Avanias der Große
verstorbenen Mutter. Sassanias wischte sich die Tränen von den Augen ab.
„Darf ich dich etwas fragen, Vater?“
„ Natürlich, meine Kleine.“
„ Wie gut kennst du Avanias?“
„ Was meinst du damit?“
Im nächsten Moment schlug die Laune des Königs um. Er legte seine Trauer ab. Er dachte gerade nur an Avanias und seine Mission. Was würde mit ihm geschehen? War es nicht zu gefährlich? Wie konnte er ihn nur gehen lassen? „Er ist an einem anderen Ort aufgewachsen. Wir haben ihn selten zu Gesicht bekommen. Er hat ohne Zögern einen Palparen erschlagen. Er scheint unberechenbar zu sein.“
„Ja, das war mir schon längst klar. Der Umgang mit dem Schwert fiel ihm sehr leicht. Aber dieser Hang zur Brutalität ist nicht gut. Ich weiß nicht, wie wir etwas dagegen machen können.“
Magria stand auf und schlenderte an ihren Vater vorbei. Er konnte ihr Gesicht nicht sehen. Sie grinste. „Er war der letzte Mensch, der bei Mutter war, als sie starb.“
„Was willst du damit sagen?“
Der König drehte sich hastig zu ihr um und ergriff ihren linken Arm. Sie war überrascht von dieser heftigen Reaktion ihres Vaters. „Nichts. Ich meinte nur, das ist doch seltsam. Er wollte zu ihr, und mit ihr allein sprechen. Und sie starb während ihres Gesprächs.“
„Du meinst, er hat sie getötet?“
Magria riss sich von ihrem Vater los. „Nein, das habe ich nicht gemeint. Ich habe nur viel darüber nachgedacht. Da fiel mir das ein. Ich glaube auch nicht, dass er ihren Tod herbeigeführt hat.“
Sassanias starrte grimmig drein. Sein eigener Sohn soll seine Frau, seine Mutter umgebracht haben?
Magria stolzierte weiter im Raum herum. „Ach, wechseln wir das Thema! Du musst doch bald nach Östrake aufbrechen, um den Tribut an Böntschakis zu entrichten.“
Sassanias war noch in Gedanken versunken. Er kam zu sich. „Was sagst du?“
„ Du brichst doch bald nach Östrake auf, oder?“
Der König nickte.
Plötzlich klopfte jemand an die Tür. Vater und Tochter schauten zur Tür. Das Klopfen wurde lauter und lauter. Nandia stand vor der Tür. Sie schrie: „Magria, mach sofort die Tür auf!“
Diese Information traf Avanias mitten ins Herz. Sie war an einen anderen Mann versprochen. Er ließ sich seinen Kummer nicht anmerken. Sie schwiegen die ganze Zeit über.
Der Anblick der Kuppeln der Tempel von Bagaan war wahrlich gewaltig. Die Stadt an sich war nicht besonders groß, doch blühte seit einigen Jahren der Handel in ihr. Die Menschen waren seit jeher sehr gläubig und spendeten den Priestern großzügig viel Geld, die es in den Bau beeindruckender Tempel investierten. Die Stadt war so gut befestigt und bewacht, dass eine Eroberung durch ein Heer von außen kaum möglich schien.
Sie hatten keine Probleme an den Wächtern der Stadttore vorbeizukommen. Als sie auf der Hauptstraße schlenderten und die üppig verzierten Gebäude an den Seiten sahen, war sogar die Prinzessin aus dem Süden sehr beeindruckt. Natürlich gab es in ihrem Land auch solche Städte, doch wusste sie nicht, dass es außerhalb der Grenzen ihres Landes ebenfalls noch andere reiche Völker gab. Man erzog sie in dem Glauben, ihr Volk sei das beste, größte, klügste und reichste der Welt. Was sich außerhalb ihres Landes vollzog, schien überhaupt keinen Palparen zu interessieren, nicht einmal die Gelehrten.
Seite an Seite schritten Sarafie und Avanias nebeneinander her, vor und hinter ihnen eine Menge von Menschen. Avanias bemerkte, dass Sarafie seit dem Ritt in die Stadt schüchtern ihm gegenüber geworden war und so versuchte er nun, sie zum Reden zu bringen.
„Ich sah das Staunen in Euren Augen. Ist Euer Land nicht noch viel reicher als das unsere?“
„ Das ist wahr. Man hat mich im Glauben erzogen, nur wir wären eine fortgeschrittene Zivilisation, alle anderen Völker wären primitiv. Nun wurde ich eines Besseren belehrt.“
„ Erzählt mir mehr über Euer Land! Ich bin noch nie dort gewesen. Wie ist das Leben dort?“
„ Nicht viel anders als sonst wo, wie ich sehe. Bei uns aber ereignet sich auf den Märkten und auf dem Land Einiges mehr. Zum Beispiel viel Mysteriöses.“
„ Mysteriöses? Was meint Ihr damit?“
„ Ich selbst habe ihn nicht gesehen, aber man erzählt überall von einem Wanderprediger namens Dinjakis, der allen das Gute predigt und Wunder tut. Wir haben aber auch noch andere Zauberer.“
„ Wie meint Ihr das? Ist er ein Zauberer wie die anderen? Ich habe noch nie von diesem Mann gehört.“
„
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