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vornüber.
Gleichzeitig setzte der Pockennarbige zu einem Schlag gegen Sauls Kopf an.
Doch jetzt gewannen Sauls alte Kämpferinstinkte die Oberhand über seine Überraschung und seine Schmerzen. Blitzschnell wirbelte er herum, um dem Schlag auszuweichen und gleichzeitig seine Handfläche gegen die Schulter des Angreifers vorschnellen zu lassen. Das Gelenk knackte.
Stöhnend ging der Pockennarbige mit ausgerenkter Schulter zu Boden.
»Sie Vollidiot!« fuhr Saul ihn wütend an. »Ich hätte Sie problemlos umbringen können!«
Im selben Moment gellte ein Schuß durch den Park. Eine Kugel schlug in einen der Stützpfeiler des Pavillondachs. Saul warf sich zu Boden.
Er kam neben dem Pockennarbigen zu liegen, der sich unter heftigen Schmerzen seine Schulter hielt. Zwischen zusammengebissenen Zähnen stieß er leise hervor: »Willkommen beim alten Schattenspiel, Romulus. Los, verschwinden Sie schon von hier.«
»Dieser Heckenschütze ist einer Ihrer Leute?« fragte Saul wutschnaubend.
»Ich sagte, Sie sollen verschwinden!«
Eine Kugel schlug in das Geländer des Pavillons. Saul kroch über den Boden. Ein dritter Schuß zersplitterte das Treppengeländer, das vom Podium für das Orchester in den Park hinabführte. Mit einem mächtigen Satz schwang Saul sich über die Balustrade auf der anderen Seite des Pavillons und landete auf dem regennassen Rasen. Nun hatte er den Pavillon zwischen sich und dem angeblichen Heckenschützen; er rannte durch den dunklen Park auf ein Karussell zu, kochend vor Wut über diese hinterhältigen Geheimdienstmachenschaften, und noch widerlicher fand er die Bereitwilligkeit, mit der sein Kontaktmann sich verletzen hatte lassen, bloß weil es seine Vorgesetzten so anordneten. »Willkommen beim alten Schattenspiel«, hatte der Pockennarbige gesagt. Ganz genau. Schatten. Illusionen. Bei diesem Gedanken stieg heftiger Ekel in Saul auf. Nachts, bei den schlechten Sichtverhältnissen im Park, hätte dem Heckenschützen durchaus ein kleiner Fehler unterlaufen können, so daß er aus Versehen nicht daneben geschossen hätte.
Hinter Saul krachte ein weiterer Schuß. Splitternd flog der Kopf eines gescheckten Karussellpferds davon. Jetzt reicht's aber, dachte Saul wütend.
In diesem Augenblick tauchte vor ihm eine dunkle Gestalt auf. Erst meinte Saul, es wäre Erika, die ihm in gründlichem Mißverstehen der von der CIA inszenierten Scharade zu Hilfe eilen wollte. Die schemenhafte Gestalt hob eine Schußwaffe.
Das ist nicht Erika! Der Kerl hat es auf mich abgesehen!
Misha Pletz hatte Saul eine Beretta gegeben. Er riß sie aus seiner dunklen Windjacke, doch anstatt sie auf den Angreifer vor ihm abzufeuern, sprintete Saul in der Hoffnung, im Gebüsch Deckung zu finden, nach rechts davon. Ein Schuß, aus wesentlich kürzerer Entfernung abgefeuert, ließ seine Ohren heftig dröhnen. Eine Kugel fuhr durch das Laub eines Strauchs neben ihm. Er sprang hinter eine Parkbank in Deckung und eröffnete nun seinerseits das Feuer.
Doch der Mann war nirgendwo mehr zu sehen. Hinter sich hörte Saul aus der Richtung des Pavillons rasche Schritte. Vor sich entdeckte er plötzlich eine dunkle Gestalt, die hinter einem Baum hervortrat und zielte. Saul drückte ab.
Die schemenhafte Gestalt ging wieder hinter dem Baum in Deckung.
Gleichzeitig schlug eine Kugel in den Betonsockel der Parkbank. Davonstiebende Steinsplitter stachen schmerzhaft in Sauls Gesicht. Dieser Schuß war von einem dritten Heckenschützen abgefeuert worden! Nicht von hinten und nicht von vorn, sondern von rechts! Saul rannte auf einen Springbrunnen zu. Jemand schrie etwas. Sirenen heulten. Mit stechenden Lungen hastete Saul aus dem Park. Die Bäume hörten auf, statt dessen tauchte vor ihm der Weg entlang der Donau auf. Er wandte sich nach rechts. Fünfzig Meter weiter kam eine Gestalt aus den Büschen gekrochen. Saul wirbelte nach links herum. Noch eine dunkle Gestalt. Seine Hände umklammerten die Absperrung aus Metall, und dann schwang er sich über das Geländer.
Er tauchte in kaltes Wasser. Und als er, gegen das zunehmende Gewicht seiner sich vollsaugenden Kleider ankämpfend, unter Wasser in die Mitte des Stroms hinausschwamm, glaubte er nicht weit von sich eine Kugel in das Wasser einschlagen zu hören.
5
Im Dunkel der Straße am Park entlang verborgen, beobachtete Erika den Pavillon. Sie zuckte zusammen, als sie den pockennarbigen Mann Saul einen Schlag versetzen sah. Als sie mit gezogener Waffe losrannte, sah sie, wie Saul einem
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