Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
ihr zur Hochzeit geschenkt hatte. Alle aßen aus einfachen Holzschalen, dem billigen geschnitzten Zeug vom Markt. Gwenhwyfar tunkte ein Stück Brot in die Suppe und sagte: »Es sieht aus, als habe hier bereits eine Schlacht getobt!«
»Es erschien mir besser, alles nach Camelot vorauszuschicken. Dann kam die Nachricht von der Landung der Sachsen, und hier ging alles drunter und drüber. Dein Vater ist hier, meine Liebe… Du willst ihn sicher begrüßen.« Leodegranz saß in der Nähe, aber nicht in Artus' engstem Kreis.
Gwenhwyfar erhob sich, ging zu ihm, und als sie ihn küßte, spürte sie seine knochigen Schultern unter ihren Händen – ihr Vater war ihr immer als großer Mann erschienen, groß und eindrucksvoll. Jetzt wirkte er alt und hinfällig.
»Ich habe Artus, meinem Gebieter, gesagt, er sollte dich in solchen Zeiten nicht durch das Land reisen lassen«, murmelte er. »O ja, sicher war es richtig von ihm, dich an das Sterbebett seiner Mutter zu senden. Aber er hat auch Pflichten seiner Gemahlin gegenüber. Und Igraine hat eine unverheiratete Tochter. Es wäre für sie Verpflichtung gewesen, bei ihrer Mutter zu sein… wo ist die Herzogin von Cornwall, daß sie nicht nach Tintagel gehen konnte?«
»Ich weiß nicht, wo Morgaine sich aufhält«, antwortete Artus, der Leodegranz' letzte Sätze vernommen hatte. »Meine Schwester ist eine erwachsene Frau und ihre eigene Herrin. Sie muß mich nicht um Erlaubnis bitten, hierhin oder dorthin zu gehen.«
»Ja, ja, das geht jedem König so«, erwiderte Leodegranz verdrießlich, »er ist Herr über alle, nur nicht über seine Frauen! Mit Alienor ist es nicht anders, und ich habe noch drei Töchter dieser Sorte; sind noch nicht einmal alt genug, um zu heiraten, aber trotzdem glauben sie, auf meiner Burg das Zepter schwingen zu können! Du wirst sie in Camelot sehen, Gwenhwyfar. Ich habe sie dorthin geschickt, damit sie in Sicherheit sind. Isotta ist die älteste… sie ist alt genug. Du könntest deine Halbschwestern zu Hofdamen machen. Da ich keine Söhne habe, möchte ich, daß du Artus bittest, sie mit einem seiner besten Ritter zu vermählen.«
Beim Gedanken an Isotta, ihre Halbschwester, hob Gwenhwyfar erstaunt den Kopf – war sie schon alt genug, um an den Hof zu kommen? Immerhin, Isotta war sieben gewesen, als Gwenhwyfar heiratete… sie mußte inzwischen mindestens zwölf oder dreizehn sein. Elaine war nicht älter, als man sie nach Caerleon brachte. Artus würde Isotta bestimmt einem seiner besten Ritter geben, wenn sie ihn darum bat… vielleicht Gawain oder Gaheris, dem Vetter des Königs, da Gawain eines Tages König von Lothian sein würde.
Sie sagte zu ihrem Vater: »Ich bin sicher, daß Artus und ich einen passenden Gemahl für meine Schwester finden.«
»Lancelot ist noch ohne Gemahlin«, schlug Leodegranz vor, »und Marcus von Cornwall ebenfalls. Zweifellos wäre es angebrachter, wenn Marcus die Herzogin Morgaine heiraten und sie sich ihre Ansprüche teilen würden. Dann hätte die Herzogin jemanden, der ihre Burg verteidigt und ihre Ländereien schützt. Ich habe zwar gehört, daß Morgaine eine der Damen der Herrin vom See ist… aber Marcus kann sie zweifellos zähmen.«
Gwenhwyfar lächelte beim Gedanken an eine gezähmte Morgaine, verheiratet mit einem Mann, den sie ihr ausgesucht hatten. Dann wurde sie wütend. Warum sollte immer nur Morgaine tun dürfen, was sie wollte. Keiner anderen Frau wurde das zugestanden… selbst Igraine, die Mutter des Königs, war von ihrer älteren Schwester verheiratet worden. Artus sollte ein Machtwort sprechen und Morgaine ordentlich verheiraten, ehe sie ihnen allen Schande machte!
Geflissentlich unterdrückte Gwenhwyfar die Erinnerung daran, daß sie Einwände erhoben hatte, als Artus davon sprach, Morgaine mit seinem Freund Lancelot zu verheiraten.
Oh … ich war selbstsüchtig… ich kann ihn nicht selbst haben, und ihn gönne ich keiner anderen Frau!
Nein, sagte sie sich, sie wäre glücklich, Lancelot mit einer tugendsamen Frau vermählt zu sehen!
Leodegranz fragte: »Ich dachte, die Herzogin von Cornwall sei eine deiner Hofdamen…?«
»Das war sie«, erwiderte Gwenhwyfar. »Aber sie verließ uns vor ein paar Jahren, um ihre Tante zu besuchen, und sie ist nicht zurückgekehrt.«
Wieder einmal fragte sie sich: Wo ist
Morgaine?
Nicht in Avalon, nicht bei Morgause in Lothian, nicht in Tintagel – sie mochte in der Bretagne sein oder auf einer Pilgerfahrt nach Rom, im Feenland oder selbst in der
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