AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
gefasst, sich zur Sicherheit bewaffnet - er hat mir den Schürhaken gezeigt, ein schweres Ding, das er kaum heben konnte - und die Tür einen winzigen Spaltbreit geöffnet. Zuerst hat er nichts gesehen, aber dann hörte er die Stimme wieder. Sie erklang zu seinen Füßen und nun sah er, dass zusammengekrümmt auf seiner Schwelle die bedauernswerten Überreste eines Menschen lagen. Genauso hat er es geschrieben, Jermyn«, beharrte sie, als sie seine ungläubige Miene sah, »und er hatte dabei Tränen in den Augen. Ich glaube, er dachte an sein eigenes trauriges Schicksal. Er hat den armen Kerl dann mit viel Mühe hereingeholt. Er war wohl in einem schrecklichen Zustand, klammerte sich an Vitalonga und redete unaufhörlich auf ihn ein. Vitalonga verstand ihn nicht, weil der Mann keinen Satz mehr zustande brachte. Das schien den armen Kerl furchtbar mitzunehmen, er steigerte sich in eine solche Aufregung, dass Vitalonga loslief, um seinen Freund, einen Arzt zu holen. Der beruhigte den armen Teufel so weit, dass sie ihm ein Schlafmittel einflößen konnten. Als ich kam, lag er immer noch in Vitalongas Schlafkammer, der Arzt war bei ihm, um die Verbände zu wechseln. Vitalonga hat ihn trotz seiner Entstellungen erkannt. Es war sein Nachbar, den er vor mehr als einem Jahr zuletzt gesehen hatte.«
»Was ist jetzt mit ihm?«
»Ich weiß es nicht. Die nächsten Tage war ich nicht bei Vitalonga und heute hat er mir erzählt, dass der Arzt den Mann mitgenommen hat, um ihn zu pflegen, da Vitalonga dieser Aufgabe nicht gewachsen war.«
»Ist er gefoltert worden?«
»Ja, furchtbar«, erwiderte sie knapp, »ich will nicht darüber sprechen.« Sie presste die Lippen zusammen. Eine Weile herrschte Stille bis auf das leise Plätschern des Wassers, wenn sie sich bewegten. Schließlich schüttelte Jermyn sich, als wolle er die dunkle Stimmung abwerfen.
»Wer weiß schon, was dahinter steckt? Wir können Vitalonga besuchen, sobald die Eröffnungsfeiern vorbei sind. Bis dahin haben wir noch viel zu tun. In sieben Tagen ist es soweit.«
Er grinste und schien den unglücklichen Nachbarn schon vergessen zu haben. Ninian tat es leid, dass sie davon angefangen hatte, und ging bereitwillig auf den Wechsel ein.
»In sieben Tagen«, wiederholte sie, »und wir wissen immer noch nicht, wo wir sitzen werden. Wahrscheinlich müssen wir tatsächlich vom Boteneingang aus zuschauen, wie LaPrixa gesagt hat, weil du dich nicht darum kümmern willst.«
»LaPrixa hat ein Schandmaul und du hast kein Vertrauen zu mir. Wir haben schon Sitzplätze für die Eröffnungsfeiern und sie kosten uns keinen Groschen.«
»Wahrscheinlich oben auf der Galerie ...«
»Was bekomme ich, wenn ich die Katze aus dem Sack lasse?«, fragte er lauernd.
»Das Versprechen, dass ich dich nicht aus dem Zuber werfe«, erwiderte sie ungnädig und er lachte.
»Der Bulle war mir sehr, sehr dankbar für meine Hilfe, und er hat sich entsprechend großzügig gezeigt ...«
Wie es seine Art war, zog er die Sache genüsslich in die Länge, aber als Ninian die Geduld verlor und ins Wasser hieb, dass es ihm ins Gesicht schwappte, gab er nach und sagte es ihr.
Wie eine Seuche hatte der Zirkus von Dea Besitz ergriffen. Man sprach von nichts anderem und alles übrige, ob wichtig oder unwichtig, musste warten, – »nach der Zirkuseröffnung« wurde zum geflügelten Wort.
Duquesne war von morgens bis abends in der Stadt unterwegs, um durch seine Anwesenheit die Leute in der heiligen Furcht vor der Autorität des Patriarchen zu halten, manchmal kam er den ganzen Tag nicht aus dem Sattel und hatte kaum Zeit, an einer Garküche gefüllte Fladen oder eine Schale heißer Suppe zu essen.
In der hohen Politik war es nicht anders. Der Patriarch fieberte der Eröffnung entgegen, als läge darin sein Heil und die Erlösung von all den Mühen, die auf seinen alten Schultern lasteten. Nur mit Mühe war er zu bewegen, sich mit anderen Dingen zu beschäftigen.
Duquesne erfuhr es am eigenen Leibe, wenn er in den Palast kam, um Bericht zu erstatten. Der Patriarch hörte kaum hin, wenn die Rede von Vorfällen war, die nichts mit dem Zirkus zu tun hatten, sie kümmerten ihn nicht mehr.
So war es auch, als Duquesne wenige Tage nach seinem Gespräch mit Dubaqi vor ihm stand.
»Nun, Duquesne, wie steht es? Ist der Boden endlich gelegt?«
Der alte Mann saß an seinem mit Papieren übersäten Schreibtisch und sah nur flüchtig auf, als der Hauptmann der Stadtwache eintrat. Er war noch angekleidet,
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