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außergewöhnlichen Fähigkeiten zusammentaten, würde ihnen die Gegenseite nichts Gleichwertiges entgegensetzen können. Sie würden auf jeden Fall den Triumph davontragen - indem sie entweder ihre Väter wiederfanden oder Rache für sie nahmen.
Eiszapfen schüttelte Seths trockene, kalte Hand, um sich dann wieder Halloway zuzuwenden. »Womit sollten wir Ihrer Meinung nach den Anfang machen?«
»Nehmen Sie sich den gemeinsamen Nenner vor. Unsere Väter haben es tunlichst vermieden, miteinander zu verkehren. Sie haben zwar die Verbindung untereinander nicht vollständig abreißen lassen, um sich in Gefahrensituationen gegenseitig helfen zu können, aber sie haben ihre Vergangenheit streng geheimgehalten. Sie haben Tausende von Kilometern voneinander entfernt gelebt. Dennoch haben ihre Feinde sie aufgespürt.«
»Das war doch auch nicht weiter schwierig«, warf Eiszapfen ein. »Der Feind brauchte doch nur einen unserer Väter ausfindig zu machen und dem Betreffenden dann ein Wahrheitsserum einzugeben, um von ihm zu erfahren, wo die übrigen sich aufhielten. Hinsichtlich dieses Gefahrenpunkts in ihrer Abmachung hatte mein Vater schon immer ernsthafte Bedenken.«
»Aber gerade dieser Gefahr wurde in der Abmachung doch vorgebeugt«, erklärte Halloway. »Jedes Mitglied der Gruppe wußte immer nur über den Aufenthaltsort eines anderen Gruppenmitglieds Bescheid. So wußten zum Beispiel Ihr Vater und der Seths absolut nichts voneinander. Falls der Feind also einen Vater aufgespürt und ihm entlockt hätte, was er wußte, hätte der Feind sich dann den nächsten Mann vornehmen müssen, und dann den nächsten und so weiter, bis sie schließlich allen Mitgliedern der Gruppe auf die Spur gekommen wären.«
»So war es aber nicht«, warf Seth ein.
»Einige Mitglieder der Gruppe sind gleichzeitig verschwunden«, resümierte Halloway darauf. »Außerdem ist damit noch immer nicht die Frage geklärt, wie der Feind den ersten Mann gefunden hat, der verschwunden ist. Nein.« Halloways Stimme belegte sich plötzlich. »Unsere Väter haben sich nicht gegenseitig verraten. Die hierfür nötigen Informationen müssen von außerhalb der Gruppe gekommen sein.«
»Aber wie?«
»Das habe ich Ihnen doch bereits gesagt - durch den gemeinsamen Nenner. Durch den Mann, der über alle von ihnen Bescheid wußte. Auch er war eine Art Vater. Der Pater. Kardinal Pavelic.«
Plötzlich fiel Eiszapfen wieder ein, was Kessler in Sydney als letztes zu ihm gesagt hatte. »Kardinal Pavelic! Er ist ebenfalls verschwunden.«
»Versuchen Sie herauszufinden, was aus dem Kardinal geworden ist, und Sie werden erfahren, was aus meinem Vater geworden ist«, erklärte Halloway. »Und aus Ihrem und aus...«
»Meinem«, fiel Seth ein. »Und aus den Vätern aller anderen.«
Das Grauen, das Grauen<
1
Wien. Saul hielt sich mit dem kleinen Christopher an seiner Hand respektvoll im Hintergrund, während Erika sich im Wohnzimmer ihres Vaters umsah. Die Wohnung lag im ersten Stock eines Reihenhauses in einer ruhigen, von Bäumen gesäumten Straße unweit der Donau. Draußen regnete es in Strömen, und in der Wohnung war es so düster, daß Misha Pletz Licht gemacht hatte, obwohl es erst früher Nachmittag war.
Der Raum war einfach eingerichtet - mit einem Schaukelstuhl, einem Sofa, einem Couchtisch, einem einfarbigen dunklen Teppich und einem Wohnzimmerschrank mit Fotos von Erika, Christopher und Saul. Saul konnte nirgendwo ein Rundfunkgerät oder einen Fernseher entdecken, dafür waren die Wände von hohen Bücherregalen gesäumt, die vor allem Biographien und Geschichtswerke enthielten. Hätte ein unvoreingenommener Beobachter einen Blick in die Wohnung geworfen, wäre er wohl kaum auf die Idee gekommen, daß Erikas Vater, ein ehemaliger Mossad-Agent, vom Staat Israel eine durchaus angemessene Pension ausbezahlt bekam. Diese Rente hätte es ihm durchaus gestattet, sich etwas großzügiger einzurichten. Doch nach dem Tod seiner Frau vor fünf Jahren hatte Joseph Bernstein sich allen überflüssigen Besitzes entledigt und sich für ein Leben in asketischer Bescheidenheit entschieden. Der einzige Luxus, den er sich leistete, war die morgendliche und abendliche Tasse heißer Schokolade in einem kleinen Cafe an der Donau. Und das gelegentliche Pfeifchen, dessen unverkennbarer Tabakgeruch noch immer in der verlassenen Wohnung hing. Saul selbst hatte nie geraucht, trotzdem schnupperte er begierig den angenehmen Duft ein.
In der Wohnung war zwar nirgendwo ein Foto
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