AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Händen des Töpfers gedrückt und geknetet zu werden«, sie kicherte. »Quarz dagegen ist beinahe wach, es prickelt, wenn ich ihn berühre, und ich spüre, dass er mich wahrnimmt.«
Einmal fragte Vater Troy sie, ob sie jemals über die Quelle ihrer Kräfte gesprochen hätte. Die Frage stürzte sie in peinlichste Verwirrung, sie konnte nicht verneinen ohne zu lügen, aber sie wollte nicht zugeben, dass sie ausgerechnet Jermyn davon erzählt hatte. In ihrer Bestürzung lehnte sie es schroff ab, von diesen Dingen zu sprechen.
Abgesehen davon war sie dem Vater zugetan und verbrachte den größten Teil ihrer Tage in seiner Gesellschaft. Sandte sie ihren Geist in die vertrauten Tiefen, traf sie auf die überströmende Liebe der Erdenmutter und die Bangigkeit, die seit der letzten Treffen auf dem Turm ihr Wesen erfüllte, kam für eine Weile zur Ruhe.
Die Erdenmutter nahm es Ava nicht übel, dass sie ihre Kräfte an ihren ältesten Kindern erprobte.
»Ich habe dir meine Macht gegeben, sie ist dein, liebe Tochter. Dein Wille soll wie mein Wille sein.« Unmäßig in ihrer Freude, die Berührung eines menschlichen Geistes zu spüren, ließ sie zu, dass Ava die Gesteine in Bewegung versetzte und zur Ruhe zwang.
Wenn Ava so beschäftigt war, gelang es ihr, Jermyn aus ihren Gedanken zu verbannen. Sie würde hart und stark wie die Erde sein, es war ihr ernst mit dem gewesen, was sie zu Donovan gesagt hatte. Sie brauchte keinen Mann, sie würde alleine herrschen als Fürstin Ava und der verhasste zweite Teil ihres Namens würde getilgt werden.
Manchmal allerdings wanderten ihre Blicke voller Sehnsucht zum alten Turm. Sie entschuldigte sich damit, dass sie die gewohnten Kletterübungen vermisste, doch wenn Jermyn den Raum betrat, ergriff sie eine merkwürdige Beklommenheit, unter seinem Blick prickelte ihr Haut wie unter tausend Nadelstichen. Ungeduldig wartete sie darauf, dass ihre Zeit im Haus der Weisen endete und sie seiner Gegenwart endlich entkommen konnte.
Der Sommer neigte sich seinem Ende zu, als sich etwas ereignete, was Avas Aufmerksamkeit so fesselte, dass ihre Ängste wegen Jermyn in den Hintergrund traten.
Da sie sich jeden Tag mit dem Gestein verband und tief in die umliegenden Erdschichten eintauchte, waren ihre Sinne geschärft. Seit einiger Zeit hatte sie eine befremdliche Veränderung bemerkt, die Vater Troy und sie beunruhigten. Eine große Spannung baute sich auf, es war, als hielte die Erde den Atem an. Doch bisher zeigten die Instrumente des Vaters keine Anzeichen für ein Beben an.
Jeden Tag prüften sie zur gleichen Zeit die Geräte und auch am letzten Tag des Fruchtmondes wanderte Ava zum Sternenturm, wo sie aufgestellt waren.
Sie verließ den Kreuzgang, trat durch das Torhaus in den äußeren Garten und lief zwischen den hohen, immergrünen Lebensbäume her. Der Sternenturm lag im hellen Sonnenlicht und hinter den geöffneten Fenstern der obersten Kammer sah sie Vater Troy hin- und hergehen.
Unten vor der Tür stand Jermyn und schaute hinauf. Ava blieb stehen, sie wollte ihm nicht begegnen.
Jetzt beugte sich der Vater aus dem Fenster und rief ihm zu, er solle heraufkommen. Jermyn warf einen Blick auf die Tür, dann griff er in die armdicken Ranken der Kletterpflanze und zog sich daran hoch.
Ava musste sich das Lachen verkneifen – oh nein, keine Treppen für Jermyn! Mit wenigen Zügen hatte er das Mauerwerk erreicht und begann den Aufstieg. Es war sicher nicht das erste Mal, er schien seinen Weg zu kennen. Zielsicher griff er in die Fugen zwischen den groben, hellen Mauersteinen und auch seine Füße fanden Halt, ohne lange herumzutasten.
Unwillkürlich trat sie näher und sah ihm nach. Sie spürte das raue Gestein unter ihren eigenen Fingerspitzen und merkte, wie sehr sie das Klettern mit ihm vermisste. Sie schalt sich dafür, aber sie konnte die Augen nicht abwenden und folgte hungrig jedem Zug, den er machte.
Jermyn war schon mehr als zwei Manneslängen über dem Boden, als Vater Troy sich oben plötzlich weit aus dem Fenster lehnte.
»Junger Mann«, schrie er, »willst du, dass mich der Schlag trifft? Wirst du wohl die Treppe nehmen wie alle ordentlichen Menschen!«
Jermyn hielt inne und legte den Kopf in den Nacken. Mit einem Lachen ließ er sich fallen. Ava hielt erschrocken den Atem an, aber er drehte sich geschickt in der Luft und landete mit angezogenen Knien gerade vor der Tür.
»Wie eine Katze«, dachte sie mit widerwilliger Bewunderung und trat einen Schritt aus dem
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