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Autofab

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Titel: Autofab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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lieber?«
    »Verdammt, nein«, gestand Anderton freimütig. »Aber das wäre insgesamt das kleinere Übel. Und irgend jemand muß es ja schließlich machen.«
    »Mir ist nicht ganz klar, wie Sie Kaplan umbringen wollen.«
    Anderton holte die schwere Militärwaffe hervor, die Fleming ihm zugeworfen hatte. »Damit.«
    »Und die werden Sie nicht daran hindern?«
    »Wieso sollten sie? Die haben doch den Minderheiten-Bericht, in dem steht, daß ich’s mir anders überlegt hab.«
    »Dann ist der Minderheiten-Bericht also inkorrekt?«
    »Nein«, sagte Anderton, »der ist völlig korrekt. Aber umbringen werde ich Kaplan trotzdem.«

    IX

    Er hatte noch nie einen Menschen umgebracht. Er hatte noch nicht einmal gesehen, wie ein Mensch umgebracht worden war. Und er war dreißig Jahre Polizeichef gewesen. Die heutige Generation hielt vorsätzlichen Mord für ausgestorben. So etwas gab es einfach nicht.
    Ein Streifenwagen brachte ihn bis auf einen Block an die Armeekundgebung heran. Dort, im Halbdunkel des Wagenfonds, prüfte er gewissenhaft die Pistole, die Fleming ihm besorgt hatte. Sie schien zu funktionieren. Eigentlich gab es keinen Zweifel, wie die Sache ausgehen würde. Er wußte ganz genau, was in der nächsten halben Stunde passieren würde. Er setzte die Pistole wieder zusammen, öffnete den Verschlag des geparkten Wagens und stieg vorsichtig aus.
    Niemand schenkte ihm auch nur die geringste Beachtung. Wogende Menschenmassen drängten begierig nach vorn, um in Hörweite der Kundgebung zu gelangen. Es waren überwiegend Armeeuniformen zu sehen, und am Rande des geräumten Geländes wurde eine Reihe von Panzern und größeres Kriegsgerät zur Schau gestellt – ein fürchterliches Waffenarsenal, das nach wie vor produziert wurde.
    Die Armee hatte ein Rednerpodium aus Metall mit einer Treppe errichtet. Hinter dem Podium hing das riesige AFWA-
Banner, Symbol der vereinigten Streitkräfte, die im Krieg gekämpft hatten. Aufgrund einer kuriosen Zeitkorrosion gab es im Veteranenbund der AFWA auch Offiziere, die in Kriegszeiten dem Feind gedient hatten. Doch General war General, und im Lauf der Jahre waren die feinen Unterschiede verblaßt.
    Die ersten Sitzreihen waren mit den hohen Tieren des AFWA-Kommandos besetzt. Hinter ihnen saßen die untergeordneten Offiziere. Überall wirbelten Truppenstandarten, eine Vielzahl von Farben und Symbolen. Im Grunde glich das Ereignis immer mehr einem Festzug. Auf dem erhöhten Podium saßen streng dreinblickende Würdenträger des Veteranenbundes, allesamt gespannt vor Erwartung. Links und rechts am äußersten Rand warteten beinahe unbemerkt ein paar Polizeieinheiten, anscheinend um die Ordnung zu wahren. In Wirklichkeit handelte es sich um Informanten, die Beobachtungen anstellten. Wenn hier einer die Ordnung wahrte, dann war es die Armee.
    Der Spätnachmittagswind trieb das gedämpfte Geschrei vieler Menschen vor sich her, die eng beieinander standen. Als Anderton sich einen Weg durch den dichtgedrängten Pöbel bahnte, versank er im undurchdringlichen Menschengewühl. Ein heftiges Gefühl der Vorfreude hielt alle auf den Beinen. Die Menge schien zu spüren, daß sich etwas Spektakuläres anbahnte. Mühsam zwängte sich Anderton an den Sitzreihen vorbei und hinüber zu dem dichten Pulk von Armee-Funktionären am Rand der Tribüne.
    Kaplan war auch unter ihnen. Aber hier war er General Kaplan.
    Die Weste, die goldene Taschenuhr, der Stock, der konservative Straßenanzug – das alles war verschwunden. Für diesen Anlaß hatte Kaplan seine alte Uniform aus der Mottenkiste geholt. Aufrecht und imposant stand er da, umringt von seinem ehemaligen Generalstab. Er trug seine Streifen, seine Metallabzeichen, seine Stiefel, sein kurzes Zierschwert und seine Schirmmütze. Es war verblüffend, wie stark eine spitze Offiziersschirmmütze einen Mann mit Glatze doch veränderte.
    Als er Anderton bemerkte, löste General Kaplan sich von der Gruppe und ging dorthin, wo der Jüngere jetzt stand. Sein schmales, bewegliches Gesicht verriet, wie unglaublich erfreut er darüber war, den Polizeichef zu sehen.
    »Das ist ja eine Überraschung«, meinte er zu Anderton und streckte seine kleine, grau behandschuhte Hand aus. »Ich hatte den Eindruck, der amtierende Commissioner hätte Sie gefaßt.«
    »Ich bin immer noch draußen«, antwortete Anderton knapp und schüttelte Kaplan die Hand. »Schließlich hat Witwer genau dasselbe Band.« Er deutete auf das Päckchen, das Kaplan
    mit stählernen Fingern

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