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von ihnen hätte töten können. Dann hätten wir jetzt zumindest eine Leiche, mit deren Hilfe wir feststellen könnten, wer außer uns noch in diese Angelegenheit verwickelt ist. Verdammt noch mal, Ihr Team hätte den Park und seine Umgebung besser im Auge behalten sollen.«
»Das ging doch nicht. Sie haben selbst gesagt, daß andere Geheimdienste Zeugen der Vorfälle werden sollten. Schließlich wollten Sie doch ihnen gegenüber den Anschein erwecken, als wollten wir nach wie vor nichts mit Romulus zu tun haben. Wir mußten also etwas leiser treten, um unser Publikum nicht zu verscheuchen.«
»Großartig. Die ganze Operation hat so reibungslos geklappt, daß wir sie nun als fehlgeschlagen betrachten können.«
»Das würde ich nicht unbedingt behaupten«, bemerkte der Pockennarbige.
Gallagher hob fragend die Augenbrauen.
»Da Romulus tatsächlich um ein Haar ins Gras hätte beißen müssen«, fuhr der Pockennarbige darauf fort, »werden die anderen Geheimdienste umsomehr zu der Überzeugung gelangt sein, daß er nicht mehr mit uns zusammenarbeitet. Schließlich hat sich nichts an unserem Plan geändert. Er kann wie bisher seiner persönlichen Rache nachgehen, und danach ist er uns weiterhin zu dem versprochenen Gefallen verpflichtet.«
»Sind Sie sich dessen wirklich so sicher? Was ist, wenn Romulus glaubt, die anderen Angreifer waren unsere Leute? Angenommen, er gelangt zu der Überzeugung, Sie hätten die Lage nicht mehr im Griff gehabt und Ihre Männer hätten ihn umzubringen versucht? Unter diesen Umständen wird er sich uns gegenüber zu absolut nichts mehr verpflichtet fühlen. Im Gegenteil, er könnte sich sogar gegen uns wenden. Mein Gott, welch ein Chaos! Unter Umständen müssen wir ihm nun vielleicht doch helfen, um ihn nicht ganz zu verlieren und später für unsere Zwecke einspannen zu können.«
»Andererseits«, gab der Pockennarbige zu bedenken, »wissen wir noch nicht einmal, ob er überhaupt überlebt hat.«
Vor Kälte zitternd und erschöpft watete Saul ans Ufer. Er war etwa fünfzehn Minuten in der Flußmitte stromabwärts geschwommen, bevor er sich ans andere Ufer gewagt hatte. Kalt brachen sich die Lichter im Wasser. Er watete durch den schlammigen Untergrund, bis er eine betonierte Rampe unter seinen Sohlen spürte; drückte sich an einem Bootshaus vorbei und erreichte schließlich eine schmale Straße, die an einem Lagerhaus vorbeiführte. Niemand hatte ihn über den Fluß verfolgt. Für den Augenblick fühlte er sich in Sicherheit. Allerdings zermarterte er sich mit verschiedenen Fragen den Kopf. Wer waren die Männer gewesen, die ihn zu töten versucht hatte? Hatte sein ehemaliger Geheimdienst doch beschlossen, ihn aus dem Weg zu räumen? Ungläubig schüttelte Saul den Kopf. Gewiß hätte der Pockennarbige sich nicht selbst in die Schußlinie begeben. War der PseudoAnschlag demnach also etwas zu realistisch geraten? Oder hatten seine bislang unbekannten Feinde genau diesen Augenblick abgepaßt, um einen neuerlichen Anschlag auf sein Leben zu versuchen? Jedenfalls hätte alles darauf hingedeutet, daß die Verantwortlichen seine ehemaligen Auftraggeber gewesen waren, falls er tatsächlich erschossen worden wäre. Sie hätten die anderen Geheimdienste unmöglich von ihrer Unschuld überzeugen können. Und die eigentlichen Täter wären ungeschoren davongekommen.
Am ganzen Körper zitternd, wurde Saul nun jedoch von einem noch beängstigenderen Gedanken beschlichen. Er galt Erika und Christopher. Seine Frau war bestimmt Zeuge des Anschlags auf ihn geworden, und nachdem sie gemerkt hatte, daß sie ihm nicht würde helfen können, hatte sie bestimmt alles getan, um Christopher zu beschützen. Er zählte darauf, daß sie so handeln würde, wobei diese Gewißheit im Augenblick sein einziger Trost war. Als erstes hatte Erika bestimmt Misha angerufen und ihn aufgefordert, Christopher unverzüglich in Sicherheit zu bringen. Saul ging mit neuem Mut weiter. Im Augenblick kannte er nur ein Ziel: Er mußte den Treffpunkt aufsuchen, den er mit Erika für Notfälle vereinbart hatte.
8
Christopher war unsanft aus dem Schlaf gerissen worden, seine Augen schmerzten von dem grellen Licht. Misha Pletz hatte ihm noch rasch einen Pullover über seinen Schlafanzug gestreift. Der Tabakqualm stach in seine Nase, aber gleichzeitig ließ ihm der Duft von Kaffee und süßem Kakao das Wasser im Mund zusammenlaufen. An den vielen Tischen um ihn herum saßen rotgesichtige Männer, die sich angeregt
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