Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
fallen, fing sie aber gerade noch mit der Tunika auf. »Zum Barden… was meint Ihr damit? Sagt es mir genauer.«
Viviane sah ihm direkt ins Gesicht: »Die Zeit ist gekommen, Gwydion. Du bist zum Druiden geboren und entstammst zwei königlichen Geschlechtern. Du wirst in Avalon in den alten Weisheiten und den
alten Lehren unterwiesen, damit du eines Tages den Drachen tragen kannst.«
Der Knabe schluckte – Morgause sah, wie die Worte in ihn eindrangen. Sie konnte sich vorstellen, daß der Gedanke an eine geheime Weisheit ihn mehr reizte als alles andere, was sie ihm hätten verheißen können. Er stammelte:
»Zwei
königliche Geschlechter habt ihr gesagt…«
Viviane schüttelte kaum merklich den Kopf, als Niniane antworten wollte. So beschränkte sich Niniane darauf zu sagen: »Alle Dinge werden dir offenbart, wenn die Zeit gekommen ist, Gwydion. Wenn du Druide werden willst, mußt du als Erstes lernen, wann du zu schweigen hast und keine Fragen stellen darfst.«
Er sah stumm zu ihr auf. Und Morgause dachte:
Die Mühe heute hat sich gelohnt. Gwydion ist so beeindruckt, daß ihm plötzlich die Worte fehlen.
Es überraschte Morgause nicht. Niniane war schön… sie glich der jungen Igraine oder ihr selbst, als sie noch ein junges Mädchen war. Allerdings waren ihre Haare eher blond als rot…
Viviane sagte ruhig: »Soviel kann ich dir jetzt schon bedeuten… die Mutter deiner Großmutter war die Herrin vom See, und sie entstammte einer langen Linie von Priesterinnen. Auch in Igraine und Morgause fließt das Blut des edlen Taliesin, und in dir ebenfalls. Viele der königlichen Druidengeschlechter von den Inseln vereinigen sich in dir. Wenn du dich würdig erweist, wartet eine große Bestimmung auf dich. Aber du mußt dich ihrer würdig erweisen… königliches Blut allein macht keinen König. Dazu gehören Mut, Weisheit und Weitsicht. Ich sage dir, Gwydion, wer den Drachen trägt, ist vielleicht ein größerer König als der Mann auf dem Thron. Der Thron kann durch Waffengewalt oder Geschick gewonnen werden oder dadurch, daß man im richtigen Bett geboren und vom richtigen König gezeugt wurde, wie es bei Lot der Fall war. Aber der Große Drache wird allein durch eigenes Bemühen erworben… nicht nur in diesem Leben, sondern auch in allen vorausgegangenen. Und damit enthülle ich dir ein erstes Mysterium.«
Gwydion antwortete: »Ich… ich verstehe das nicht!«
»Natürlich nicht«, Vivianes Stimme klang scharf. »Ich habe gerade gesagt… es ist ein Mysterium. Manche weise Druiden haben viele Leben lang studiert, um weniger als das zu verstehen. Ich meinte nicht, daß du verstehen sollst. Ich möchte, daß du zuhörst und lernst zu gehorchen.«
Gwydion schluckte und senkte den Kopf. Morgause sah, daß Niniane ihm zulächelte. Der Junge holte tief Luft, als sei alles noch einmal gut gegangen. Dann setzte er sich ihr zu Füßen und hörte tatsächlich zu, ohne seine üblichen altklugen Antworten oder Erklärungen abzugeben.
Morgause dachte:
Vielleicht ist es wirklich die Ausbildung zum Druiden, die er braucht!
»Ihr seid also gekommen, um mir zu sagen, daß Morgaines Sohn lange genug bei mir gelebt hat. Die Zeit ist gekommen, daß er nach Avalon gebracht und in der Weisheit der Druiden unterrichtet werde. Aber Ihr reist doch nicht den weiten Weg hierher, um mir nur das zu sagen… Ihr hättet einen geringeren Druiden senden können, der den Knaben nach Avalon bringt. Ich weiß seit Jahren, daß es Morgaines Sohn nicht bestimmt ist, seine Tage unter Schafhirten und Fischern zu verbringen. Wo sonst als in Avalon könnte er sein Schicksal finden? Ich bitte Euch, sagt mir alles übrige… o ja, da ist mehr. Ich sehe es in Eurem Gesicht.«
Kevin öffnete den Mund, um zu sprechen, aber Viviane entgegnete scharf: »Warum sollte ich dir meine Gedanken enthüllen, wenn du doch nur versuchst, alles zu deinem und zum Vorteil deiner Söhne zu wenden? Selbst jetzt steht Gawain dem Thron des Großkönigs am nächsten… nicht nur durch seine Abstammung, sondern auch durch Artus' Wertschätzung. Als Artus Gwenhwyfar heiratete, sah ich voraus, daß sie ihm kein Kind gebären konnte. Ich hielt es nur für wahrscheinlich, daß sie während einer Schwangerschaft sterben würde. Deshalb wollte ich Artus' Glück nicht stören, wie immer es auch aussehen mochte… später hätten wie ihm eine passendere Gemahlin suchen können. Aber ich habe zu lange untätig zugesehen. Jetzt verstößt er sie nicht mehr, obwohl sie die
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