Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Nun…«, verbesserte er sich lächelnd, als er die Röte in Gwenhwyfars Gesicht aufsteigen sah,
»beinahe
alles… ich glaube, es wird ein paar Ausnahmen geben, meine Gemahlin. Das Gesetz verlangt, daß wir vor ihren Augen ins Bett gelegt werden. Aber ich weiß, was danach geschieht, geht niemanden außer uns etwas an.«
Sie senkte den Kopf, wohl wissend, daß er bemerkt hatte, wie sie rot wurde. Wieder einmal wurde ihr beschämt bewußt, daß sie Artus vergessen hatte, daß sie Lancelot beobachtete und mit der einschläfernden Süße eines Traums daran gedacht hatte, wie sehr sie sich danach sehnte, ihn zum Gemahl zu haben. Welcher Fluch hatte sie zu Artus' Königin gemacht? Er sah sie mit einem hungrigen Blick an, und Gwenhwyfar wagte nicht, den Kopf zu heben. Sie bemerkte, daß er die Augen abwandte, noch ehe ein Schatten über sie fiel, und Morgaine vor ihnen stand. Artus machte an seiner Seite für sie Platz.
»Komm, setze dich zu uns, Schwester! Für dich ist hier immer Platz«, sagte er, und seine Stimme klang so merkwürdig, daß Gwenhwyfar sich fragte, ob er zuviel getrunken habe. »Nach dem Festmahl haben wir für Zeitvertreib und Unterhaltung gesorgt… vielleicht etwas Besseres, etwas Aufregenderes als die Musik des Barden, obwohl sie sehr schön ist. Ich wußte nicht, daß du eine Sängerin bist, Schwester. Ich weiß, du bist eine Zauberin, aber daß du dich auch auf Musik verstehst, wußte ich nicht. Hast du uns alle verzaubert?«
»Ich hoffe nicht«, antwortete Morgaine lachend, »sonst würde ich nie mehr wagen zu singen… wie war die alte Geschichte von dem Barden, der die bösen Riesen durch seinen Gesang in einen Ring aus Steinen verwandelte, wo sie bis heute noch kalt und versteinert stehen?«
»Davon habe ich nie gehört«, bekannte Gwenhwyfar. »Aber in meinem Kloster erzählte man sich, daß diese Steine böse Menschen waren, die Christus auf seinem Weg zum Kreuz verspotteten. Ein Heiliger hob die Hand und verwandelte sie in Krähen, die bis zum Jüngsten Tag jammernd und krächzend durch die Welt fliegen… und eine andere Geschichte berichtet von einem Heiligen, der Zauberinnen bei ihren teuflischen Riten überraschte und in einen Steinkreis verwandelte.«
Lancelot sagte versonnen: »Wenn ich die Muße hätte, mich mit Philosophie zu beschäftigen, anstatt Kriegsmann, Ratgeber oder Ritter zu sein, würde ich wohl versuchen herauszufinden, wer die Ringsteine aufgerichtet hat und warum.«
Morgaine lachte: »In Avalon ist das bekannt. Viviane könnte es dir sagen, wenn sie wollte.«
»Aber«, erwiderte Lancelot, »was die Priesterinnen und Druiden sagen, ist vielleicht ebensowenig die Wahrheit wie die frommen Geschichten Eurer Nonnen, Gwenhwyfar. Vergebt mir, ich sollte sagen, meine Gebieterin und Königin. Vergebt mir, Artus, ich wollte es nicht an Ehrerbietung fehlen lassen, aber ich nannte Eure Gemahlin bei ihrem Namen, als sie jünger und noch keine Königin war…«
Morgaine wußte, daß er nur eine Entschuldigung gesucht hatte, um ihren Namen laut auszusprechen. Artus sagte gähnend: »Mein lieber Freund, ich habe nichts dagegen, wenn es meiner Gemahlin recht ist. Gott behüte, daß ich zu den Ehemännern gehöre, die ihre Frau in einen Käfig sperren und von allen anderen Menschen fernhalten. Ein Ehemann, der die Treue und die Zuneigung seiner Frau nicht erringen kann, verdient sie vermutlich auch nicht.« Er beugte sich vor und ergriff Gwenhwyfars Hand: »Ich finde, das Mahl dauert lange. Lancelot, wann sind die Reiter bereit?«
»Ich glaube, bald«, antwortete Lancelot und wendete betont den Blick von Gwenhwyfar. »Wünscht mein Herr und König, daß ich mich davon überzeuge?«
Morgaine dachte:
Er spannt sich selbst auf die Folter. Er kann es nicht ertragen, Gwenhwyfar bei Artus zu sehen. Er kann es aber auch nicht ertragen, sie mit ihm allein zu lassen.
Sie hüllte die Wahrheit bewußt in einen Scherz, als sie sagte: »Lancelot, ich glaube, unser Brautpaar möchte ein wenig alleinsein. Warum lassen wir sie nicht hier und gehen zusammen hinunter, um zu sehen, wie weit die Reiter mit ihren Vorbereitungen sind?«
Lancelot wollte erwidern: »Mein Herr…«, und als Gwenhwyfar den Mund öffnete, um dagegen zu reden, sagte er entschlossen: »Erlaubt mir zu gehen.«
Artus nickte zustimmend, und Morgaine nahm Lancelot bei der Hand. Er ließ sich von ihr wegziehen. Aber sie sah, wie er auf halbem Weg den Kopf wendete, als könne er sich nicht von Gwenhwyfar lösen. Es schnitt ihr
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