Autobiografie eines Lügners
bekannt war, weil er die Gewohnheit hatte, in dem Zeug zu baden, ein Reinlichkeitsfetischist war. Vier tägliche Bäder in unverdünntem TCP 33 hatten ihm am ganzen Körper einen knallroten Phenol-Ausschlag verliehen, und man konnte ihn auf vierhundert Meter riechen. Im Aufzug sagten die Leute: »Was ist das für ein merkwürdiger Geruch?« wenn sie am 2 . Stock vorbeikamen, obwohl TCP drei Etagen höher wohnte. Vor seiner Wohnungstür fanden sich große TCP-Flaschen, und im Badezimmer hatte er sogar TCP-Zahnpasta. Er war der sauberste Mann der Welt, aber nicht der gesündeste.
Zu seinem Unglück sollte er an seinem ersten Tag im Operationssaal Buzz Mangrove und der Bestie assistieren. Die Bestie war, nachdem sie vor einer Horde zu Besuch weilender griechischer Chirurgen geprotzt hatte, aus dem Operationssaal marschiert und hatte Buzz zum Zunähen zurückgelassen. Der arme TCP, der bereits anderthalb Stunden vorher hätte da sein sollen, war nicht da. Nicht, weil er zu spät im Operationssaal eingetroffen wäre, sondern weil das obligatorische Händeschrubben bei ihm so sorgfältig erfolgte, daß es eine halbe Stunde dauerte anstatt der empfohlenen fünf Minuten. Seine Angst vor Keimen nahm ihn so mit, daß er jedesmal, wenn er den Operationssaal betrat, schlotterte und sich auf diese Weise an den Röntgenapparaturen, Anästhesievorrichtungen und an Teilen der Wand desterilisierte. Dann schickte ihn die Operationssaalschwester zum Abschrubben weg. Die Bestie war fort, aber bevor Buzz den Patienten zunähte, wollte er TCP zeigen, was die Bestie gemacht hatte. Er öffnete die Retraktoren, damit TCP freie Sicht auf die feine chirurgische Arbeit hatte, die dort geleistet worden war –, eine portokavale Anastomose oder operative Verbindung zwischen Pfortader und unterer Hohlvene bei intraheptischem Block der Pfortader. TCP sah in den klaffenden Unterbauch, und PLOPP! fiel seine Brille mitten in die Wunde. Buzz und der übrige Operationssaal bekamen das Hysterische –, während der arme TCP, dessen Brille sauberer gewesen sein muß als jede andere Brille auf Erden, von zwei Pflegern in die Psychiatrie getragen wurde.
Der Anästhesie-Facharzt im St Swithin’s war ein großartiger Charakterkopf namens James Grimsdyke. Er war der Original-Grimsdyke in Richard Gordons »Doktor«-Büchern, und die beiden haben einige Zeit miteinander studiert.
Eine extrem reiche Tante hatte ihm £ 1000 , – jährlich hinterlassen, bis zu seinem erfolgreichen Studienabschluß. Er hatte die unbeabsichtigten Möglichkeiten dieses Testaments erkannt und verbrachte dreizehn Jahre ohne Studienabschluß. Er unterhielt eine Meute Jagdhunde und betrieb eine Bridge-Schule, erschien nie in Vorlesungen und achtete darauf, daß keins seiner Experimente glückte. Unglücklicherweise holte ihn der II. Weltkrieg ein. 1939 hätten sie jeden bestehen lassen, und weil er den Studiengang Anästhesie länger belegt hatte als irgendjemand zuvor in der geschichtlich erfaßten Vergangenheit, wurde er sofort Leitender Anästhesie-Facharzt im Befehlsbereich Indien. Er war ein großer Erfolg.
Später kehrte er als genau das heim, ans St Swithin’s. Seine sorgfältig einstudierte, aber offensichtlich kavaliersmäßige Herangehensweise an das Leben machten ihn zur Berühmtheit. Patienten liebten ihn wegen der Zuversicht, die er ausstrahlte; Chirurgen liebten ihn, weil Patienten unter seiner Obhut nicht bluteten.
Er war Meister darin, den Blutdruck so niedrig zu halten, daß verzagtere Anästhesisten es für gefährlich gehalten hätten. (Er hatte Guedels fünf Stadien und zweihundert Ebenen der Betäubung zu dreien verdichtet: 1 . wach; 2 . schlafend; 3 . tot.) James war Stilist, geschickter Handwerker und Gentleman-Arzt, und für die Studenten einer der zugänglichsten Berater.
Ich war einen Monat lang mit Anästhesie dran. Alistair McMaster, ein großer, aber kompakter Schotte, und ich waren James zugeteilt worden, um in der Kunst, wie man Menschen in den Schlaf bringt, unterwiesen zu werden. In der Nacht, bevor wir anfingen, hatte das Rugby Club Dinner stattgefunden, und wir hatten uns alle an den wenigen Orten, die uns noch kein Lokalverbot ausgesprochen hatten, prächtig amüsiert. Ich sollte mit James am nächsten Morgen um acht im Operationssaal sein. Ich wachte um halb neun auf, kotzte und rannte zum Krankenhaus.
Alistair war bereits da, sah ein bißchen weiß aus und schob seinen Patienten in den Saal. Ich entschuldigte mich für mein spätes
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