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Autobiografie eines Lügners

Autobiografie eines Lügners

Titel: Autobiografie eines Lügners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Chapman
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So-heit. Die Luft war still, bis auf das Gesumm eines fernen Einsitzers. Woher kam er angereist? Wohin reiste er ab? War es wichtig? Der Geruch frisch gemähten Grases kam in Schwaden vom entfernten Hays Meadow herüber, in der Ferne erklang die Turmuhr, und irgendwo, Meilen über unserer unbedeutenden Erde, fing ein Wölkchen Feuer an der sterbenden Glut der untergehenden Sonne. Sie vereinten sich, um eine Atmosphäre herzustellen, die nach genau diesem Schreibstil duftete.
    Ein schwaches »Klopp« in der Ferne zersplitterte das Gefaser meiner Meditationen. Eine derbe Störung. »Was zum Teufel«, dachte ich. »Dann kann ich genausogut die Mikla Passage unsicher machen, und falls ich den Hauptmann von Montem treffe, wie er ›Salz‹ oder ›Hummer‹ ›sammelt‹, die in den ›Forizien‹ ›Tauschhandel‹ ›treiben‹, dann soll mir das nicht einmal einen Großstädter-›Furz‹ wert sein.«
    Ich radelte an reihenweise elterlichen Rolls-Royces, billig aussehenden Bentleys, Untere-Mittelschicht-Daimlers und Cadillacs NGUK 19 vorüber. In ein paar Tagen würde ich in Nizza sein, neben dem Pool meines Vaters die Sonne in mich aufsaugen, während Jenkins mit einem Tablett voller Wodkatinis bereit stand. Jemand rief: »He! Paß auf, wohin du fährst!« Ich sah mich um, wollte sehen, wer es war, und »Klopp!!!« … Alles wurde beige, mit lila Stückchen an den Rändern. Der beißende Geruch brennenden Gummis, ein Schmerz in der Schulter wie von einem Dolchstoß, wabernde Nebel vor meinen Augen und das ferne Geräusch von Brechern, die am Strand zerschellen –, all das hörte jäh auf.
    »Möchtest du noch ein Sandwich, Liebling?«
    »Was?«
    »Sie sind mit deinem Lieblingssandwichbelag belegt.«
    »Dies ist also Nizza …«
    Ich sehe mich um. Kann das Nizza sein? Wir sitzen in unserem Ford Anglia, mein Vater, meine Mutter und ich, auf der Promenade, und alles, was wir sehen können, ist Regen, grauer Himmel, graues Meer und graue Wellen, die über einen grauen Deich krachen.
    »Was meinst du mit Nizza? Wir sind in Scarborough. Du liest zuviel«, sagt mein Vater. Meine Mutter stimmt ihm zu: »Iß dein Abendessen, das bekommt dir besser.«
    »Ganz recht. Man kommt nicht zu ihm durch, wenn er ein Buch in der Hand hat. Was ist es denn überhaupt?«
    »Ich habe nicht gelesen.«
    »Was ist es denn dann?«
    Mein Vater beugt sich herüber und blickt flüchtig auf ein paar Zeilen des Taschenbuchs, das offen in meinen Händen liegt. Unglücklicherweise wählt er einen Absatz, in dem zwei Centurionen einander im Bett liebkosen. (Für sowas brachten die Ordnungskräfte damals offensichtlich nicht viel Verständnis auf.) Ich wackle ein bißchen und klappe das Buch zu.
    »Es ist ein Geschichtsbuch.«
    »Das ist aber ein etwas komisches Geschichtsbuch. Leg es weg.«
    »Worum geht es da denn, Liebling?« fragt meine Mutter.
    »Nichts, Liebling. Leg es weg, Graham. Laß es deine Mutter nicht sehen.«
    »Was ist es denn?« beharrt sie. Ich wende mich ihr zu und erkläre: »Es heißt Ich, Claudius, Kaiser und Gott , von Robert Graves –, eine schöne Rekonstruktion des Lebens von Claudius, dem Kaiser der römischen Res Publica, der zu seiner Zeit für einen jämmerlichen Narren gehalten wurde, obwohl die Regentschaft, wie Mr Graves sie beschreibt, alles andere als närrisch war.«
    »Ach ja? Tatsächlich? Harrumph!« sagt mein Vater und schließt das Buch im Handschuhfach ein.
    »Graves … Graves … Stammt der nicht aus Wimbledon?« fragt meine Mutter.
    »Nein, das war Tim Graves.«
    »Nein, war er nicht, du erinnerst dich doch noch an die Graves’. Da war Alf, und er hat diese Amalia von Ranke geheiratet, hübsche Frau. Die haben … warte mal … über der Apotheke in der Thurbid Street gewohnt, gegenüber von den Gantlets.«
    »Die Gantlets habe ich noch nie leiden können –, dieser stinkige Corgi. Hätten ihn einschläfern lassen sollen.«
    »Stimmt. Armes Tier. Seine Hinterbeine haben nicht funktioniert. Egal, iß dein Abendessen auf. Wir sollten dann mal los und Mrs Riches ihren Schellfisch besorgen.«
    »Das hat später auch noch jede Menge Zeit. Thraxted macht erst um fünf dicht.«
    »Dann gibt es bestimmt keinen Schellfisch mehr.«
    »Na, dann hol eben Heilbutt.«

    »Es heißt Ich, Claudius, Kaiser und Gott .«
    »Mrs Riches hat ausdrücklich Schellfisch gewollt.«
    »Schellfisch, Heilbutt, Dorsch –, ist doch gar kein Unterschied. Ist doch alles Fisch. Sitzen wir einfach noch ein bißchen hier und

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