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Autobiografie einer Pflaume - Roman

Titel: Autobiografie einer Pflaume - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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geschlagen?»
    «Er hat noch nie die Hand gegen mich erhoben. Nur ab und zu die Stimme, aber davon muss man nicht weinen.»
    «Aber ich kann nicht verstehen, wieso du findest, dass ein
Papa nicht so gut ist wie eine Mama. Wenn ich so einen Papa gehabt hätte, dann hätte ich nie mit einem Revolver gespielt oder den anderen Quatsch gemacht. Natürlich war es sicher nicht schön, ihn jeden Tag vor dem Fernseher sitzen zu sehen, vor allem ohne Ton, aber andererseits hat er dir nie eine Abreibung verpasst, die sich gewaschen hat, und er hat so viel Liebe in sich, dass er sie richtig rausschwitzt.»
    «O ja, er ist der allernetteste Papa, den es gibt, aber die Mamas denken an alles, weißt du. Deshalb war meine die ganze Zeit in meinem Kopf.Wenn ich einkaufen gegangen bin, dachte ich mir: ‹Sie würde dies oder das nehmen wegen dem Eisen oder den Vitaminen oder wegen den Kalorien oder weil das eine billiger ist oder weil es das in dieser Jahreszeit gibt›, und wenn ich zu Hause aufgeräumt habe, dachte ich: ‹Sie würde hinter den Möbeln staubsaugen, weil der Staub sich überall versteckt›, und wenn ich das Fenster aufgemacht habe: ‹Dugommier muss sich um ihn kümmern, weil es sonst niemand kann›, und wenn ich ihm die Whiskyflasche aus den Händen genommen und ihn mit der Wolldecke zugedeckt habe: ‹Sie hätte es auch so gemacht. ›»
    «Und Raymond trinkt jetzt nicht mehr?», frage ich und denke an Mama, die mich hinterher immer angeschrien hat, wenn es nicht gleich Schläge gehagelt hat.
    «Nur abends ein Gläschen, wenn er von der Arbeit kommt, aber das kriegt er von mir, nur einen Fingerbreit und ohne Eiswürfel. »
    «Vielleicht trinkt er heimlich wie Michel, der Bärtige, der uns im Wald allein lässt wegen dem, was er ‹natürliches Bedürfnis› nennt. Einmal habe ich ihm nachspioniert, und da habe ich gesehen, was für ein natürliches Bedürfnis das war: eine Dose Bier. Und auch wenn ich ihm nicht nachspioniere, weiß ich es, weil man es riechen kann, wenn er spricht. Das ist ein Geruch zum Ungezieferverscheuchen.»

    «Bei uns geht das nicht, weil ich die Flasche versteckt halte, und im Büro macht Dugommier das Gleiche, und manchmal sagt Papa, wir würden uns hinter seinem Rücken über ihn lustig machen, aber das stimmt nicht, wir tun es nur für ihn. Wir wollen nicht, dass er wieder unglücklich ist.»
    «Du bist sehr tapfer», sagt Camille ganz verträumt.«Wenn mein Papa nicht unterwegs war, dann hat er mehr aus der Flasche getrunken als aus dem Glas, das weiß ich noch. Und Mama wurde dann sehr böse. Sie hat ihr Zimmer abgeschlossen, und er war gezwungen, auf dem Sofa zu schlafen, und sie hat ihn die ganze Zeit angeschrien, dass sie nicht so ein beschissenes Leben führen müsste, wenn sie klug genug gewesen wäre, einen anderen zu heiraten. Sie hat sich nicht die Mühe gemacht, die Flaschen vor ihm zu verstecken. Ich denke mir, dass er besser eine andere geheiratet hätte. Er war kein böser Mensch. Mama hatte viel von ihrer Schwester, sie hatte Hexenblut in den Adern. Sie konnte die Herzen der einsamen Messieurs flicken und Tag und Nacht arbeiten, aber ihre Arbeit hat nur anderen etwas genützt, nicht uns. Sie hat immer auf ihr Schicksal geschimpft und immer Papa die Schuld gegeben. Wenn sie teure Kleider zum Flicken da gehabt hat, hat sie sich ausgemalt, wie es wäre, so etwas anzuhaben. Sie hat immer von einem anderen Leben geträumt, und das Leben, das sie hatte, das hat sie nie gelebt. Sie war nie unfreundlich zu mir, und ich glaube, dass sie mich auf ihre Weise gern gehabt hat, aber wenn sie mich gestreichelt hat, war es so, als würde ein Schmetterling sich kurz auf meine Backe oder auf meinen Arm setzen, mehr nicht. Ich bin immer auf sie zugegangen. Ich habe mich ihr auf die Knie gesetzt, weil ich ein bisschen Zärtlichkeit gesucht habe, dann hat der Schmetterling meine Stirn berührt, und es hieß: ‹Geh schon essen, Mama muss noch arbeiten›, und das war alles.»
    «Hat deine Mama auch nachts gearbeitet?», fragt Victor.
    «Ja, sie konnte nicht aufhören, aber nachts war es eine andere
Arbeit, ohne die Nähmaschine. Nur mit den Fingern und der Zunge.»
    «Und mit Männern?»
    «Ja, offenbar war das für sie entspannend, so ähnlich wie Gymnastik.»
    «Papa hat so eine Frau einmal eingelocht. Er hat mit Dugommier darüber gesprochen. Er war ganz aus dem Häuschen. Er hat gesagt, es wäre eine Frau ‹mit schlechtem Lebenswandel›. Er hat sie nur eine Nacht lang im Kittchen

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