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Autobiografie eines Lügners

Autobiografie eines Lügners

Titel: Autobiografie eines Lügners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Chapman
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Minuten später erschien er, im Lichtkleid, in der Uni.
    Etwas tiefinnerst in meiner Seele sagte mir, daß dies Medizin war.

    Es war der Evening Standard
    Um mein mageres Stipendium aufzubessern, beschloß ich, etwas Kabarett zu machen. Voller Zuversicht, da wir alte Rampenlichter waren, gingen Tony Hendra und ich in den Blue Angel zu einem Vorsprechen. Wir wählten den Blue Angel, weil er einer der Nachtklubs mit der besten Revue war, und weil wir in The Stage  – in einer Anzeige, die nach Pfeifen im Dunkeln klang – gelesen hatten, daß sie David Frost da für einen »zweiten umjubelten Monat« festgehalten hatten. Wir wurden jedoch nach dem Vorsprechen genommen und waren innerhalb von zwei Wochen die Hauptattraktion, was bedeutete, daß wir nie vor zwei, halb drei mit unserer Nummer anfangen konnten, was wiederum bedeutete, daß ich nie vor halb vier zurück ins College kam, wo ich wiederum spätestens um halb neun aufstehen mußte, damit ich um neun bei der Visite dabei sein konnte. Nach weiteren fünf Wochen war mir die Prozedur zu anstrengend, und wir verließen den Blue Angel, wo uns ein vielversprechender junger Mann namens Dave Allen folgte.
    Wir fanden im Klub von Edmundo Ros ein lukrativeres und zeitlich bequemer zu bewältigendes Engagement, welches künstlerisch allerdings weniger erfolgreich war, weil die Gäste sich mehr für die Serviererinnen als für zwei komische Typen interessierten. Am lebhaftesten erinnere ich mich bei diesem Klub an zwei Dinge, erstens kostete Coca Cola umgerechnet zwei Pfund die Flasche, und zweitens sagte eine »Serviererin« nach einem intimen Tête-à-Tête zu ihrer Kollegin: »Sieh dir das an, der dämliche alte Sack ist weggegangen und hat mir einen Diamantring geschenkt.« Ich sah dem armen, dicken, traurigen Geschäftsmann zu, wie er hinaushastete …
    Bei einer anderen Gelegenheit kletterte ein betrunkener Offizier des Garderegiments – aus denen sich unsere Gästeschaft zu etwa fünfzehn Prozent zusammensetzte –, der uns und das gesamte Publikum mit seinen unpassenden undunverständlichen Unterbrechungen genervt hatte, auf die Bühne, so daß Tony Hendra ihm eine runterhauen konnte, wovon der Offizier k. o. ging. Wir setzten unsere Nummer unter dem donnernden Beifall des Publikums fort.
    All dies verhalf mir zu dem nötigen Geld für eine Bergsteigerausrüstung, die ich an kurzen Wochenenden im Peak District und im Urlaub in Schottland tragen konnte, und ich konnte natürlich mit der Sore am Tresen ganz anders disponieren. Später, als es etwas eng wurde, schloß ich mich dem Ensemble der Revue Cambridge Circus an, als sie vom Arts Theatre ins Lyric in der Shaftesbury Avenue umzog –, doch von dieser Revue später mehr.
    Aber ich war nicht nur am St Swithin’s Hospital, um im Nachtkabarett und in Revuen für das West End aufzutreten, ich half auch, die jährlichen Konzerte der Hippocras Society anzuleiern und die weihnachtlichen »Stations-Shows« zu organisieren. Letztere waren eine erstklassige Entschuldigung, um einer Familienweihnacht zu entkommen. Ich konnte mich den anderen Jungs anschließen, wir wanderten von Station zu Station und versorgten die Todgeweihten großzügig mit Bier vom Faß, welches bequem auf fahrbaren Krankenliegen transportiert wurde. Das Pflegepersonal, besonders die große Matrone, machte teilweise Einwände gegen diese ausgelassene Feierei geltend, störte sie doch die Krankenhausabläufe und wirkte sich in bestimmten Fällen, wenn von Zuschauern auf Betten herumgetrampelt wurde, schädlich auf das Wohlbefinden der Patienten aus, aber wenn ich krank genug wäre, um über Weihnachten im Krankenhaus zu sein, könnte ich mir keine bessere Atmosphäre zum Abkratzen vorstellen: Krankenschwestern mit lustigen Hütchen, mit Stechpalme dekorierte Urinflaschen, Mistelzweig am Infusionsbeutel, allgemeine Bacchanalien.
    Vom Entertainment abgesehen, hatte die Medizin noch einen weiteren Aspekt.
    Leichen war ich gewohnt, aber jetzt mußte ich mich mit lebendigen Menschen beschäftigen. Das war eine weitere Hürde, die es zu überwinden galt, und ich erinnere mich, wie uns an meinem ersten Tag als »Dekorateur« oder Assistent von einem ausgewachsenen Medizinalassistenten die Blutabnahme von Patienten beigebracht wurde. Er schlug vor, daß wir alle einander Blut abnahmen, und teilte uns paarweise auf, so daß man seinem Partner 5 Milliliter Blut abzapfte, der einem dann 5 Milliliter Blut abzapfte. Glücklicherweise ging der

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