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Medusa eine ähnliche Attrappe errichten würde, um dem Schiff eine andere Silhouette zu verleihen und es damit für mögliche Verfolger nur schwer identifizierbar zu machen. Vermutlich würde auch ein neuer Schiffsname an seinen Bug gepinselt werden. Auf diese Weise konnten die Piraten am nächsten Morgen unbehelligt einen sicheren Hafen anlaufen. Der Kapitän betastete die schmerzende Stelle an seinem Hinterkopf. Gleichzeitig fragte er sich, was er wohl den Libyern erzählen sollte, wenn sie am vereinbarten Treffpunkt auftauchten und wissen wollten, was mit der Waffenlieferung geschehen war. Da ihm darauf keine vernünftige Antwort einfiel, befahl er seinen Männern, sich ordentlich in die Riemen ihrer Rettungsboote zu legen. Doch wohin sollten sie rudern? Hauptsache, sie kamen weg von hier. Weg von den Libyern, die bekanntlich keine langen Fragen stellten und nicht lange fackelten.
Wieder voll bei Bewußtsein, versuchte Erika erst einmal, einen klaren Kopf zu bekommen und die Vielzahl der neuen Informationen in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Saul erzählte ihr in aller Ausführlichkeit, wie er sich mit Drew und Arlene zusammengetan hatte und was nach ihrer Entführung passiert war. Ihre anfängliche Verwunderung machte zunehmend schockierter Bestürzung Platz, je weiter Saul in seiner Erzählung fortschritt.
»Ein Killerkommando? Mein Vater und all diese anderen Männer - lauter Siebzigjährige - sind untergetaucht, weil sie sich an diesen Nazi-Kriegsverbrechern rächen wollen?« »Falls sie es wirklich dabei bewenden lassen.« »Haben sie denn noch Schlimmeres im Sinn?« An diesem Punkt ergriff Drew das Wort. »Eiszapfen hat von Nacht-und-Nebel-Aktionen gesprochen. Damit meinte er allerdings nicht die Nacht-und-Nebel-Aktionen der Nazis, sondern... Kurzum, wir nehmen an, daß Ihr Vater und seine Gruppe sich keineswegs damit zufrieden gegeben haben, sich lediglich an diesen alten Nazis zu rächen. Vermutlich weiten sie ihre Aktionen sogar auf deren Nachkommen aus, um tatsächlich Gleiches mit Gleichem zu vergelten.«
Plötzlich kam Erika eine Idee. Sie stemmte sich auf dem Bett hoch. »Es geht ihnen also darum, die Väter noch zusätzlich zu quälen, indem sie auch ihre Söhne terrorisieren? Demnach müssen die Väter also noch am Leben sein. Sonst hätte das Ganze doch gar keinen Sinn. Diese alten Nazis sollten wissen, daß auch ihre Kinder bedroht sind. Das Wissen, daß ihre Angehörigen ihretwegen zu leiden haben, sollte ihre Qualen noch vergrößern. Es muß also noch eine Chance bestehen, meinen Vater und seine Helfer von ihrem Vorhaben abzubringen, bevor es zum Äußersten kommt.«
Mit einem anerkennenden Lächeln bemerkte Drew: »Saul hatte recht, Sie sind tatsächlich eine außergewöhnlich intelligente Frau. Es besteht demnach noch die Möglichkeit, das Schlimmste zu verhindern. Damit will ich keineswegs sagen, daß diese Nazi-Verbrecher nicht bestraft werden sollen. Aber das ist eindeutig nicht die Aufgabe Ihres Vaters und seiner Freunde; über diese Männer das Urteil zu sprechen, muß ausschließlich einem ordentlichen Gericht überlassen bleiben.«
»Aber wie...?« Erika war aus dem Bett aufgestanden, doch jetzt taumelte sie und streckte ihren Arm aus, um sich am Bett abzustützen.
»Alles in Ordnung?« Saul eilte auf sie zu und schlang seinen Arm um sie.
Sie lächelte Saul dankbar an, um dann den Satz mit neuer Kraft zu Ende zu sprechen. »Aber wie sollen wir meinen Vater daran hindern, das Äußerste zu tun?«
»Dein Vater wurde zum letztenmal in Toronto gesehen«, stieß Saul hastig hervor. »Dort lebt auch Halloway. Fühlst du dich wieder kräftig genug für den anstrengenden Flug nach Kanada?«
»Selbst wenn dem nicht so wäre, würde ich darauf mit Ja antworten. Für meinen Vater würde ich alles tun.«
»Fühlst du dich denn wirklich kräftig genug?«
»Natürlich. Sieh zu, daß du zwei Tickets für die nächste Maschine nach Toronto bekommst.«
»Vier«, korrigierte sie Drew.
Erika warf ihm einen verwunderten Blick zu.
Arlene, die bis dahin schweigend zugehört hatte, trat nun vor. »Drew hat vollkommen recht. Ihr Mann soll vier Tickets besorgen. Wir kommen mit.«
»Aber das...«
»... geht doch uns nichts an? War es das, was Sie sagen wollten?«
»Natürlich ist das nicht Ihr Problem.« Erika zuckte hilflos mit den Schultern. »Das mag vielleicht etwas unhöflich ge-klungen haben, aber es war keineswegs so gemeint. Schließlich ist es nicht Ihr Vater.«
»Das ist
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