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Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon

Titel: Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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nicht – sie sprang kurzerhand auf, und schon preschten sie durch das Tor davon.
    Sie ritt die weiße Stute so schnell wie einst die rote, Hunde bellten ihr nach, die Leute flohen in ihre Häuser und sperrten die Türen zu, als sie im wilden Galopp vorbeistob. »Epona reitet …«, flüsterte man. »Epona trauert um den König.«
    Aber sie konnte so wild reiten, wie sie wollte, sie würde ihn nie einholen …

ZWEIUNDZWANZIG
    Lhiannon hielt sich am Rand des kleinen Ruderbootes fest, das sie von dem größeren Schiff ans Ufer gebracht hatte, und kletterte vorsichtig über die Seite hinaus. Der Sand knirschte unter ihren Füßen, und sie bückte sich und ließ ihn in die hohle Hand rieseln.
    »Ich verbinde mich mit der Erde Britanniens«, murmelte sie, »mit dem Boden, Gestein, Bach und Quell. Mit allem, was wächst, und allem, was kreucht und fleucht. Den Menschen dieses Landes gelobe ich, es nicht wieder zu verlassen.«
    Zu ihrer Rechten ragte die graue Felsmasse des Heiligen Berges wie ein undeutlicher Schatten drohend auf. An die Hänge duckten sich ein paar wenige Häuser. Und auf dem Ufersand lagen Fischerboote, wo sich Krähen mit Möwen lautstark um die Fetzen des letzten eingeholten Fanges balgten.
    »Ist das Oakhalls?«, fragte der irische Druide, der sie begleitet hatte, und sah sich unsicher um. Er war von den Ältesten entsandt worden, um sich ein Bild von der Lage zu machen, da es unlängst vermehrt Gerüchte über einen möglichen Zustrom von Flüchtlingen aus Britannien gegeben hatte.
    Lhiannon lachte.
    »Das hier ist nur das nackte, stürmische Gesicht, das Mona dem Meer zeigt. Komm, ich bin sicher, dass uns das gute Volk hier für einen Segen etwas zu essen geben wird. Und danach werden wir nach einem zweitägigen Fußmarsch das Dorf erreichen. Aber wenn mich meine magischen Sinne nicht völlig täuschen, dann treffen wir höchstwahrscheinlich schon bald auf jemanden, der uns seine Reittiere zur Verfügung stellt.«
    Diese Aussicht ließ den armen Mann nicht glücklicher aussehen, aber er fragte nicht weiter nach. Lhiannon seufzte. Nein, ich habe meine magischen Sinne nicht völlig verloren, dachte sie, und wenn die Druiden von Oakhalls vor lauter Furcht vor den Römern nicht gänzlich zerfahren sind, dann haben sie meinen Ruf vernommen. Auf dem Schiff hierher hatten sie allerlei beunruhigende Gerüchte von einem erneuten Vormarsch der Römer vernommen. Eigentlich hatte sie auch Caillean mit auf die Reise nehmen wollen, aber angesichts der unruhigen Lage schien ihr das nicht klug. Und so hatte sie das Mädchen gegen Bezahlung zeitweilig bei einer Familie untergebracht, wo es in Sicherheit war, bis Lhiannon es nachholen ließ.
    Was den Ausschlag für ihre Reise gegeben hatte, war der Traum, den sie kurz nach dem Beltane-Fest gehabt hatte und der sie jetzt in Unruhe versetzte: Sie hatte Boudicca weinen hören, und dann hatte sie eine Göttin gesehen, die auf dem Rücken eines Pferdes heulend und klagend durch die Himmel ritt.
    Die Totenklage der Frauen übertönte das Gemurmel der Menge. Nach drei Tagen öffentlicher Trauer hörte Boudicca es gar nicht mehr. Nun, da Prasutagos’ Stimme für immer verstummt war, gab es kaum mehr etwas, das sie hören mochte. Zwar sprach sie mit den Stammesführern, die zu ihr kamen, aber kaum waren sie fort, hatte sie auch schon vergessen, wer gerade da gewesen war.
    Am Morgen nach Prasutagos’ Tod hatte die Stute, die sich bei dem wilden Ritt durch die Nacht völlig verausgabt hatte, Boudicca wieder nach Hause gebracht, wo bereits Vorbereitungen für das Begräbnis in die Wege geleitet wurden. Alte Frauen waren gekommen, um den Leichnam zu waschen und herzurichten. Männer hoben eine Grabstatt aus und sammelten Holz für den Scheiterhaufen des Totenfeuers. Und nach und nach trudelten die icenischen Stammesführer ein, allein, zu zweit oder mit ihrer ganzen Familie.
    »Mutter – es ist Zeit …« Sie spürte Argantillas warme Hand, die sich um ihre schloss.
    Sie blinzelte, um durch die verschleierten Augen besser sehen zu können. Doch die dunklen, trüben Gesichter, in die sie sah, wollten nicht recht zu den glänzenden, prachtvollen Gewändern für diesen Anlass passen – Temella, Crispus und Caw, der wie gewohnt an Argantillas Seite war. Alle warteten nur noch darauf, dass sie endlich auf die graue Stute stieg und den Trauerzug zur Grabstätte anführte. Rigana saß bereits auf ihrem rotbraunen Pferd, das Gesicht blass von durchweinten Nächten. Nur schwach und

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