Australien 03 - Tal der Sehnsucht
in seinen Worten: »Rosie! Gutes Mädchen .«
Rosie musste unwillkürlich lächeln. Sie spürte, wie sich ein warmes Gefühl in ihr ausbreitete.
»Siehst du? Bei den Hunden ist das nicht anders. Du musst klar sein. Erst den Hund ohne Zorn mit seinem Namen ansprechen und dann das Kommando geben, und zwar bittend, nicht fordernd. Und hinterher loben. Nicht nur mit deiner Stimme, sondern mit innerer Energie. Verstehst du? Du musst ihnen ein guter Chef sein.«
Damit war die Vorstellung zu Ende, und Jim wandte ihr wieder den Rücken zu, um unter der Spüle seine Arme abzuschrubben. Die Wärme, die Rosie für ihn empfunden hatte, kippte in Ärger um. Sie würde er nicht mit seinem super Körper, seinem Aussehen und vor allem seinem Akzent einwickeln. Er hatte sie eben gerufen wie einen Hund. Rosie hätte wetten können, dass er schon Millionen Frauen mit seinen blauen Augen und seinem irischen Singsang verführt hatte. Er war genau wie Sam, er sah gut aus und bekam alles, was er nur wollte. Sie hatte genug von Jim Mahony gesehen. Sie wollte sich gerade entschuldigen und die nächste Ladung Schafe aus dem Fußbad holen, als ihre Mutter in den Schuppen spaziert kam. In ihrer Armbeuge trug sie einen gigantischen Weidenkorb.
»Vesper!«, sang Margaret mit hoher Stimme. Sie stellte den Korb auf dem Tisch im Wollschuppen ab und machte sich daran, ein Tischtuch auszubreiten. Darauf stellte sie eine Thermosflasche, zwei Becher, Milch und Zucker. Dann zog sie ein Tuch von einem Teller mit dampfenden Fleischbrötchen. Scones, Kekse und ein Kuchen folgten.
»Mum? Du bringst sonst nie das Vesper in den Schuppen.«
Margaret sah kurz zu Jim hinüber.
»Sei nicht albern, Schätzchen. Natürlich tue ich das.«
Jim kam angeschlendert, ein Handtuch über der Schulter.
»Mmm. Das sieht phantastisch aus, Mrs Highgrove-Jones.«
»Dann fangen Sie am besten gleich an«, sagte Margaret und hielt ihm ein Fleischbrötchen hin.
»Soll ich sofort kotzen oder erst später?«, murmelte Rosie und ging.
Kapitel 15
W ährend Rosies Eltern in tiefem Schweigen aßen, starrte Rosie auf das dunkle Holz des Esstisches.
Kaum hatte Gerald fertig gegessen, stand er auf und stakste aus dem Zimmer. Ihre Mutter schaute ihm nach und warf verärgert die Serviette auf den Tisch.
»Danke für das Essen«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während sie die Teller abzuräumen begann. »Jetzt, wo Jim alles unter Kontrolle hat, kannst du wieder mit in die Stadt fahren, Rosemary. Und du kannst mir helfen, meine Tennisparty zum Saisonende vorzubereiten. Das Fleisch habe ich schon in einer Metzgerei in Hamilton bestellt, wir müssen also nur noch mit der Bäckerei telefonieren… und uns um die Blumen kümmern … Ida habe ich schon angerufen, sie kommt morgen und macht sauber, während wir weg sind.«
Rosie merkte, wie sie zu köcheln begann. Wie konnte ihre Mutter immer noch so tun, als wäre nichts geschehen?
»Vielleicht sollte ich Sage anrufen«, plapperte Margaret weiter. »Sie könnte dir die Haare schneiden, Rose, und ich müsste mir mal wieder die Wimpern färben lassen.«
Rosie wollte ihrer Mutter schon erklären, was sie mit ihren gefärbten Wimpern anstellen konnte, als jemand an der hinteren Veranda läutete.
»Ich gehe schon.« Rosie konnte es kaum erwarten, dem stickigen Esszimmer und ihrer affektierten Mutter zu entfliehen.
Jim stand in sauberen Sachen und frisch gewaschen mit dem Rücken zur Tür auf der Veranda. Als er die Tür aufgehen hörte, drehte er sich zu Rosie um.
»Ach! Du bist es! Ich dachte, das Dienstmädchen würde mir aufmachen. Oder arbeitest du gleichzeitig als Viehtreiber und als Dienstmädchen?«
»Was willst du?«, fragte Rosie eisig.
Er spürte ihre schlechte Laune und lächelte freundlich.
»Ich wollte nur kurz mit deinem Vater sprechen – ich bin auf dem Weg in die Stadt. Der alte Mr Seymour möchte ein paar Sachen in seinem Haus repariert haben, und ich schaue kurz bei ihm rein, um zu helfen. Wenn du das deinem Vater ausrichten könntest.«
»Du brauchst meinen Eltern nicht alles zu melden, was du tust.« Rosie verschränkte die Arme und sah ihn mit schmalen Augen an. »Sie brauchen zum Beispiel nicht zu wissen, wann du das nächste Mal einen Furz lässt.«
»Ach nein? Das ist gut zu wissen. Danke. Ich habe mir in der Unterkunft nämlich heute Nachmittag ein paar Bohnen in Tomatensoße gemacht, ich hatte also schon damit gerechnet, mich ziemlich regelmäßig melden zu müssen. Aber ich
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