AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
geleuchtet hat.«
Er machte eine kleine Pause.
»Sie war sehr hübsch, die Kleine, wie hieß sie noch, das Fräulein von Tillholde. Ihr ward ein schönes Paar. Schade, dass nichts daraus geworden ist. Aber wie sie geartet ist, hätte sie sich bei dir wohl gelangweilt. Mit ihrem Dieb ist sie sicher besser dran.«
Donovan stockte der Atem bei den grausamen Worten, doch der Patriarch redete unbekümmert weiter.
»Nimm die Schachtel und verbirg sie in deinem Lautenkasten. Niemand wird ahnen, dass ich den Schleier aus den Händen gegeben habe. Bei dir werden sie ihn nicht vermuten und so ist er in Sicherheit. Bewahre ihn gut, Donovan, auch er unterstützt deinen Anspruch. Wer den Schleier der Kaiserinnen besitzt, muss Nachfolger der Kaiser sein, so einfach ist das. Zumindest für die Einfältigen, und die sind nun einmal in der Mehrzahl. Öffne die Läden und lösch die Kerzen, dann klimpere noch ein paar Töne und geh. Das viele Reden hat mich erschöpft.«
Damit war Donovan entlassen gewesen, und nun saß er hier mit dem Schleier, der einst seine Gattin schmücken sollte, eine blutleere, unscheinbare Dame von uraltem Adel, die seinen Anspruch legitimieren sollte und ihn zu Tode langweilen würde ...
Mit einem Ruck öffnete Donovan den Lautenkasten und holte die Schachtel hervor. Er tastete nach den Scharnieren, die der Patriarch ihm gezeigt hatte, und klappte sie auf.
In dem silbernen Licht sah er das weiße Fräulein, wie es an seiner Hand auf- und niederschwebte und ihn anlachte, ohne sich über ihn lustig zu machen. Im Haus der Weisen, als sie Ava gewesen war und nicht Ninian.
Hastig schloss er den Kasten und verbarg ihn in dem Fach unter der Tischplatte des Instrumententisches. Kein Mensch hatte sich jemals für seine Kompositionen und seine Dichtkunst interessiert. Hier, zwischen den geliebten Noten und Gedichten, war der Schleier sicher.
Dann riss er die Fensterläden auf, griff nach Tinte und Papier und schrieb mit solcher Hast, dass die Feder sich spaltete und spritzte, aber die Flecken scherten ihn nicht. Mit leuchtenden Augen betrachtete er seine Worte.
Ich habe ein Zeichen gefunden. Wirst du mir vertrauen und zu mir kommen, wenn ich dir den Mondenschleier der Kaiserinnen schenke?
Nach drei Tagen bangen Wartens hielt er einen Zettel in der Hand und durch einen Tränenschleier las er:
Das ist das Zeichen, auf das ich gehofft habe! Ich werde den Schleier für dich tragen, wenn wir tanzen, und alles wird vergeben und vergessen sein. Du wirst meine Wunden heilen und meine befleckte Ehre wieder herstellen. Auf bald, liebster Freund ... bei dir werde ich endlich wieder die zarteren Empfindungen finden, die ich so lange entbehrt habe und nach denen ich mich sehne.
26. Tag des Hitzemondes 1465 p.DC.
»Das kann nicht wahr sein! Den nächsten von diesen Gaunern, der mir unter die Augen kommt, werf ich in die Jauchegrube und lass ihn so lange dort zappeln, bis er gelernt hat, sein Wort zu halten. Bei Sonnenaufgang sollten sie hier sein, verdammt noch mal, jetzt haben wir die achte Stunde und keiner von diesen Halsabschneidern lässt sich blicken!«
Aufgebracht betrachtete Ninian die halbfertige Treppe, die sich an der Stelle des Pfeilers erhob, an dem sie bisher auf die Galerie geklettert waren. Die Gesteinsbrocken waren aus der Halle verschwunden, statt dessen füllten sie Ziegelsteine und Bauholz.
»Hätten wir uns bloß nicht auf diese verdammte Bauerei eingelassen. Ich wünsch den Halunken die Pest an den Hals!«, angewidert trat sie gegen eine Mörtelbütte.
»Aber Patrona, dann kommen sie ja gar nich mehr un wir stehn da mit dem Zeugs.«
Wag kam aus der Küche, Mehl und Teigreste mit einem Lappen von den Händen wischend. »Ich hab ja gleich gesagt, lass es wie es is.«
Die weise Bemerkung verbesserte Ninians Laune nicht gerade.
»Was verstehst du schon davon?«, fuhr sie ihm über den Mund. »Du hast doch immer über die wackelige Leiter gemeckert und nach was Soliderem gejammert!«
Sie wies auf die fleckige Zeichnung, die, mit Ziegelscherben beschwert, auf dem Tisch lag. Das rohe Mauerwerk erinnerte nicht im mindesten an die schwungvolle Treppe, die dort abgebildet war.
»Na ja, ich versteh soviel, dass ich das Ding putzen muss«, maulte Wag, »un dass wir keine ruhige Minute mehr hatten, seit die Bauerei angefangen hat. Du fluchst wie ein Fuhrknecht un schimpfst jeden Morgen das gleiche. Un das Badehaus wär auch nich nötig ...«
»Weil du es einheizen musst?«, fragte Ninian
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