Avanias der Große
Schikdaan, die Zimmer seien nicht so teuer dort.
Am Eingang gaben sie sich vor dem Besitzer der Herberge als Bruder und Schwester aus. Der Besitzer fragte sie nicht weiter aus, er wollte nur die Münzen für die Miete sehen. Sie mieteten vier Zimmer, zwei für Avanias, Malgarias, Lamandias und Burgandias, und zwei weitere, eins für Sarafie allein und ein weiteres für die drei angeworbenen Söldner.
Sie wünschten sich gegenseitig eine gute Nacht und bezogen die ihnen zugewiesenen Zimmer.
Im Korridor blieb Avanias vor Sarafies Zimmertür stehen. Er war allein. Es geziemte sich doch nicht, zu so später Stunde an der Tür einer Prinzessin zu klopfen. Er war zaghaft. Was sollte er tun? Mit allem Mut, den er aufbringen konnte, hob er seine rechte Hand, formte sie zu einer Faust und klopfte vorsichtig an die Tür. Nach wenigen Augenblicken hörte er Schritte aus dem Inneren des Gemachs. Sie Tür ging auf. Sarafie stand im Nachthemd vor ihm. Sie blickte verwundert. „Bolkrias?“
Warum hatte sie es denn nicht schon getan? Sie zögerte. Böntschakis stand mit einem Bein in der Ewigkeit. Was sollte er jetzt tun? Würde er sich hastig bewegen und ihr mit dem Arm den Dolch aus der Hand schlagen, würde sie seine Kehle vielleicht doch noch treffen und ihn töten. Aber Uljana bewegte sich nicht. Es war totenstill. Die Schwarze schien von einem Moment auf den anderen um viele Jahre gealtert zu sein, so sah ihr Gesicht jetzt aus. In diesem Augenblick war Böntschakis zu einem gewöhnlichen Mann degradiert worden. Er war verwundbar, ja, er war sterblich. Hing er doch so sehr an diesem schwelgerischen Leben. Irgendetwas musste geschehen. Böntschakis wartete ab. Da ging das Tor plötzlich auf. Für einen kurzen Moment war Uljana nicht achtsam und Böntschakis schlug mit seiner rechten Faust ihre rechte Hand weg. Der Dolch flog ihr aus der Hand. Ein Soldat trat ein. Er blieb schockiert stehen, als er sich jenes unglaubliche Schauspiel vor seinen Augen abspielen sah. Der König stand auf und rannte die Treppen herunter. „Los, du Narr, nimm sie fest!“
Der Soldat raffte sich auf, zog sein Schwert aus der Scheide und lief auf Uljana zu. Sie machte keine Anstalten, den Dolch vom Boden aufzuheben und sich gegen den Soldaten zu verteidigen. Warum hatte sie den Tyrannen doch nicht getötet? Hatte sie Angst vor den Folgen? Hatte sie Angst um ihr eigenes Leben? Oder war sie einfach keine kaltblütige Mörderin?
Der Soldat band ihre Hände hinter ihrem Rücken mit einem Tuch zusammen. Böntschakis kam näher. Uljana starrte regungslos auf den Boden. Er betrachtete ihren Körper von oben bis nach unten. „Du hast versagt, Mädchen. Du bist wirklich nicht leicht zu zähmen.“
Der Soldat hielt die Klinge seines Schwertes an Uljanas Kehle. Böntschakis grinste. Er schaute die ganze Zeit über ihr Gesicht an. Sie regte sich immer noch nicht.
„Was ist Euer Urteil, Majestät? Soll ich sie hinrichten?“
„Wer sagt das? Das hat Euch bestimmt Magria erzählt.“
Lumkin senkte verlegen seinen Kopf.
„Nein, ich bin nicht an irgendeinen Prinzen versprochen. Wer sollte das denn überhaupt sein? Dieses Mädchen muss sich immer in Sachen einmischen, die sie nichts angehen.“
Der Schmied fand nicht die richtigen Worte. Er konnte nicht mehr aufrecht stehen, ihm war seltsamerweise schwindelig geworden. „Verzeiht mir, ich wollte Euch nicht aufregen.“
Nandia schaute noch einmal genervt zur Seite, schüttelte dann aber ihren Zorn ab und lächelte Lumkin wieder an. „Ihr seid noch nicht so lange am Hof, daher kennt Ihr meinen Vater noch nicht so gut. Mein Vater ist zwar konservativ, jedoch hat er uns liberal erzogen. Er würde uns nie etwas gegen unseren Willen aufzwingen.“
„ Gewiss, der König ist gütig und ein wahrer Familienmensch. Ich hatte Vieles über ihn gehört, aber nichts davon entspricht der Realität, wie ich mit Freuden feststellen durfte.“
„ Jetzt bin ich mir dessen sicher, diese Magria ist unberechenbar. Wissen die Götter, was sie für Intrigen stiftet.“
„ Sie ist noch sehr jung. Obwohl ich um einige Jahre älter bin, treibe ich auch noch viel Unsinn.“
Lumkin musste das sagen, denn auf gar keinen Fall durfte es zu einem heftigen Streit zwischen den beiden Schwestern kommen. Nandia nickte. „Ihr seid ein Mann. Sie aber ist eine Dame des Hofes und sollte sich ihrem Stand entsprechend verhalten. Ich werde jetzt gehen und sie persönlich hierher bestellen.“
Der kleine Mann schaute schockiert.
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