Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
helfen. Bleibt Euer Pferd ruhig stehen?«
Er lächelte. »Es würde mir wenig nützen, wenn es das nicht täte. Denn ich reite auf einsamen Straßen! Kommt… ich würde Camelot gerne morgen erreichen.«
In einer Stadt inmitten der Hügel fanden sie einen Flickschuster, der Morgaines Schuhwerk wieder richtete. Und sie entdeckten einen alten Bronzedolch. Der Händler erklärte, seit der großen Schlacht gäbe es kein Mangel an solchen Dingen. Kevin kaufte ihr auch einen neuen Umhang. Denn, wie er sagte, der Fetzen aus dem Bauernhaus würde sich kaum noch als Satteldecke eignen. Der Kauf hatte sie Zeit gekostet, und als sie wieder auf der Straße waren, begann es heftig zu schneien, und die Dunkelheit würde bald hereinbrechen.
»Wir hätten in der Stadt bleiben sollen«, sagte Kevin. »Ich hätte Harfe spielen und für uns beide ein Abendessen und ein Bett verlangen können. Ich könnte mich in meinen Mantel hüllen und im Schutz einer Mauer schlafen. Aber nicht in Begleitung einer Priesterin aus Avalon…«
»Glaubt Ihr, ich hätte nie so geschlafen?« fragte Morgaine.
Er lachte. »Es kommt mir vor, Morgaine, als hättet Ihr das in letzter Zeit allzuoft getan. Aber wir können das Pferd noch so sehr zur Eile antreiben, wir vermögen Camelot heute nicht mehr zu erreichen. Wir müssen nach einer Unterkunft Ausschau halten.«
Nach einiger Zeit tauchten im Schneegestöber die dunklen Umrisse einer Hütte auf. Selbst Morgaine konnte nicht aufrecht durch die Türe gehen. Wahrscheinlich war es ein alter Stall, aber schon so lange aufgegeben, daß man nichts mehr von den Tieren roch. Wenigstens das Schilfdach schien weitgehend dicht zu sein. Sie banden das Pferd an und krochen hinein. Kevin bedeutete ihr durch eine Geste, den alten, zerlumpten Umhang auf dem Boden auszubreiten, dann hüllten sie sich in ihre Mäntel und legten sich Seite an Seite nieder. Aber es war so kalt, daß Kevin hörte, wie Morgaine mit den Zähnen klapperte. Schließlich sagte er, sie müßten beide Mäntel über sich breiten und sich gegenseitig wärmen.
»Wenn Ihr es nicht verabscheut, diesem mißgestalteten Körper so nahe zu kommen«, sagte er, und sie hörte Schmerz und Zorn in seiner Stimme.
»Was das betrifft, Kevin, weiß ich nur, daß Ihr mit Euren entstellten Händen schönere Musik hervorbringt als ich oder selbst Taliesin mit heilen Händen«, sagte Morgaine und schmiegte sich dankbar an ihn. Endlich glaubte sie schlafen zu können und legte frohgemut ihren Kopf an seine Schulter.
Morgaine war den ganzen Tag lang gelaufen und todmüde. Sie fiel in einen tiefen Schlaf, aus dem sie erwachte, als das Licht durch die Ritzen der Wände drang. Sie war ganz steif vom Liegen auf dem harten Boden, und als sie die lehmbeschmierten Wände sah, packte sie blankes Entsetzen. Sie, Morgaine, Priesterin von Avalon, Herzogin von Cornwall, lag hier in einem Stall… aus Avalon vertrieben… würde sie jemals zurückkehren? Und sie kam von schlimmeren Orten, von der Burg Chariot im Feenland, von der weder Christen noch Heiden etwas wußten, und die jenseits der Pforten dieser Welt lag… sie, die Igraine so liebevoll umsorgt hatte… sie, die Schwester des Großkönigs, unterwiesen durch die Herrin vom See, angenommen von der Göttin… sie hatte alles verleugnet. Aber nein, sie hatte es nicht verleugnet! Man hatte es ihr genommen, als Viviane sie zu dem Gehörnten schickte, und sie mit dem Kind ihres Bruders zurückkehrte.
Igraine ist tot. Meine Mutter ist tot. Und ich kann nicht mehr nach Avalon zurück. In dieser Welt nie mehr…
Morgaine weinte mutlos und erstickte ihr Schluchzen im groben Tuch des Mantels. Kevins Stimme drang sanft und gedämpft durch das Zwielicht. »Weint Ihr um Eure Mutter, Morgaine?«
»Um meine Mutter… um Viviane… und vielleicht am meisten um mich.« Morgaine wußte nicht, ob sie diese Worte aussprach. Kevins Arme legten sich um sie. Sie ließ den Kopf an seine Brust sinken und weinte und weinte, bis sie nicht mehr weinen konnte. Nach langer Zeit sagte er und strich ihr dabei immer noch über die Haare: »Du hast die Wahrheit gesagt, Morgaine… du schreckst nicht vor mir zurück.«
»Wie könnte ich auch?« erwiderte sie und schmiegte sich enger an ihn. »Du bist so freundlich!«
»Nicht alle Frauen denken so«, sagte er. »Selbst an den Feldfeuern … manche Frauen glauben, weil meine Hände und Beine lahm sind, müsse ich auch taub und stumm sein… ich hörte mehr als einmal, daß selbst die Jungfrauen der
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