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Autobiografie eines Lügners

Autobiografie eines Lügners

Titel: Autobiografie eines Lügners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Chapman
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gottverdammte Scheißzeitverschwendung«, dachte ich drei Jahre später, als ich auf Ibiza war, David in einem Zelt umarmte und mich befreiter und froher fühlte als je zuvor im Leben. Da wurde mir klar, daß es nicht immer Frauen zu sein brauchten und daß Schuldgefühle die Waffe sind, die eine konfuse Gesellschaft einsetzt, um zu verhindern, daß die Menschen Spaß haben. »Die ganze Welt liebt den, der liebt.« Was für eine Kacke! Selbst in den sexuell befreiten Siebzigern mußten sich junge Leute immer noch besaufen oder bekiffen, um das zu tun, was sie eigentlich wollten.
    Meine eigene Strategie im Kampf gegen Schuldgefühle bestand darin, loszulegen und das zu tun, um dessentwillen ich mich immer und immer wieder schuldig fühlte, und am nächsten Morgen immer noch, wenn mir danach war –, eine Anti-Aversions-Therapie-Therapie, die allerdings ein leberzerrüttendes Ausmaß an Trinken erforderte.
    Auf dem Weg von Auckland nach Hongkong machten wir ein paar Tage lang in Sydney Station, welches sich, wenn man es mit irgendeiner Stadt in Neuseeland vergleicht, ausnimmt wie Gomorrha …, oder war es Sodom? Nein, war es nicht, scheiß drauf.
    John, Tim und ich wurden in Hongkong von der Witwe eines reichen Arztes abgeholt, deren Sohn, Benny Chi Ping Lee, mit mir am St Swithin’s in der Bar trainiert hatte. Wir wurden überaus gut behandelt, bekamen ausnehmend gutes Essen, vom authentisch chinesisch aussehenden chinesischen Dienstmädchen gekocht, und mit einem Lakai, der jedem den Hund aufhob, der ihn, den Hund, streicheln wollte. Wir machten nicht oft Gebrauch von diesem Service, weil es ein sehr böser Hund war. Mrs Lee nahm uns zum Cocktail in die besten Hotels und in laternenbeleuchtete schwimmende Restaurants mit, wo es richtig frische Fische gab, die außenbords in Käfigen schwammen. Man deutete auf den, den man mochte oder haßte, und der wurde dann, egal, wie man wollte, geschlachtet. Ich ließ mir einen meiner Fische in einer Weißweinsauce mit grünem Ingwer schlachten, obwohl es die Füllung aus feingehackten Schalotten, gerösteten Mandeln und Zitronensaft war, die ihm wirklich den Rest gab. John Cleese’ Fisch war so frisch, daß er ihm mit einer leeren Sakeflasche auf den Kopf hauen mußte, bevor er einwilligte, sich runterschlucken zu lassen. Wir beschränkten uns auf neunundzwanzig weitere Gänge und sieben Flaschen Erdbeerlikör, und dann, wie an den meisten Abenden, reisten wir mit Rikschas durch die Stadt, schmähten die Eingeborenen, platzten auf eine schnelle Nummer in Nachtklubs, aber hallo!, dann ab ins Hilton, wo wir zum Abendessen auf lederbezogenen Nachtstühlen mit Blick auf die authentisch armseligen Sampans Platz nahmen, die genauso aussahen wie die auf der Broschüre der British Airways. 41
    An unserem letzten Tag durften wir allein durch die Straßen streunen, während Mrs Lee einkaufen ging, und wir bemerkten bald, daß neunundneunzig Komma neun Prozent der Bevölkerung nicht so total übermäßig reich waren. Tatsächlich lebten drei Millionen von ihnen auf winzigen Booten, so groß wie ein mittleres Gurkenbeet, mit zerfetztem Linoleum statt Glas. Wenige Sampans, die mit den unzerfetzten Dächern, gehörten dem chinesischen Äquivalent der Mittelschicht. Diese Familien waren dadurch »wohlhabend« geworden, daß sie ihre Körperöffnungen an ausländische Touristen verkauften. Und als ich einen 8 -Millimeter-Film mit dem Tiel Ein Besuch in Hongkong von G. Chapman vorführte, fand ich es ziemlich schwierig, meiner Mutter zu erklären, was all die kleinen Kinder machten, die mir den Rücken zukehrten und sich auf den Po patschten.
    Es war unser letzter Tag in Hongkong, fuck , und das, entschieden Tim und ich, sollten wir tun. Während sich John schon wieder eine Kamera kaufte, erklärten wir Mrs Lee, daß wir ein paar Briefe einstecken müßten und »in ein paar Minuten« beim Kameraladen zu ihr stoßen würden. Wir rannten die Straße hinunter und fanden den japanischen Massagesalon, den wir beide noch nie bemerkt hatten. Wir rannten treppauf und kamen an eine Tür mit einem winzigen Guckloch. Tim wollte weg, ich auch, aber weil ich blöd bin, drückte ich auf die Klingel. Jemand sah uns an. Inzwischen kicherte Tim –, teils vor Angst, teils weil er vielleicht bald den Pimmel gerubbelt kriegte. »Bring bring bring!« machte die Klingel, weil Klingeln das in dummen Schilderungen wie dieser immer machen. Die Tür ging auf. »Quietsch quietsch« machte sie, wieder wie immer, und

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