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Auswahl seiner Schriften

Auswahl seiner Schriften

Titel: Auswahl seiner Schriften Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Wagner
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bestreiten können, daß Beethoven durch eine außer dem Bereiche der Musik liegende Idee begeistert, und zu dem Plan dieses Riesenwerkes bestimmt worden sei?«
    »Recht, daß Du diese Symphonie nennst!« – fiel R... rasch ein. – »Sage mir, liegt die Idee einer heldenmütigen Kraft, die mit gigantischem Ungestüm nach dem Höchsten greift, außer dem Bereiche der Musik? Oder findest Du, daß Beethoven seine Begeisterung für den jugendlichen Siegesgott in so kleinlichen Details ausgesprochen habe, daß es Dir vorkommen dürfte, als habe er in dieser Symphonie eine musikalische Kriegsgeschichte des ersten italienischen Feldzuges schreiben wollen?«
    »Wohin geräthst Du?« – entgegnete ich; »habe ich so etwas gesagt?«
    »Es liegt Deinem Ausspruche zu Grunde«, fuhr mein Freund leidenschaftlich fort. – »Soll man annehmen, daß Beethoven sich hingesetzt habe, eine Komposition zu Ehren Bonaparte's zu entwerfen, so müßte man auch glauben, daß er nichts Anderes zu liefern im Stande gewesen wäre, als eine jener bestellten Gelegenheits-Kompositionen, die sämmtlich den Stempel einer todten Geburt an sich tragen. Wie himmelweit ist aber die Sinfonia eroica entfernt, eine solche Ansicht zu rechtfertigen! Im Gegentheil würde der Meister, hätte er sich eine ähnliche Aufgabe gestellt, sie sehr unbefriedigend gelöst haben: – sage mir, wo, in welcher Stelle dieser Komposition findest Du einen Zug, von dem man mit Recht annehmen könne, der Komponist habe in ihm irgend einen speziellen Moment der Heldenlaufbahn des jugendlichen Feldherrn bezeichnen wollen? Was soll der Trauermarsch, das Scherzo mit den Jagdhörnern, das Finale mit dem weichen, empfindungsvoll eingewebten Andante? Wo ist die Brücke von Lodi, wo die Schlacht bei Arcole, wo der Marsch nach Leoben, wo der Sieg bei den Pyramiden, und wo der 18. Brumaire? Sind dieß nicht Momente, die kein Komponist unserer Tage sich würde haben entgehen lassen, sobald er eine biographische Symphonie auf Bonaparte hätte schreiben wollen? – In Wahrheit, hier war es aber anders der Fall, und laß Dir meine Ansicht mittheilen, die ich über das Empfängniß dieser Symphonie habe. – Wenn sich ein Musiker gedrängt fühlt, die kleinste Komposition zu entwerfen, so geschieht dieß nur durch die anregende Gewalt einer Empfindung, die in der Stunde der Konzeption sein ganzes Wesen überwältigt. Diese Stimmung möge nun durch ein äußeres Erlebniß herbeigeführt werden, oder einer inneren geheimnißvollen Quelle entsprungen sein; sie möge sich als Schwermuth, Freude, Sehnsucht, behagliche Befriedigung, Liebe oder Haß zeigen, so wird sie im Musiker immer eine musikalische Gestaltung annehmen, und von selbst in Tönen sprechen, ehe sie noch in Töne gebracht worden ist. Diejenigen großen, leidenschaftlichen und andauernden Empfindungen aber, welche die vorzügliche Richtung unserer Gefühle und Ideen oft zu Monaten, zu halben Jahren beherrschen, sind es, die auch den Musiker zu jenen breiteren, umfassenderen Konzeptionen drängen, denen wir unter anderen das Dasein einer Sinfonia eroica verdanken. Diese großen Stimmungen können sich als tiefes Seelenleiden, oder als kraftvolle Erhebung, von äußeren Erscheinungen herleiten, denn wir sind Menschen und unser Schicksal wird durch äußere Verhältnisse regiert; da aber, wo sie den Musiker zur Produktion hindrängen, sind auch diese großen Stimmungen in ihm bereits zu Musik geworden, so daß den Komponisten in den Momenten der schaffenden Begeisterung nicht mehr jenes äußere Ereigniß, sondern die durch dasselbe erzeugte musikalische Empfindung bestimmt. Welche Erscheinung wäre würdiger gewesen, die Sympathie, die Begeisterung eines so feurigen Genie's, als das Beethoven's, zu erwecken und lebendig zu erhalten, als die des jugendlichen Halbgottes, der eine Welt zertrümmerte, um aus seinen Kräften eine neue zu erschaffen? Stelle man sich vor, wie es dem heldenmüthigen Musiker zu Muthe sein mußte, als er von That zu That, von Sieg zu Sieg den Mann verfolgte, von dem Freund wie Feind zu gleicher Bewunderung hingerissen wurde! Dazu der Republikaner Beethoven, der von jenem Helden die Verwirklichung seiner idealen Träume von einem Zustande der allgemeinen Menschenbeglückung erwartete! Wie mußte es in seinen Adern brausen, wie in seinem Herzen glühen, wenn ihm überall, wohin er sich wendete, um sich mit seiner Muse zu berathen, jener glorreiche Name entgegentönte! – Auch seine Kraft mußte sich zu einem

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