Auswahl seiner Schriften
Gebote steht, und dem zur Gestaltung der geistigste Stoff, der Ton, an die Hand gegeben ist? Es heißt aber eben diese hohe Stellung des Musikers herabziehen, wenn man ihn zwingen will, seine Begeisterung den Erscheinungen jener Alltagswelt anzupassen; und noch mehr würde derjenige Instrumentalkomponist seine Sendung verläugnen oder seine eigene Schwäche an den Tag legen, der die beschränkten Proportionen rein weltlicher Erscheinungen in das Gebiet seiner Kunst hinübertragen wollte.«
»Nu verwirfst also alle Tonmalerei?« fragte ich.
»Überall,« erwiderte R..., »wo sie nicht entweder im Gebiete des Scherzhaften angewendet ist, oder rein musikalische Erscheinungen wiedergiebt. Im Scherz ist Alles erlaubt, denn sein Wesen ist eine gewisse absichtliche Beschränktheit, und lachen und lachen lassen ist eine schöne, herrliche Sache. Wo die Tonmalerei aber dieses Gebiet verläßt, wird sie absurd. Die Anregungen und Begeisterungen zu einer Instrumental-Komposition müssen derart sein, daß sie nur in der Seele eines Musikers entstehen können!«
»Du sprichst da etwas aus,« entgegnete ich, »was Du schwer beweisen können wirst. Ich bin im Grunde mit Dir einerlei Meinung, nur zweifle ich, ob diese überall mit der unbedingten Verehrung vereinbar sein dürfte, die uns für die Werke unserer großen Meister gemeinschaftlich beseelt. Fühlst Du nicht, daß Du mit Deiner Ansicht Beethoven's Offenbarungen zum Theil entschieden widersprichst?«
»Nicht im Geringsten; im Gegentheil hoffe ich meine Beweise auf Beethoven stützen zu können.«
»Ehe wir uns auf Einzelheiten einlassen,« – fuhr ich fort, – »findest Du nicht, daß Mozart's Auffassung der Instrumentalmusik bei weitem mehr Deiner Behauptung entspricht, als die Beethoven's?«
»Nicht, daß ich wüßte!« – entgegnete mein Freund. – – – »Beethoven hat die Form der Symphonie unendlich erweitert, er hat die Proportionen des älteren musikalischen Periodenbaues, wie sie in Mozart zur höchsten Schönheit gelangten, aufgegeben, um mit kühnerer, jedoch immer besonnener Freiheit seinem ungestümen Genius in Regionen folgen zu können, die nur seinem Fluge erreichbar waren; da er zugleich aber auch verstand, diesen kühnen Aufschwüngen eine philosophische Konsequenz zu geben, so hat er, man kann es nicht läugnen, auf der Basis der Mozart'schen Symphonien einen völlig neuen Kunstgenre erschaffen, den er zugleich vollendete, indem er ihn zur abgeschlossensten Höhe erhob. Dieß Alles aber hätte Beethoven nicht vollbringen können, wenn Mozart nicht zuvor sein siegreiches Genie auch auf die Symphonie gerichtet hätte, wenn nicht durch seinen belebenden, idealisirenden Hauch den bis zu ihm allein gültigen, seelenlosen Formen und Proportionen eine geistige Wärme mitgetheilt worden wäre. Von hier ging Beethoven aus, und der Künstler, der Mozart's göttlich reine Seele in sich aufnehmen durfte, konnte nie aus der hohen Sphäre herabsteigen, die das ausschließliche Reich der wahren Musik ist.«
»Du hast Recht!« – versetzte ich. – »Dennoch wirst Du nicht in Abrede stellen, daß Mozart's musikalische Ergüsse eben nur aus rein musikalischen Quellen entsprangen, daß seine Begeisterung sich an ein unbestimmtes inneres Gefühl anknüpfte, das er, selbst wenn er die Fähigkeiten des Dichters besessen hätte, nun und nimmermehr in Worten, sondern lediglich nur in Tönen aussprechen konnte. Ich spreche von den Begeisterungen, die in dem Musiker zu gleicher Zeit mit den Melodien, mit den Tongebilden entstehen. Mozart's Musik trägt den charakteristischen Stempel dieser unmittelbaren Geburt an sich, und es ist unmöglich anzunehmen, daß Mozart im Voraus z. B. den Plan zu einer Symphonie entworfen habe, von der nicht schon alle Thema's, ja das ganze Tongepräge fertig, wie wir es jetzt kennen, in seinem Kopfe lebte. Dagegen kann ich mir nun aber nicht anders vorstellen, als daß Beethoven zunächst den Plan einer Symphonie nach einer gewissen philosophischen Idee aufgenommen und geordnet habe, bevor er seiner Phantasie überließ, die musikalischen Thema's zu erfinden.«
»Und woran willst Du dieß nachweisen?« warf hastig mein Freund ein, – »etwa an der heutigen Symphonie?«
»Es mochte mir an dieser schwerer fallen,« antwortete ich, – »genügt Dir aber nicht die bloße Nennung der heroischen Symphonie als Beweis für meine Ansicht? Du weißt, daß diese Symphonie zuerst bestimmt war, den Titel: »Bonaparte« zu führen. Wirst Du also
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