AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
sein Alteisen aufgehalst, der Schuft.«
Sie standen in der Waffenkammer und sortierten die unbrauchbaren Waffen aus, als Ninian hereinstürmte. Jermyn war nicht weniger überrascht als der Bulle: So, wie sie sich am Morgen gestritten hatten, hatte er nicht damit gerechnet, sie hier zu sehen. Sie mied seinen Blick, aber ein heller, harter Glanz lag in ihren Augen und ihre Wangen waren gerötet.
»Ist Kaye hier?«
Der Bulle nickte und begann dann zögernd: »Höre, Ninian, willst du wirrrklich nicht in die ...«
Sie ließ ihn nicht ausreden, sondern trat schnell zu ihm, umarmte und küsste ihn auf Mund und Wangen.
»Es wird mir großes Vergnügen bereiten, dort zu sitzen, mein Lieber! Verzeih, dass ich dir noch nicht für deine Freigiebigkeit gedankt habe«, sagte sie ein wenig atemlos, »du bist ein wirklicher Freund.« Sie ließ ihn los. »Ich muss mit Kaye sprechen, gewiss wird er fluchen, wenn ich mit meinen Wünschen komme.«
Schon halb aus der Tür, drehte sie sich zu Jermyn um.
»Du solltest dir auch Gedanken über dein Gewand machen. Ein Haufen Leute wird auf uns schauen. Und wir wollen doch dem Meister aller Meister Ehre machen, nicht wahr?«
Dann war sie verschwunden und sie hörten sie nach Kaye rufen. Der Bulle schüttelte sich, als sei er aus einem Traum erwacht, und schielte unsicher zu Jermyn. Aber Jermyn war zu verblüfft, um sich über Ninians überschwänglichen Dank zu ärgern. Er zuckte die Schultern.
»Hab ich nicht gesagt, dass sie nie das tut, was man erwartet?«
Und dann war es soweit. Drei Tage vor der Tagundnachtgleiche, am zwanzigsten Tag des Windmondes im Jahre vierunddreißig der Regierung Politanus, beinahe neunhundert Jahre nach seiner Grundsteinlegung, war der Wiederaufbau des Alten Zirkus vollendet.
Meister Parinese und seine Genossen standen in der Mitte der gewaltigen Arena und betrachteten schweigend ihr Werk. Angesichts der überwältigenden Pracht der weiß schimmernden Marmorstufen, der sorgfältig ausgebesserten Reliefs und der leuchtenden Bemalung, stieg zum ersten Mal die Empfindung in ihnen auf, dass sie etwas Großartiges geschaffen hatten. Am Ende hatte der verehrte Violetes doch die falsche Entscheidung getroffen, als er die Leitung des Baus niederlegte. Immerhin hatten sie das Werk vollendet und der Patriarch würde sie dafür vor allen ehren.
Soviel hatte Duquesne jedenfalls durchblicken lassen, als er die letzte Abnahme machte.
Nun war die letzte Bohle verlegt und die Bretter lagen unter einer knöcheltiefen Schicht des feinsten weißen Sandes. Die hölzerne Bühne für das Schauspiel war errichtet, die Rampen für das Schiff geglättet und mit Fett beschmiert. In den unterirdischen Käfigen rumorten die fremdartigen Bestien, die schon vor drei Tagen mitten in der Nacht aus dem alten Bestiarium hergeschafft worden waren, damit sie sich an die neue Umgebung gewöhnten.
Die gestempelten Tontafeln waren restlos verteilt. Als die Grauen Brüder erleichtert die Losurnen einpackten und die Wachstuben verließen, stand fest, dass sich etwa fünfzigtausend Menschen in der Arena drängen würden, eine ungeheure Zahl und doch nur ein kleiner Bruchteil der Bewohner Deas. Die Entscheidung, wer an dem epochalen Ereignis teilnehmen durfte, war endgültig gefallen. Den Gutmütigen unter den Verlierern blieb die Hoffnung auf die nächsten Spiele, während die Missgünstigen um Sturm und Regen am Eröffnungstag beteten.
Der letzte Aufruf des Patriarchen hatte einiges Aufsehen erregt, sehr viele Tafeln waren jedoch nicht zurückgekommen, so dass Duquesne sich wappnen musste, diejenigen, deren Hautfarbe den Anforderungen nicht entsprach, an den Eingängen zurückzuweisen. Da auch unter seinen Wachleuten einige dunkelhäutige Männer waren, von ihm selbst ganz zu schweigen, verursachte ihm diese Aufgabe Unbehagen. Nicht weil ihn die Ungerechtigkeit der Ausschließung störte, sondern weil er den Aufruhr fürchtete, der leicht daraus entstehen konnte.
27. Tag des Windmondes 1465 p.DC.
Am Vorabend des großen Tages bereitete sich jeder auf seine Weise auf das Ereignis vor, von dem noch viele spätere Generationen berichten sollten.
Die Schauspieler hatten sich in den Tempel des Lyros zurückgezogen, um dort dem Herrn der Dicht- und Sangeskunst zu huldigen, und die Musen günstig zu stimmen.
Die ungleich größere Schar der Gladiatoren drängte sich in den Höfen im unterirdischen Heiligtum des Priapus, um den Segen des Herrn aller Mannhaftigkeit zu erbitten. Es war eine
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