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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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dichter werdenden Betrieb andere eilige Fußgänger streifte, zuckte es ihr in den Fingern, aber der Patron hatte sehr deutlich klargemacht, dass sie noch nicht geschickt genug war, um wirklich einen Griff in fremde Taschen zu wagen und dass er keinen Finger rühren würde, um ihr zu helfen, wenn man sie ertappte.
    Die bunte Haartracht auf Wags Geheiß unter der Kapuze verborgen ging sie brav und sittsam einher, doch bald versank das morgendliche Gedränge um sie her und mit Wonne gab sie sich der Erinnerung an jenen Vorfall hin, der sie vor einigen Wochen in große Bedrängnis gebracht hatte.
    Im Gedränge des Fischmarktes hatte sie Wag aus den Augen verloren und war in wachsender Furcht zwischen den Ständen umhergeirrt.
    Sie hatte nur verschwommene Erinnerungen an die Schrecken ihrer Ankunft in Dea, doch der Hafen mit seinem Gestank nach Abfällen, Teer und Brackwasser bereitete ihr immer noch Unbehagen und bisher hatte sie sich stets dicht an Wags Seite gehalten.
    Alleingelassen überfiel sie der Schrecken von neuem. Verstört blieb sie endlich mitten auf dem Weg stehen. Fremdes Volk rempelte sie an, mit groben Worten wies man sie an Platz zu machen und als sie sich hilflos umsah, stieß der ausladende Henkelkorb an ihrem Arm gegen eine kunstvoll aufgeschichtete Pyramide von Schalentieren. In wildem Durcheinander fiel die gepanzerte Ware zu Boden und schlitterte über die Steine. Die anderen Marktgänger schimpften, als ihnen Krebse und Langusten zwischen die Füße kamen, vom Stand her aber ergoss sich eine wahre Flut an Beschimpfungen über die unglückliche Kamante.
    »Du dalkerte Trutsche, du dalkerte. Haust mir mit ’m Arsch mein ganzen Laden z’am, du blede Blunzn! Kannst dein G’lumpe nich bei dir halten? Was bist denn du für eine, ah, eine Schwärzliche, ei, da wunderts nich, hast lange Finger machen wolln, ha? Aber wart, du kommst mir grad recht, du Rußfratzn, da und da ...«
    Die Händlerin, eine der berüchtigten Fischweiber, denen selbst gestandene Männer aus dem Weg gingen, war hinter ihrem Tisch hervorgeschossen und hatte sich wie eine Furie auf die entsetzte Missetäterin gestürzt. Als sie ein schwarzes Gesicht unter der Kapuze entdeckte, machte sie auch von ihren roten, nach Fisch stinkenden Fäusten Gebrauch und es hagelte Hiebe auf das wie gelähmt dastehende Mädchen. Kamante duckte sich weinend, aber niemand legte ein gutes Wort für sie ein und Wag war weit.
    Plötzlich fiel ein Schatten über sie und die Händlerin taumelte zurück, von einem wuchtigen Schlag gegen ihren ausladenden Busen getroffen. Harte Finger packten Kamantes Handgelenk und zerrten sie fort. Das Marktweib folgte ihnen fluchend und in rasendem Lauf ging es zwischen den Ständen her. Doch Kamante und ihr Retter hatten flinkere Beine, nach eine Weile ging der Frau die Luft aus und sie trottete grollend zu ihrem Stand zurück.
    Außer Atem fand Kamante sich in einer Nische in der Hallenmauer wieder, eine hochgewachsene Gestalt schirmte sie vor den Blicken der Menge ab. Als sich der Trommelwirbel in ihrer Brust ein wenig beruhigt hatte, hob sie zaghaft die Augen und blickte in ein Gesicht, so dunkel wie ihr eigenes. Weiße Zähne blitzten in einem verschwörerischen Grinsen und dann hörte sie Worte in ihrer eigenen Sprache.
    Es war nicht der Dialekt ihres Dorfes, aber doch ähnlich genug, und nach all der Aufregung brach sie erneut in Tränen aus.
    Sofort verschwand das Grinsen, besorgt klopfte ihr der Fremde auf den Rücken und redete tröstend auf sie ein, während sie um Fassung rang. Er bot ihr seine Trinkflasche an und die harte, gelbe Kalebasse, so verbreitet unter den Bewohnern des Inneren Südens, drohte einen neuen Tränenstrom auszulösen, hätte Kamante nicht plötzlich ihren Name gehört, schrill und voller Angst. Sie sprang auf und sah Wag in Begleitung eines Stadtwächters verzweifelt ihren Namen rufend. Große Erleichterung überkam sie und gleich darauf ein leises Bedauern. Unschlüssig sah sie ihren Retter an. Es wäre schön, wenn Wag ihm danken könnte, dennoch zögerte sie. Sie wollte diese Begegnung für sich behalten ...
    Der junge Mann nahm ihr die Entscheidung ab. Wieder blitzte sein Lächeln.
    »Kamante - bist du das?«
    Sie nickte und er flüsterte: »Ich arbeite hier, ich werde nach dir Ausschau halten.«
    Er verschwand zwischen den Ständen und Kamante trat in die Halle hinaus. Einen Augenblick später stand Wag vor ihr, umarmte und schalt sie mit gleicher Inbrunst, während der Wächter

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