Autobiografie eines Lügners
hatte die störenden Sichtblenden beiseite geräumt und ein unerwartetes Tableau enthüllt, welches den Hochwohllöblichen Chefarzt Professor Doktor zeigte, wie er einem Jungen die, äh, Haare wusch. Dieser Vorfall konnte als dem Gesetz, welches die zärtliche Hingabe, wie sie medizinisch geschulte Erwachsene medizinisch nicht geschulten Erwachsenen angedeihen lassen, regelt, zuwiderlaufend interpretiert werden.
Fragen wurden gestellt.
Dies führte zu Szenen, die zornige Eltern dem Krankenhausvorstand machten. Ich fand diesen ganzen Vorfall moralisch abstoßend. Was bildeten diese Leute sich ein? Typischer Fall von Amtsmißbrauch. Durch die Eltern. Wenn es nach mirginge, würden diese Eltern eingesperrt und fromme Schwestern erschossen. Glücklicherweise setzte sich der Vorstand nicht aus Schranklesben zusammen, und die ganze Angelegenheit wurde mit dem gebotenen Augenmaß betrachtet.
John Cleese, der gerade in Cambridge ziemlich pampig mit Eins bis Zwei bestanden hatte, suchte irgendwas, wo er in London schlafen konnte, während er für die BBC Sachen wie Yule Be Surprised schrieb, eine Weihnachtssendung für Dick Emery. Ich war mit dem Stellvertretenden Rektor, Buzz Mangrove, sehr befreundet, und es war mir gelungen (auf dem schwarzen Markt), einen Generalschlüssel für alle Zimmer im Wohntrakt zu finden, und ich wußte, daß es mehrere leerstehende gab. Ich gab John den Schlüssel und schlug vor, daß er in das Zimmer zog, in dem normalerweise ein Mensch namens Nick Spratt wohnte. Nick Spratt nun war ein direkter, aber entfernter Nachfahr von Sir Percival Spratt, dem ersten Chirurgen, der wirklich Chirurg war und kein Bader.
Ich hatte Nick in Cambridge als Präsidenten des Bergsteiger-Klubs kennen gelernt und wußte, daß er zum fraglichen Zeitpunkt als der Arzt einer Grönland-Expedition unterwegs war. Er war sehr athletisch und nahm immer am Wettgehen der Krankenhäuser von London nach Brighton teil. In seinem letzten Jahr im St Swithin’s machte er eine Vertretung, entschied aber, die Strecke, anstatt sie zu verpassen, hin und zurück zu laufen, so daß er um acht Uhr morgens wieder in der Klinik war. Er kam rechtzeitig um halb sieben für eine Tasse Kaffee und eine Klappstulle mit Speck, nachdem er so gerannt war, daß Roger Bannister ganz schön naß aussah. Er war die Verkörperung englischen Elans –, mutig, freundlich und dumm. 32 Er sagte »yup«, wenn es ein »yes« auch getan hätte.
Bei der Grönland-Expedition hatte Nick einen Unfall. Er leitete von unten die Besteigung eines Gipfels, und während er zur übrigen Gruppe hochgeseilt wurde, fiel er durch eine dünne Schneeschicht, die eine Gletscherspalte bedeckt hatte. Er fiel etwa zwanzig Meter, bevor das Seil ihn stoppte, und seine einzige Reaktion war, daß er seinem Partner zurief: »Äh, ämm, bei dir alles klar?« Sein Partner zerrte ihn aus der Spalte, er kehrte früher als erwartet nach England zurück und fand einen schlafenden John Cleese auf seiner Stube vor. Aber da er ein Gentleman war, trat er ein, sagte: »Äh, ämm, yup … äh, tut mir leid!« ging hinaus und schlief im Bad.
Buzz Mangrove, ebenfalls ein Gentleman, erwähnte mir gegenüber, Mr Cleese sollte vielleicht beginnen, über eine anderweitige Unterkunft nachzudenken. Buzz war zu der Zeit 1 , 52 Meter groß, und ich habe keinen Grund zu der Annahme, daß er inzwischen gewachsen ist. Und außer daß er Stellvertretender Rektor des Schlaftrakts war, diente er dem Manne, den sie die Bestie nannten ( vide supra ), als Oberarzt. Die Bestie war Chefchirurg und maß ohne Schuhe und minus leuchtendrote Haare 1 , 93 Meter, was bedeutete, daß Buzz bei Operationen auf einer Kiste stehen mußte. Die Bestie machte alles, die Bestie war der letzte der heroischen Chirurgen. Er erfüllte die Menschen mit einem solchen Vertrauen in seine Fähigkeiten, daß Patienten praktisch flehten, sich von ihm ganze Lebern entfernen lassen zu dürfen. Ich erinnere mich besonders an einen Tag, an dem die Bestie operierte und zu Buzz sagte, er, die Bestie, habe ein malignes Melanom (eine ganz besonders unartige Sorte Krebs) an seinem, der Bestie, großen Zeh. Er stieg auf den Operationstisch und bat Buzz, ihm den Zeh zu amputieren. Buzz wollte nicht, aber die Bestie insistierte, er, die Bestie, sei im Recht. Der Zeh wurde entfernt, und aus der Pathologie kam der Befund »Blutblase«.
Buzz hatte auch insofern ein Problem, als ein Student, der aus Oxford gekommen war und allgemein als »TCP«
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