AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
stellte sie sich schüchtern an den Rand des kleinen Grüppchens biederer Hausfrauen. Kleine Kinder auf dem Arm, etwas größere am Schürzenzipfel, sahen sie den Heimkehrenden halb freudig, halb bang entgegen. Allzu oft geschah es, dass die See oder die gefährlichen Hafenstädte der südlichen Küste ihren Tribut forderten.
Die meisten Seeleute aus Lathica traten zu dieser Gruppe, müde Männer und nicht mehr ganz jung, Familienväter, die erleichtert, aber nicht überschwänglich begrüßt wurden. Das Schicksal war gnädig gewesen, keine Familie musste ihren Ernährer beweinen.
Der weitaus größere Teil der Mannschaft aber wandte sich den kichernden Mädchen zu, die den Heimkehrenden um den Hals fielen und ihnen einen stürmischen Empfang bereiteten. Kamante schielte halb verächtlich, halb neidvoll zu ihnen hinüber. Es waren einfache Mädchen aus dem Hafenviertel darunter, einige waren wie sie vom Markt herbeigelaufen, hatten nur ihre Schürzen abgelegt und ein Umschlagtuch übergeworfen, um ihren Schatz zu begrüßen. Aber es gab auch welche, die sich mehr herausgeputzt hatten und die Seeleute, die mit ihrer Heuer die Planken herabstolzierten, kalt und berechnend musterten. Sie würden sich Lächeln und Willkommensgruß und alles, was sie sonst gaben, mit harten Münzen bezahlen lassen. Die Seeleute scherten sich nicht darum. Nach der entbehrungsreichen und gefahrvollen Zeit auf See war ihnen jede weibliche Gesellschaft recht und sie umarmten die Mädchen derb und lärmend.
Kamante wandte den Blick ab und zog ihr Umschlagtuch enger über ihren runden Bauch. Sie gehörte zu keiner der beiden Gruppen, weder zu den Familien, die nun zufrieden den Kai entlangwanderten, noch zu den anderen, die sich zu Paaren zusammengefunden hatten und ihnen schwatzend folgten.
Kwaheri war nicht unter den Männern gewesen und er würde auch nicht unter denen sein, die noch auf dem Schiff arbeiteten. Kamante war fest davon überzeugt, dass er an der Reling stehen würde, um nach ihr Ausschau zu halten, wenn er zurückkehrte.
Trotzdem fiel es ihr schwer, sich von dem Schiff abzuwenden, und sie beschloss, noch einmal herzukommen, wenn sie den Besuch bei Tiresias hinter sich gebracht hatte.
Langsam ging sie über den Kai zurück, vorsichtig ihren Weg zwischen Kisten, Ballen, Säcken und Taurollen zu den Treppen suchend, die zu den verkommenen Häusern führten, die Läden, Schenken und Herbergen für die Seeleute und das Hafenvolk bargen. Ihre Schritte hatten den zuversichtlichen Schwung eingebüßt, sie waren so schwer, wie es bei einer Frau in guter Hoffnung üblich war. Obwohl sie diesen Augenblick schon oft erlebt hatte, spürte sie die Enttäuschung so deutlich wie beim ersten Mal. Wegen dieses Schmerzes hatte sie begonnen, ihr Geld zu Tiresias zu tragen und tat es nun getreulich Woche für Woche.
Sie hatte die erste Häuserzeile erreicht und stand vor einem schäbigen Laden am Ende der Reihe. Ein wenig zurück von der Straße lehnte ein baufälliger Schuppen an der Hauswand, verschlossen mit einer Tür aus rohen Brettern.
Kamante klopfte schüchtern, aber niemand antwortete und nach einer Weile schlug sie fester gegen die Tür. Als sich immer noch nichts rührte, trat sie auf die Gasse zurück und sah sich ratlos um.
»Da kannse lange klopfn, Kleine, der Meista is ausgeflogn.«
Die Krämerin kam mit einem Korb voller Schwämme herausgewatschelt und stellte ihn zwischen den anderen Waren ab.
»Stavros hat ihm rufn lassn, er soll sagn, wo Stavros seine beiden Galeeren abgeblieben sin. Dabei könnt er sich das Geld sparn. Die dümpeln jetz in den verdammten Battava rum«, sie spuckte aus, »das kann ich aus meine Fischsuppe lesen.«
Sie schob die Körbe mit dem Fuß zusammen, aber als sie sah, wie Kamante sich enttäuscht zum Gehen wandte, rief sie ihr nach:
»Kannst hier auf ihm wartn, er is schon lange weg, der alte Scharlatan, müsst eigentlich gleich wieder da sein«, sie beäugte Kamantes runden Leib und meinte einladend, »wenn de willst, kannse dir bei mich reinsetzn.«
Sie schien einem Schwatz nicht abgeneigt, aber Kamante hatte keine Lust, sich von der redseligen Frau ausfragen zu lassen. Sie bedankte sich und wanderte die Straße hinauf, wo zwischen den steinernen Poldern mächtige Taurollen lagen, auf denen sie sich niederließ. Ihre Füße schmerzten und sie sehnte sich nach den beruhigenden Worten des Sehers. Von hier aus konnte sie sowohl die Straße als auch den Kai überblicken.
Von Tiresias hatte
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