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Australien 02 - Der Sternenleser

Australien 02 - Der Sternenleser

Titel: Australien 02 - Der Sternenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Grenville
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verheißungsvollen Landspitze zu gelangen, musste Rooke allerdings das Gelände überqueren, das westlich des Baches gerodet wurde. Major Wyatt nannte es den Exerzierplatz, obwohl es bislang nichts weiter als eine von Baumstümpfen durchsetzte abschüssige Fläche mit grauer Erde war.
    Als Rooke mit schnellen Schritten, als hätte er gerade etwas Wichtiges zu erledigen, seinem Ziel zustrebte, hörte er das unverwechselbare Gebrüll des Majors und sah aus dem Augenwinkel, wie dieser mit hochrotem Kopf auf einen Sträfling zustürmte. Nachdem er dem Mann einen heftigen Stoß zwischen die Schulterblätter versetzt hatte, hob der arme Wicht seine Axt und schlug damit auf einen Baum ein, während die anderen Sträflinge beflissen ihr ungeschicktes Hacken und Spalten fortsetzten. Ein großer Kerl in einem gestreiften Sträflingsanzug, der ihm viel zu klein war – die Hosen reichten ihm nur bis zu den Waden und die Ärmel der über dem breiten Brustkorb aufstehenden Jacke knapp über die Ellbogen –, hieb kraftlos mit seiner Spitzhacke auf die Erde neben einem Baumstumpf ein. Seine Schläge waren zwar schnell genug, um ihn vor Wyatts Stock zu bewahren, hinterließen an dem Stumpf, über den er sich beugte, jedoch keinerlei Spuren.
    Neben ihm mühte sich ein Mann mit den eingefallenen Wangen eines Zahnlosen, einen anderen Baumstumpf auszuroden. Obwohl die Spitze seiner Hacke bei jedem Schlag an der Wurzel abprallte, kam der Mann nicht auf die Idee, es an einer anderen Stelle zu versuchen, holte mit der Hacke zu einem neuen Schlag aus und fing den Rückstoß mit seinen dürren Armen ab.
    Ist das Dummheit, fragte sich Rooke, oder Gleichgültigkeit? Für Major Wyatt war das Ausgraben von Wurzelstöcken ein Schritt auf dem Weg zur Entstehung eines Exerzierplatzes. Für diesen Mann hingegen musste es eine genauso sinnlose Sträflingsarbeit sein wie die Tretmühle in dem Gefängnis, aus dem man ihn herausgeholt hatte.
    Gott sei Dank gibt es die Astronomie, dachte Rooke und ging weiter.
    Offenbar war er nicht der einzige Offizier, der Pflichten aus dem Weg ging. In einiger Entfernung von den Arbeitstrupps saß Silk auf einem Stein und schrieb mit versonnener Miene etwas in sein Notizbuch. Als er Rooke bemerkte, rückte er einladend ein Stück zur Seite.
    » Die Eingeborenen schienen nicht so recht zu wissen, welchem Geschlecht wir angehörten «, las er laut vor, » und brachen, kaum dass sie es begriffen hatten, in unmäßiges Lachen aus . Diese Begegnung ist dir leider entgangen, Rooke, aber findest du das nicht höchst amüsant? Wir haben einen der Matrosen eine anschauliche Demonstration der Wahrheit geben lassen – der Zufall wollte es, dass er für diese Aufgabe außerordentlich gut ausgestattet war. Die Eingeborenen waren so überrascht, dass sie, wie ich zu meinem Bedauern sagen muss, kurz darauf verschwanden. Ich stehe nun vor dem Problem, den Witz dieser außergewöhnlichen Begegnung zu bewahren und zugleich die richtigen Worte zu finden, die eine jungfräuliche Wange nicht erröten lassen.«
    »Ja, sehr amüsant«, sagte Rooke und dachte bei sich: Hoffentlich lässt Silk mich nicht in seinem Buch vorkommen. Silk jedoch nahm die Bedenken, die im Lob seines Freundes mitschwangen, gar nicht wahr.
    »Irgendwie seltsam, dass die Eingeborenen uns aus dem Weg gehen, findest du nicht? Gardiner hat mir erzählt, sie seien gestern auf ihn zugekommen, als er vom Boot aus geangelt hat. Nachdem er ihnen ein paar Fische gegeben habe, hätten sie sich ohne ein Wort wieder verzogen.«
    »Vielleicht hat es sich herumgesprochen. Das mit der imposanten Ausstattung dieses Mannes, meine ich.«
    Doch für Silk war dieses Thema bereits abgeschlossen. »Rooke, mein Freund, wärst du bereit, mir zu helfen?«
    »Dir zu helfen?«
    »Nein, ich meine nicht beim Schreiben. Aber ich kann nicht überall gleichzeitig sein. Du wirst bestimmt Dinge hören, von denen ich nichts mitbekomme. Wir beide sind doch Freunde.«
    Er berührte Rooke am Arm.
    »Würdest du das tun, alter Knabe? Würdest du mir helfen, aus meiner Erzählung ein funkelndes Meisterwerk zu machen, vor dem sich Mr. Debrett ehrfurchtsvoll verneigen wird?«
    Rooke war von dieser unverblümten Bitte um Unterstützung überrascht. Er hatte bislang noch nie das Gefühl gehabt, dass für Silk irgendetwas von echter Bedeutung war. Nichts – außer vielleicht die Sache mit dem Gefreiten Truby auf dem Deck der Resolution – schien für ihn mehr als bloßes Material für eine Anekdote zu

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