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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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sich von dem Tuch zu befreien, aber ihre Lage verbesserte sich kaum - es war stockdunkel und es stank. Sie versuchte sich aufzurichten, trat auf Stoff und verfluchte die langen Röcke. Die anderen Unglücklichen schluchzten und schrien um Hilfe, sie mussten zu viert oder fünft in dem engen Wagen eingepfercht sein und nach einem schmerzhaften Tritt gegen ihre Hüfte brüllte sie:
    »So haltet doch still, zum Teufel, wollt ihr ihnen die Arbeit abnehmen und euch tottreten?«
    Das Jammern verstummte. Ninian raffte sich mühsam auf und ihre tastenden Hände berührten eine Sitzbank. Sie ließ sich dankbar darauf fallen.
    »He, hier kann man sitzen, jetzt sortiert euch, aber vorsichtig!«
    Sie bekam ein dünnes Ärmchen zu fassen und zog das Geschöpf neben sich. Angstvoll klammerte es sich an sie. Ein säuerlicher, schaler Geruch nach ungewaschenen Körpern und billigem Fusel, vermischt mit dem öligen Duft von Schminke und Puder, stieg ihr in die Nase und sie musste gegen den aufsteigenden Brechreiz ankämpfen. Um sie herum raschelte und ächzte es, die anderen gehorchten der gebieterischen Stimme. Zu ihrer Rechten spürte Ninian rauen Stoff an ihrem nackten Arm. Ein spitzer Ellenbogen bohrte sich ihr in die Rippen, als die Kutsche jetzt in rasender Fahrt in eine Kurve ging und sich dabei gefährlich neigte. Der Mensch neben ihr würgte und aus der Dunkelheit kam eine wütende Stimme.
    »Schluck’s runter, du! Wenn de kotzt, schlag ich dir die Zähne ein!«
    Ninians Nachbar schluckte hart, es hörte sich an, als stopfe er sich einen Zipfel seiner Jacke in den Mund. Über das Rattern der Räder rief Ninian:
    »Hat niemand ein Licht?«
    Wieder raschelte es und einen Moment später glomm eine kleine Flamme auf.
    »Ich hab aber nur drei von die Dingers!«
    Im Schein des armseligen Lichtes hetzten Ninians Blicke durch das Wageninnere. Als das zweite erlosch, rief sie:
    »Ich hab was gesehen. Spar das letzte auf ...«
    Sie erhob sich in der schwankenden Dunkelheit und tastete nach der kleinen Laterne, die von der Decke baumelte. Der Draht riss ihr die Finger blutig, aber es gelang ihr, ihn zu lösen. Bei einem heftigen Ruck stolperte sie vornüber und Hände streckten sich ihr entgegen, um sie zu stützen.
    »Hmm, des is ja ’n feines Stöffchen, was is die Schweine denn da ins Netz gegangen?« Es war eine gewöhnliche Stimme, aber die Sprecherin schien sich ein wenig gefasst zu haben.
    »Hier ist der Kerzenstummel, spürst du ihn? Jetzt das letzte Hölzchen, vorsichtig ...«
    Nach einem bangen Augenblick brannte der kümmerliche Docht, Ninian setzte das Stümpfchen in die Laterne und hob sie hoch.
    »So ist es besser.«
    Sie lächelte ihre Nachbarin an, die sich wie eine Ertrinkende an ihren Arm klammerte. Die Augen waren weit aufgerissen und dunkel vor Angst, die Gesichtszüge kaum zu erkennen, ungeschickt aufgetragene Schminke hatte sich mit Schmutz und Tränen zu einer grotesken Maske vermischt. Obwohl ihre Gestalt noch kindlich war, trug sie ein eng geschnürtes, tief ausgeschnittenes Mieder, aus dem ein fleckiges Hemd schaute. Weite, zerrissene Röcke waren daran festgenestelt.
    Auf der anderen Seite der Kutsche drückte sich ein anderes Kind, nicht älter als Ninians Nachbarin, verängstigt in die Ecke, aber neben ihm saßen zwei dralle Dirnen mit derben Gesichtern, etwa in Ninians Alter, schmuddelig und mit billigem Tand herausgeputzt. Die Angst stand ihnen ins Gesicht geschrieben, doch die eine musterte Ninian neugierig.
    Auch die anderen starrten sie an - selbst in dem schwachen Licht glitzerte das weiße Kleid betörend und als ihre Blicke furchtsam zu ihrem Gesicht wanderten, merkte Ninian, dass sie noch immer die Maske trug. Sie schob sie ungeduldig in die Stirn und das Mädchen gegenüber pfiff durch die Zähne:
    »He, du bis ja ’n echter Hingucker! Na, da wer’n sie sich aber freun ...«
    »Was meinst du?«
    »Hast keinen Dunst, wie?«, die andere verzog verächtlich den Mund. »Die verdammten Kerle hol’n sich Mädels von die Straße un schleppn sie in dunkle Löcher, wo sie nie wieder rauskommen, jedenfalls nich in Ganzen. Ham eure Mamas euch nich vor die Masken gewarnt? Jetz hats uns erwischt un wir könn nur hoffn, das es schnell geht ...«
    Es schien ihr eine düstere Befriedigung zu bereiten, die Angst zu schüren. Das Mädchen neben Ninian fing an zu weinen und auch auf ihrer anderen Seite erklang trockenes, krampfhaftes Schluchzen. Sie schüttelte ärgerlich den Kopf.
    »Halt doch den Mund. So

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