AvaNinian – Zweites Buch
überraschten Mann von der Plattform und unter Jermyns Bann musste er ihr folgen. Als sie den Boden berührten, fiel Ninian auf die Knie und zog den Trommler mit sich. Sie drückte ihn auf die Erde nieder und legte ihre Hände an seine Schläfen.
»Nun fühle!«
Langsam rollten die Schläge des Großen Pulses durch sie hindurch und drangen über ihre Fingerspitzen in das Blut des Trommlers. Die wutverzerrten Züge glätteten sich, er lauschte mit wachsender Hingabe.
»Aah, Maggia Ulteria«, murmelte er heiser, »gepriesen sei die Große Mutter. Ich versteh, lass mich frei!«
Er warf sich mit dem Gesicht zur Erde und küsste sie. Jermyn zog sich zurück, der Mann sprang auf und kletterte auf die Plattform. Mit einem gewaltigen Schrei drosch er auf das Fell ein. Für einen Moment stockte der Schlag der anderen Trommler, dann nahmen sie den neuen Takt auf.
Ninian kämpfte sich zu Jermyn zurück. Sein Ohr nahm den feinen Unterschied nicht wahr, wie Wetterleuchten gingen Misstrauen und Zweifel über seine Züge.
»Das ist er - der Herzschlag der Erde!«
Die Trommelstöcke wirbelten und diesmal ergriff der Rhythmus Ninian wie alle anderen. Durch den Boden drang er in ihr Mark, ihr Blut pulsierte im tiefen, langsamen Takt der erwachenden Erde, in deren Schoß sich der Keim des neuen Lebens regte. Sie spürte den uralten, dunklen Trieb von Zeugung und Geburt am eigenen Leib.
Doch was in der Erde langsam über viele Wochen wirkte, vollzog sich unter den rasenden Schlägen in wenigen, fieberhaften Stunden und jagte alle, die sich dem Trieb ergaben, in einen Wirbel der Leidenschaft.
Der Nieselregen hatte wieder eingesetzt und doch flogen Wämser, Hemden und Brusttücher beiseite. Aufgelöstes Haar flatterte um glänzende, verzückte Gesichter und nackte Schultern. Aufgeheizt von den schwitzenden, zuckenden Leibern um sie her, streifte Ninian ihr Wams ab und schnell war das dünne Hemd durchnässt. Niemand scherte sich um den Regen, die feinen Wassertropfen verdampften auf den glühenden Körpern, Dunst stieg von den Tanzenden wie von umgepflügter, feuchter Erde.
Die Fackeln auf der Empore der Trommler flackerten und zischten unter den Regenschauern, aber sie erloschen nicht. Sie verzehrten sich in einem fremden Feuer, wie sich die Menschen in brünstiger Glut verzehrten. Männer und Frauen fanden sich zu Paaren und Gruppen zusammen und bewegten sich, oft Mund an Mund, in ekstatischer Umarmung. Alle Hemmungen schwanden, Hände wühlten sich unter die verbliebenen Kleidungsstücke und die Tanzenden versanken in wonnevollem Taumel.
Ninian spürte nichts von den Stößen und Püffen, die sie trafen. Sie stand dicht vor Jermyn, ihr keuchender Atem vermischte sich mit dem seinen. Sie stampften den Boden im wirbelnden Takt der Trommeln, wichen zurück, soweit es die drängende Enge zuließ, und kamen wieder zusammen, aber sie berührten sich nicht. Es war nicht nötig.
Seine bloße Nähe erregte sie bis an die Grenze des Erträglichen. Seine nackte Brust glänzte von Schweiß und Regen, sie meinte, die nasse Haut unter ihren Fingern, an ihrem Mund zu spüren und wenn die wogende Menge sie gegen ihn drängte, durchfuhr es sie so heftig, dass ihre Beine nachgeben wollten.
Schließlich vergaß sie, dass sie sich bewegte, vergaß die verzerrten Gesichter um sich her, das Grunzen der Männer, die grellen Schreie der Frauen. Nur den tiefen, aufwühlenden Schlag der Trommeln gab es und Jermyn - seinen harten, vertrauten Körper, das blasse, erregte Gesicht mit dem leidenschaftlich verzerrten Mund. Seine Augen aber, brennend und tiefschwarz, füllten ihre Welt. Sie konnte ihren Blick nicht mehr lösen, selbst wenn sie es gewollt hätte. Die Vereinigung, auf die sie die tosenden Trommelschläge zutrieben, würde weiter gehen, als jede Umarmung, die sie bisher geteilt hatten. Sie würde vollkommen sein - Körper und Geist.
Tränen liefen ihr über die Wangen: Sie würde ihr innerstes Wesen preisgeben, alles, was sie bisher verborgen gehalten hatte, und sie stöhnte vor Angst. Doch die Trommeln zerschlugen Bedenken und Scham - wenn er es wollte, würde sie zu ihm kommen, mit allem, was sie besaß.
Jermyn ritt die große Woge, den tobenden Wind. So hatte er sich diese Nacht vorgestellt und es war gut, besser als alle Träume. Der Schlag der Trommeln jagte durch seine Glieder, peitschte sein Blut zur Raserei. Es schrie nach Ninian wie in den Tagen, als er vergeblich nach ihr gehungert hatte, jetzt, jetzt endlich würde er sie
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