die versammelten Männer und Frauen zu provozieren, die keine andere Wahl hatten, als an einem Ort zu sein, an dem kaum mit Wohltaten zu rechnen war. Das Gesicht des Gouverneurs blieb völlig ausdruckslos, während er zuhörte, doch Rooke hatte den Eindruck, dass der schmale Kiefer des Mannes noch angespannter war als sonst.
    Als der Reverend einmal innehielt, um Luft zu holen, reagierte der Gouverneur prompt.
    »Amen«, verkündete er, worauf Pullen nichts anderes übrigblieb, als zum Segen überzugehen.
    Die Versammlung löste sich auf, die Arbeitstrupps wurden zurück an ihre Äxte und Spitzhacken getrieben. Ohne nach rechts und links zu blicken, stahl sich Rooke davon, damit nicht womöglich einer auf die Idee kam, ihm zuzurufen: Ah, Leutnant Rooke, dürfte ich Sie kurz um Ihre Hilfe bitten? Um zu dieser

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