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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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Hornstöße trieben die Männer in alle Eingänge, die steilen Treppen hinunter. Der Bulle packte Jermyn am Arm.
    »Komm, Brruder, der Herr wartet, komm ... «
    Jermyn sah zum Tor. Dort lag nur Dunkelheit, in der quälende Bilder lauerten. Die ganze Nacht hatte er sich gegen sie gewehrt, im Tempel war er wenigstens nicht allein. Ohne Widerstand ließ er sich vom Bullen in die Tiefe unter den Höfen ziehen.
     
    In der dahinrasenden Kutsche saßen die Mädchen in entsetztem Schweigen. »Was ... was machen sie mit ihm?«, wimmerte es neben Ninian.
    Sie enthüllte die Laterne und sah in bleiche Gesichter.
    »Weiß nich«, knurrte das Mädchen auf der anderen Seite, »un es is mir auch gleich. Frag lieber, was sie mit uns vorhaben ...« Sie presste die Lippen zusammen und tastete nach der Hand ihrer Freundin.
    Die eigentümliche Neugier hielt Ninian gefangen und hinderte sie, der Sache ein Ende zu machen. Sie wollte wissen, wohin die seltsame Fahrt führte. Angst verspürte sie nicht, nur beunruhigende, beinahe freudige Erregung. Sie versuchte, aus dem Klang der Räder auf dem Pflaster herauszufinden, wohin sie fuhren, aber der Wagen änderte so oft die Richtung, dass sie es aufgab.
    Als die Kutsche mit einem Ruck anhielt, begannen die beiden jüngeren Mädchen zu weinen. Die Tür wurde aufgerissen.
    »Los, los, raus mit euch. Schnell, schnell oder wir machen euch Beine!«
    Ein Peitschenknall verlieh den Worten Nachdruck und die Mädchen stolperten über das Trittbrett. Die plötzliche Helligkeit eines erleuchteten Hofes blendete sie und als ihre Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, entdeckten sie, dass sie nicht die einzigen Gefangenen waren. Bewacht von vermummten, peitschenschwingenden Gestalten standen dort vier oder fünf Mädchen zusammengedrängt wie eine Herde Schafe. Mädchen aus dem Volk, herausgeputzt wie Ninians Gefährtinnen, mit tränen- und farbverschmierten Gesichtern.
    Die Maskierten stießen die Neuankömmlinge zu ihnen hinüber und wieder erntete Ninians glitzernde Robe neugierige Blicke.
    Der Hof war nicht groß und von alterschwachen Gebäuden umgeben. Auf der Stirnseite erhob sich eine Tempelfassade, baufällig und schäbig. Die Statuen, die ihren Eingang geschmückt hatten, waren längst von Wind und Regen zerfressen und nicht mehr zu erkennen, aber über dem Tor hing die unbeholfene Darstellung eines Dreifusses unter zwei beschirmenden Händen. Ninian erkannte die Abbildung. In jedem Haus, jeder Garküche war sie neben dem Kamin und auf dem Herd angebracht. Wag hatte sie mit einem Stück Kohle an die Wand gekritzelt und erneuerte sie von Zeit zu Zeit.
    Ein Tempel der Herma, der Patronin des Herdfeuers. Es gab die bescheidenen, unscheinbaren Kultstätten in jedem Stadtviertel und außer einer abgehetzten Hausfrau oder einem schluchzenden Küchenjungen, denen das Feuer im Herd erloschen war, fand sich selten ein Andächtiger darin. Warum brachten die Masken ihre Opfer zu dieser harmlosen Gottheit?
    Auch die anderen Mädchen schienen sich ein wenig zu beruhigen, nur die junge Frau, die mit Ninian in der Kutsche gewesen war, starrte mit gerunzelter Stirn auf den Eingang des Tempels.
    Es blieb ihnen nicht viel Zeit zum Nachdenken. Die Masken trieben sie durch das knarrende Tor in den stockdunklen Tempelraum.
    Ninian hörte das erschrockene Raunen der Mädchen. Selbst die kleine Flamme, die immer in einer Schale in den Händen der Göttin brannte, war erloschen!
    Eine Tür öffnete sich, rötliches Licht fiel in die Dunkelheit und die Masken stießen sie vorwärts. Hinter ihnen fiel die Tür zu und der Schlüssel drehte sich im Schloss.
    Sie fanden sich in dem Raum, in dem die Priesterin Gefäße und Geräte für den Tempeldienst aufbewahrte. Das Bild der Göttin war an der Rückwand in den Stein gemeißelt, eine vertraute, beruhigende Figur, die in einer Hand die Flamme hielt, die sie mit der anderen beschützte. Hinter ihr waren Spinnrocken und Mörser abgebildet.
    Während sie noch verwundert darauf blickten, drehte sich der Stein knirschend und die Mädchen wichen erschrocken zurück.
    Mehrere Priesterinnen traten durch die Öffnung, umhüllt von einem Schwall heißer, weihrauchgeschwängerter Luft. Es waren nicht die freundlichen, vom ständigen Kauern vor dem heiligen Feuer gebückten Gestalten, die der Herma dienten, sondern hochgewachsene Frauen, schwarz gekleidet, mit verhüllten Gesichtern. Reifen aus rotem Gold umspannten ihre kräftigen, nackten Arme.
    Wimmernd drängten sich die

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